Online-Nachricht - Donnerstag, 20.03.2025

Außensteuergesetz | Britische "remittance basis"-Besteue­rung als Vorzugs­besteue­rung im Sinne des Außen­steuer­rechts (BFH)

Die im Vereinigten König­reich Groß­britan­nien und Nord­irland für Zuge­zogene gewährte "remittance basis"-Besteue­rung kann eine Vorzugs­besteue­rung sein, die zur erwei­terten be­schränk­ten Steuer­pflicht gemäß § 2 AStG führt (BFH, Urteil v. 14.1.2025 - IX R 37/21; veröf­fent­licht am 20.3.2025).

Hintergrund: Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG liegt eine niedrige Besteuerung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AStG dann vor, wenn die Belastung der Person durch die im ausländischen Gebiet erhobene Einkommen­steuer aufgrund einer gegen­über der allge­meinen Besteuerung eingeräumten Vorzugs­besteue­rung erheblich gemindert sein kann, es sei denn, es wird nachge­wiesen, dass die Steuer mindestens zwei Drittel der Einkommen­steuer beträgt, die bei unbe­schränkter Steuer­pflicht zu entrichten wäre.

Eine Besteuerung auf „remittance basis“ bedeutet, dass bei bestimmten Einkünften aus ausländischen Quellen von der Besteuerung zunächst abgesehen wird, sofern sie nicht in das Inland überführt werden. Hierbei handelt es sich um ein Wahlrecht. Das Wahlrecht steht nach britischem Recht nicht allen Steuerpflichtigen zu, sondern nur solchen Steuer­pflichtigen, die zwar „Resident“ in Groß­britannien sind, aber nicht zugleich „ordinary resident“ oder „domiciled“.

Sachverhalt: Die Klägerin ist deutsche Staats­angehörige und lebte bis 2000 im Inland und seitdem in London. Im Streit­jahr 2006 erzielte sie Kapital­erträge, deren Schuldner seine Geschäfts­leitung und seinen Sitz nicht im Inland hatte. Die Kapital­erträge trans­ferierte die Klägerin im Streitjahr nicht nach Groß­britannien. Das Finanzamt setzte diese bei der Veran­lagung zur Einkommen­steuer an. Dabei ging es davon aus, dass diese Einkünfte der erweitert beschränkten Steuer­pflicht nach § 2 AStG unterlägen und insbe­sondere die Steuer­belastung in Großbritannien durch eine Vorzugs­besteue­rung nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG gemindert sei. Die Annahme einer Vorzugsbesteuerung stützte das Finanzamt auf die Erkenntnis, dass nicht in Groß­britannien bezogene Einkünfte nur insoweit der Besteue­rung in Groß­britannien unterlagen, als die Klägerin diese nach Groß­britannien überführte ("remittance basis"-Besteuerung). Die Klägerin machte geltend, dass die Besteuerung auf „remittance basis“ historisch gewachsen und daher keine Vorzugs­besteuerung, sondern Teil des normalen englischen Rechts sei.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG München, Urteil v. 26.3.2021 - 8 K 883/17; s. hierzu Dr. Lieber IWB 23/ 2021 S. 923).

Die Richter des BFH wiesen die Revision als unbegründet zurück:

  • Die von der Klägerin erzielten Kapitalerträge unterliegen im Rahmen der erweitert beschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG der inländischen Besteuerung. Die der Klägerin eröffnete Möglichkeit, für das Streitjahr in Großbritannien die "remittance basis"-Besteue­rung in Anspruch zu nehmen, stellt eine gegen­über der allgemeinen Besteuerung einge­räumte Vorzugs­besteue­rung dar, die die steuer­liche Belastung in Groß­britannien erheblich mindern kann.

  • Das Gesetz definiert den Begriff der Vorzugs­besteuerung nicht. Allerdings ist insoweit grund­sätzlich geklärt, dass ein Vorzug in diesem Sinne nicht anzunehmen ist, wenn nach dem in Frage stehenden ausländischen Rechtssystem für alle dort ansässigen Personen bestimmte Einkünfte steuer­begünstigt sind. Es muss - in Abgrenzung zur allgemeinen Besteue­rung - ein Vorzug sein, der den im Wegzugsstaat lebenden Bürgern dieses Staates nicht zugänglich ist.

  • An diese Erfordernisse anknüpfend wird die britische "remittance basis"-Besteuerung für die im Streitjahr geltende Rechtslage in Großbritannien überwiegend als Vorzugs­besteuerung eingestuft (vgl. BMF, Schreiben v. 14.5.2004 - IV B 4 - S 1340 - 11/04 BStBl 2004 I Sondernummer 1/2004 S. 3, Tz. 2.2.2). Es handelt sich um eine der Allge­meinheit grundsätzlich nicht zugäng­liche Sonder­regelung für "residents", die einen schwächeren persön­lichen Bezug zu Groß­britannien aufweisen als Steuer­pflichtige, die dort über einen "domiciled"-Status verfügten.

  • Diese Form der Einkommensbesteue­rung ist eine Ausnahme vom grund­sätzlich in Groß­britannien geltenden Welt­einkommens­prinzip ("arising basis") und begründet einen steuer­lichen Vorzug insoweit, als privi­legiertes Auslands­einkommen, das nicht nach Großbritannien transferiert wird, aus der steuerlichen Bemes­sungs­grund­lage suspendiert wird.

  • Die der Klägerin eingeräumte Möglichkeit, ihr Einkommen in Großbritannien auf "remittance basis" zu versteuern, hat zur Folge, dass die dortige Steuerbelastung gegen­über der allge­meinen Besteue­rung erheblich gemindert sein kann (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 AStG). Unerheblich ist, ob diese Art der Besteue­rung tatsächlich in Anspruch genommen wird. Es genügt nach der Formu­lierung des Gesetzes ("kann"), wenn der aus­ländische Staat, in dem der Steuer­pflichtige ansässig ist, eine Vorzugs­besteue­rung einräumt, deren persön­liche Merkmale der Steuer­pflichtige erfüllt.

  • Die Klägerin erfüllte nach den Feststellungen des FG im Streitjahr die Voraus­setzungen für eine "remittance basis"-Besteuerung der streitigen Einkünfte aus Kapitalvermögen, wonach diese abweichend zum allgemein geltenden Welt­einkommens­prinzip in Großbritannien steuerfrei gestellt werden, wenn sie nicht nach Groß­britannien überführt werden. Die vollständige Steuerfrei­stellung kann ein gegenüber der allgemeinen Besteue­rung bestehende erheb­liche Minderung der Steuerlast bewirken.

  • Die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht gemäß § 2 AStG verletzt weder das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot noch den allgemeinen Gleichheitssatz.

  • § 2 AStG ist mit den unionsrechtlichen Grundfreiheiten, insbesondere mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar.

Quelle: BFH, Urteil v. 14.1.2025 - IX R 37/21und BFH Pressemitteilung v. 20.3.2025 (lb)

 
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