Online-Nachricht - Donnerstag, 27.03.2025
Umsatzsteuer | Vorsteuerabzug aus Insolvenzverwalterleistung bei Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter (BFH)
Die Vorsteuer aus einer Insolvenzverwalterleistung ist entsprechend § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen, wenn der zum Vorsteuerabzug berechtigte Insolvenzschuldner die Leistung des Insolvenzverwalters sowohl für die Befriedigung seiner unternehmerischen als auch privaten (nichtunternehmerischen) Insolvenzverbindlichkeiten bezieht. Ausnahmsweise kann die Aufteilung jedoch nach der Gesamttätigkeit des Insolvenzschuldners während seiner Verwaltungszeit nach Maßgabe seiner steuerpflichtigen, steuerfreien und nichtwirtschaftlichen Tätigkeit vorgenommen werden, wenn der Insolvenzverwalter in einem Sonderfall ohne Vornahme von Verwertungshandlungen die unternehmerische Tätigkeit des Insolvenzschuldners fortführt (BFH, Urteil v. 23.10.2024 - XI R 20/22; veröffentlicht am 27.3.2025).
Hintergrund: Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, ist gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln (§ 15 Abs. 4 Satz 2 UStG). Es ist dabei zunächst Sache des Unternehmers, welche Schätzungsmethode er wählt; Finanzbehörden und Finanzgerichte können aber nachprüfen, ob die Schätzung sachgerecht ist (vgl. BFH, Urteil v. 5.9.2013 - XI R 4/10, BStBl II 2014, 95, Rz 29; BFH, Urteil v. 3.8.2017 - V R 62/16, BStBl II 2021, 109, Rz 28; BFH, Urteil v. 11.11.2020 - XI R 7/20, BStBl II 2022, 746, Rz 10; BFH, Urteil v. 9.11.2022 - XI R 31/19, Rz 12).
Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ist eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist (vgl. BFH, Urteil v. 11.11.2020 - XI R 7/20, BStBl II 2022, 746, Rz 10).
Sachverhalt: Der Kläger ist Insolvenzverwalter im Verfahren gegen den Insolvenzschuldner Y. Zuvor war er in dem Verfahren bereits als vorläufiger Insolvenzverwalter tätig.
Der Insolvenzschuldner war als IT-Administrator selbständig tätig. Für das Unternehmen des Insolvenzschuldners bestanden Fortführungsaussichten, so dass der Kläger das Unternehmen im Wege der fachlichen Tätigkeit des Insolvenzschuldners, der die von Kunden erteilten Aufträge für die Masse abwickelte, weiterführte. Der Kläger gab Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Im Zeitraum des Insolvenzverfahrens ergaben sich aus der fortgeführten Tätigkeit Umsätze in Höhe von insgesamt rund 250.000 €. Zur Insolvenztabelle wurden Forderungen von insgesamt rund 334.000 € - einschließlich Forderungen aus Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag (rund 261.000 €) und Umsatzsteuer (rund 57.000 €) - angemeldet.
Für seine Tätigkeit als (vorläufiger) Insolvenzverwalter wurde dem Kläger im Februar 2018 eine Vergütung in Höhe von 21.513,54 € zuzüglich 4.087,56 € Umsatzsteuer sowie 1.150 € zuzüglich 218,50 € Umsatzsteuer zugesprochen. Der Kläger erteilte entsprechende Rechnungen an die Insolvenzmasse.
Am 28.11.2018 gab der Kläger als Insolvenzverwalter eine (später berichtigte) Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2018 ab, in welcher er ausschließlich Vorsteuerbeträge (u.a. die Vorsteuer aus seinen Insolvenzverwaltervergütungen in Höhe von 4.087,56 € und 218,50 €) anmeldete. Er nahm eine Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der in der Zeit der Insolvenzverwaltung erzielten betrieblich begründeten Einnahmen zu den Gesamteinnahmen vor. Die Vorsteuer sei zu 97,37 % abziehbar. Nach Auffassung des FA sei die Vorsteuer lediglich zu 17,06 % abziehbar, und zwar nach dem Verhältnis der zur Insolvenztabelle angemeldeten privaten und unternehmerischen Insolvenzforderungen.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts sei der vom Kläger angesetzte Vorsteueraufteilungsschlüssel sachgerecht. Zwar habe der BFH für den Bezug von Leistungen eines Insolvenzverwalters durch einen Insolvenzschuldner eine besondere Auf-teilungsmethode für den Fall entwickelt, dass der Insolvenzverwalter ausschließlich Verwertungshandlungen vornehme. Für den hier vorliegenden Fall, dass der Insolvenzverwalter den schuldnerischen Betrieb fortführe und (so gut wie) keine Verwertungshandlungen vornehme, müsse sich die Vorsteueraufteilung davon abweichend nach dem Gesamtumsatz des Insolvenzverwalters während seiner Verwaltungszeit nach Maßgabe der Anteile steuerpflichtiger und steuerfreier beziehungsweise nichtwirtschaftlicher Umsätze bestimmen (FG Köln, Urteil v. 25.5.2022 9 K 1278/19, s. hierzu Rennar, USt direkt digital 22/2022 S. 10).
Die Richter des BFH wiesen die hiergegen gerichtete Revision des FA zurück:
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Das FG hat zu Recht erkannt, dass sich die nach § 15 Abs. 4 UStG vorzunehmende Vorsteueraufteilung ausnahmsweise nach der Gesamttätigkeit des Unternehmens während der Zeit der Insolvenzverwaltung nach Maßgabe der Anteile steuerpflichtiger, steuerfreier beziehungsweise nichtwirtschaftlicher Tätigkeiten bestimmt,
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Die Vorsteuer aus einer Insolvenzverwalterleistung ist entsprechend § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen, wenn der zum Vorsteuerabzug berechtigte Insolvenzschuldner die Leistung des Insolvenzverwalters sowohl für die Befriedigung seiner unternehmerischen als auch privaten (nichtunternehmerischen) Insolvenzverbindlichkeiten bezieht.
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Die Vorsteueraufteilung kann jedoch ausnahmsweise nach der Gesamttätigkeit des Insolvenzschuldners während seiner Verwaltungszeit nach Maßgabe seiner steuerpflichtigen, steuerfreien und nichtwirtschaftlichen Tätigkeit vorgenommen werden, wenn der Insolvenzverwalter - in einem Sonderfall wie dem Streitfall - den Betrieb des Insolvenzschuldners fortführt und keine (wesentlichen) Verwertungshandlungen vorgenommen hat (Abgrenzung zu BFH, Urteil v. 15.4.2015 - V R 44/14, BStBl II 2015, 679; BFH, Urteil v. 2.12.2015 - V R 15/15, BStBl II 2016, 486 und BFH, Urteil v. 23.11.2023 - V R 3/22, BStBl II 2024, 501).
Quelle: BFH, Urteil v. 23.10.2024 - XI R 20/22; NWB Datenbank (il)
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