Online-Nachricht - Donnerstag, 13.03.2025

Einkommensteuer | Steuerfrei­heit einer als Sonder­betriebs­einnahme erfass­ten Auf­wands­ent­schädi­gung (BFH)

Eine Aufwands­ent­schädi­gung, die ein Mit­unter­nehmer als Präsi­dent einer Berufs­kammer erzielt, ist durch die betrieb­liche Tätig­keit der Mit­unter­nehmer­schaft veran­lasst. Sie gehört bei un­mittel­barer Aus­zahlung an den Mit­unter­nehmer zu dessen Sonder­betriebs­ein­nahmen (BFH, Urteil v. 19.11.2024 - VIII R 29/23; veröf­fent­licht am 13.3.2025).

Hintergrund: Nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG sind Bezüge steuerfrei, die als Aufwands­ent­schädi­gung aus öffent­lichen Kassen an öffent­liche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen.

Sachverhalt und Verfahrens­gang: Die Klägerin ist eine GbR und Frei­berufler-Sozietät. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit für die Streit­jahre wurden gesondert und einheit­lich festgestellt. Der Beigeladene ist Mitgesell­schafter der Klägerin und war in den Streitjahren 2012 und 2013 ehrenamtlich als Präsident der X, einer Körperschaft des öffent­lichen Rechts, tätig. Für die ehrenamtliche Tätigkeit erhielt der Beigeladene eine Aufwands­entschädi­gung.

Seine Tätigkeit für die X umfasste im Streitjahr 2012 volle 24 Tage und im Streitjahr 2013 volle 21 Tage. Daneben hatte er fast täglich weitere Termine im Rahmen seiner Tätigkeit als Präsident (Telefonate und kurz­fristig anberaumte Besprechungen). Mandanten­termine für die Sozietät mussten deswegen regelmäßig verschoben werden. Für die Tätigkeit als Präsident legte er pro Jahr mindestens 7.000 km mit dem eigenen Personen­kraftwagen zurück. Hierfür standen ihm nach der Satzung der X antrags­gebundene Aufwendungs­erstat­tungs­ansprüche für nachgewiesene Reisekosten, Fahrtkosten in Höhe eines üblichen Kilometer­gelds, für die Kosten einer Wegeunfall­versiche­rung und für eine Asses­soren­vertre­tung in der Sozietät bei Veranstaltungen der X an Werktagen zu. Den Anspruch auf Ersatz seiner Fahrtkosten machte der Beigeladene gegenüber der X nicht geltend.

Im Innenverhältnis hatte der Beigeladene die laufenden Betriebs­ausgaben der Klägerin entsprechend seinem Gewinnanteil hälftig zu tragen.

Der Kläger erklärte die Aufwands­entschädi­gungen zunächst im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen und machte geltend, sie seien gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei. Dem folgten das FA und das FG der ersten Instanz nicht (Thüringer FG, Urteil v. 13.9.2017 - 3 K 170/17). Der BFH hob das Urteil auf und wies die Sache an das FG zurück. Die Einnahmen aus der Aufwands­entschädi­gung für 2012 seien nicht als einzel­unter­nehmerische Einkünfte des Beigeladenen aus selbständiger Arbeit, sondern als Sonder­betriebs­einnahmen auf Ebene der Sozietät zu behandeln (BFH, Urteil v. 29.9.2020 - VIII R 5/18, NV). Das FG müsse das Klageverfahren bis zum Abschluss des vorgreiflichen Fest­stellungs­verfahrens gemäß § 74 FGO aussetzen. Für das Streitjahr 2013 wurde das FG-Urteil aus anderen verfahrens­recht­lichen Gründen aufgehoben. Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage des Beigeladenen gegen die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre erneut ab. Hiergegen erhob der Beigeladene Revision, die unter dem Az. VIII R 19/21 beim Senat anhängig und durch Senatsbeschluss vom 21.12.2023 bis zur Rechtskraft der Entscheidung im vorliegenden Verfahren gemäß § 74 FGO ausgesetzt worden ist.

