Online-Nachricht - Donnerstag, 27.03.2025

Umsatzsteuer | Vorsteuer­abzug aus Insolvenz­verwal­ter­leistun­gen im Falle der Unternehmens­einstel­lung (BFH)

Hat der Insolvenz­schuldner seine unter­nehmerische Tätig­keit einge­stellt, ist über den Abzug der Vor­steuer für die Leistung des Insolvenz­verwal­ters nach der früheren unter­nehmeri­schen Tätig­keit des Insol­venz­schuldners zu ent­scheiden (Anschluss an BFH, Urteil v. 23.11.2023 - V R 3/22, BStBl II 2024, 501: BFH, Beschluss v. 23.10.2024 - XI R 8/22; veröf­fent­licht am 27.3.2025).

Hintergrund: Verwendet der Unter­nehmer einen für sein Unter­nehmen geliefer­ten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genom­mene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuer­abzug ausschließen, ist gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuer­abzug führenden Umsätzen wirt­schaftlich zuzurechnen ist. Der Unter­nehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sach­gerechten Schätzung ermitteln (§ 15 Abs. 4 Satz 2 UStG). Es ist dabei zunächst Sache des Unter­nehmers, welche Schätzungs­methode er wählt; Finanz­behörden und Finanzgerichte können aber nachprüfen, ob die Schätzung sachgerecht ist (vgl. BFH, Urteil v. 5.9.2013 - XI R 4/10, BStBl II 2014, 95, Rz 29; BFH, Urteil v. 3.8.2017 - V R 62/16, BStBl II 2021, 109, Rz 28; BFH, Urteil v. 11.11.2020 - XI R 7/20, BStBl II 2022, 746, Rz 10; BFH, Urteil v. 9.11.2022 - XI R 31/19, Rz 12).

Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ist eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuer­abzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuer­abzug berechtigen, nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist (vgl. BFH, Urteil v. 11.11.2020 - XI R 7/20, BStBl II 2022, 746, Rz 10).

Sachverhalt: Der Kläger wurde zum Insolvenz­verfahrens über das Vermögen der Insol­venz­schuldnerin, einer Bauunter­nehmerin, bestellt. Zuvor war er dort als vorläufiger Insolvenz­verwalter eingesetzt.

Bereits während des Insolvenz­eröffnungs­verfahrens wurden der jeweilige Stand der Bauvorhaben, die die Insolvenz­schuldnerin wegen fehlender finan­zieller Mittel nicht weiter­führen konnte, aufgenommen, Arbeiten abge­rechnet und Abwick­lungs­verein­barungen mit den Auftraggebern beziehungsweise Erwerbern der Immobi­lien geschlossen.

Der Kläger stellte der Insolvenz­schuldnerin für seine Leistungen 89.260,15 € zuzüglich 16.959,43 € Umsatz­steuer in Rechnung. Der Rechnungs­betrag konnte mangels ausreichender Masse nur anteilig in Höhe von 74.351,35 € bedient werden. Im Rahmen der Umsatz­steuer-Voran­meldung für das erste Quartal 2018 machte der Kläger als Insolvenz­verwalter für die Insolvenz­schuldnerin aus der von ihm gestellten Rechnung, begrenzt auf den tat­sächlich von der Masse gezahlten Betrag, einen Vorsteuer­betrag von 11.871,22 € geltend.

Das FA gewährte den begehrten Vorsteuer­abzug nur anteilig in Höhe von 1,43 %. Der Vorsteuer­betrag sei in einen abzieh­baren und einen nicht abzieh­baren Teil aufzuteilen, da im Rahmen des Insolvenz­verfahrens steuerfreie Umsätze in Höhe von 939.560 € und steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 43.546 € ausgeführt worden seien.

Im Laufe des finanz­gericht­lichen Verfahrens trafen die Parteien eine tatsächliche Verständi­gung dahingehend, dass die zur Tabelle angemeldeten Forderungen anteilig zu 45 % mit von der Insolvenzschuldnerin ausge­führten steuer­pflichtigen Umsätzen in direktem und unmittel­barem Zusammenhang stehen. Das FG gab der Klage, mit der der Kläger zuletzt einen Vorsteuerbetrag von 11.871,22 € nur noch in Höhe von 45 % (5.342,05 €) geltend machte, statt. Nach Ansicht des FG habe die Insolvenz­schuldnerin die einheitliche Leistung des Klägers für ihr Unter­nehmen und damit für ihre wirtschaft­liche Tätigkeit bezogen. Es bestehe ein für den Vorsteuer­abzug maßgeblicher direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der einheitlichen Leistung des Klägers und den im Insolvenz­verfahren über das Vermögen der Insolvenz­schuldnerin angemeldeten Forderungen der Insolvenz­gläubiger.

Die Richter des BFH wiesen die Revision des FA, welches entgegen der Auffas­sung des FG von einer Unter­nehmens­fort­führung durch den Kläger während des Insolvenzverfahrens ausging, zurück:

  • Das FG hat zutreffend angenommen, dass der Kläger als Insolvenz­verwalter das Unter­nehmen der Insolvenz­schuldnerin nicht fortgeführt hat, und auf dieser Grundlage zu Recht den Vorsteuer­abzug aus der Rechnung über die Leistung des Klägers anteilig mit 45 % in Höhe von 5.342,05 € gewährt.

  • Hat der Insolvenzschuldner seine unter­nehmerische Tätigkeit eingestellt, ist über den Abzug der Vorsteuer für die Leistung des Insolvenz­verwalters nach der früheren unter­nehmerischen Tätigkeit des Insolvenz­schuldners zu entscheiden (Anschluss an BFH, Urteil v. 23.11.2023 - V R 3/22, BStBl II 2024, 501).

Quelle: BFH, Beschluss v. 23.10.2024 - XI R 8/22; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im XI. Senat des BFH Prof. Dr. Alois Nacke gelangen Sie hier (Login erforder­lich).