Im Anschluss an das Senatsurteil v. 29.9.2020 - VIII R 5/18 erließ das FA geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre. Die Aufwands­entschädi­gungen für die Tätigkeit als Präsident wurden abzüglich eines steuer­freien Betrags von 2.100 € (2012) und 2.400 € (2013) als Sonderbetriebseinnahmen des Beige­ladenen erfasst. Die vom FA als steuerfrei anerkannten Teilbeträge der Aufwandsentschädigung entsprachen den in den LStR zu § 3 Nr. 12 (R 3.12 Abs. 3 Satz 3 LStR) festgelegten Pauschal­beträgen für übliche Aufwendungen von mit dem Beigeladenen vergleich­baren Personen und überstiegen aus Sicht des FA auch nicht die vom Beige­ladenen selbst getragenen Fahrtkosten.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das FA habe zu Recht die in den Lohnsteuer-Richtlinien vorge­sehenen Pauschal­beträge zur Bemessung des typischerweise entstehenden und steuerfrei ersetzbaren Aufwands von Personen in gleicher dienstlicher Stellung herangezogen. Für den die Pauschal­beträge übersteigenden Teil der Aufwandsentschädigung fehle es an einem berücksichtigungsfähigen und steuerfrei ersetzbaren Aufwand. Die anteilig vom Beige­ladenen getragenen Kosten für die Aufrecht­erhaltung des Sozietäts­betriebs seien "Sowieso-Kosten", die nicht wie erforderlich unmittelbar durch die ehrenamtliche Tätigkeit veranlasst seien. Die geleisteten Aufwandsentschädigungen seien mit Verdienst­ausfall­entschädi­gungen vergleich­bar, die gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 Halbsatz 2 EStG nicht steuerfrei seien (Thüringer FG, Urteil v. 11.5.2023 - 4 K 401/22).

Die Richter des BFH hoben das Urteil auf und gaben der Klage statt:

  • Entgegen der Vorentscheidung sind die von der X erhaltenen Aufwands­ent­schädi­gungen in voller Höhe steuer­freie Sonder­betriebs­einnahmen des Beige­ladenen.

  • Das FG hat die laufenden Gesamt­hands­aufwendun­gen zum Unterhalt der Sozietät nicht als steuerfrei ersetzbare Betriebs­ausgaben angesehen, weil es sich um keine unmittelbar durch die ehrenamt­liche Tätigkeit veran­lassten Aufwen­dungen und damit um "Sowieso-Kosten" gehandelt habe. Dies hält der revisions­recht­lichen Nachprüfung nicht stand.

  • Das FG hat verkannt, dass auch die Betriebs­ausgaben im Gesamt­hands­vermögen der Klägerin durch die ehren­amtliche Tätigkeit in hin­reichender Weise veranlasst sind und daher Gegenstand einer nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuer­freien Aufwands­entschädi­gung sein können.

  • Eine Aufwandsentschädigung, die ein Mitunter­nehmer als Präsident einer Berufskammer erzielt, ist durch die betriebliche Tätigkeit der Mitunternehmerschaft veranlasst. Sie gehört bei unmittel­barer Auszahlung an den Mitunter­nehmer zu dessen Sonderbetriebseinnahmen (BFH, Urteil v. 15.6.2004 - VIII R 72/03, BFH/NV 2005, 29, unter II.1. und II.2.; zur betrieblichen Veranlassung von Aufwandsentschädigungen, die ein gewerblicher Einzel­unter­nehmer für die ehren­amtliche Tätigkeit als Präsident einer Berufs­kammer erhält, s. auch BFH, Urteil v. 26.2.1988 - III R 241/84, BStBl II 1988, 615).

  • Aufwendungen der Mitunternehmerschaft für die betrieb­liche Tätigkeit sind durch die ehrenamt­liche Tätigkeit des Mit­unter­nehmers als Präsident einer Berufskammer (mit-)veranlasst.

  • Die Mitveranlassung dieser Aufwendungen durch die Ausübung des Ehrenamts ist die Kehrseite des Umstands, dass die Einnahmen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit Bestandteil der betrieb­lichen Tätigkeit der Mitunternehmer­schaft sind und je nach Auszahlungs­form zu Betriebs­einnahmen der Gesamthand oder zu Sonder­betriebs­einnahmen eines Mitunter­nehmers führen.

  • Sie sind bei der Prüfung, ob eine Aufwands­entschädi­gung ausschließlich Betriebs­ausgaben der ehrenamt­lichen Tätigkeit ersetzt, zu berücksichtigen.

Hinweis:
Darüber hinaus hat das Gericht entschieden, dass § 48 FGO i.d.F. des Art. 27 des Kredit­zweit­markt­förde­rungs­gesetzes auch für im Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 1.1.2024 bereits anhängige Klage­verfahren gilt (Anschluss an BFH, Urteil v. 8.8.2024 - IV R 1/20).

 
Quelle: BFH, Urteil v. 19.11.2024 - VIII R 29/23; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VIII. Senat des BFH Dr. Christian Levedag gelangen Sie hier (Login erforderlich).