Online-Nachricht - Donnerstag, 24.04.2025

Umsatzsteuer | Keine Differenz­besteue­rung bei antei­ligem Recht zum Vorsteuer­abzug am Liefer­gegen­stand (BFH)

Die Lieferung einer Wasch­kommode, die sich aus einer (ohne Recht zum Vor­steuer­abzug von einer Privat­person erwor­benen) Kommode und aus (mit Recht zum Vor­steuer­abzug erwor­benen) Sanitär­gegen­ständen (Wasch­becken, Arma­turen etc.) zusam­men­setzt, unter­liegt nicht der Dif­ferenz­besteue­rung, weil der Liefer­gegen­stand teil­weise zum Vor­steuer­abzug berech­tigt hat (Anschluss an EuGH, Urteil Bawaria Motors v. 19.7.2012 - C 160/11, EU:C:2012:492) (BFH, Urteil v. 11.12.2024 - XI R 9/23; veröf­fent­licht am 24.4.2025).

Hintergrund: Die Anwendung der Differenz­besteuerung ist nach § 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG nur möglich, wenn die Gegen­stände an den Wieder­verkäufer im Gemeinschafts­gebiet geliefert wurden (Satz 1) und für diese Lieferung Umsatz­steuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben (Satz 2 Buchst. a) oder die Differenz­besteuerung vorge­nommen wurde (Satz 2 Buchst. b).

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten darüber, ob auf die von der Klägerin getätigten Lieferungen gebrauchter Wasch­kommoden, die restauriert und mit Hilfe neuer Teile zu neuwertigen Wasch­tischen umge­arbeitet wurden (sog. Upcycling), § 25a UStG angewendet werden darf. Dies war vom FA verneint worden, weil die Klägerin im Ergebnis einen neuen (Verkaufs-)Gegenstand hergestellt habe, so dass von einem Wieder­verkauf im Sinne des § 25a UStG keine Rede sein könne. Dem trat die Klägerin mit der Erwägung entgegen, dass die Funktion des Objekts als Waschkommode unverändert geblieben sei. Dem Neuteil sei in der Gesamt­würdigung der Restaurierungsarbeiten und auch mit Blick auf das Kaufmotiv ihrer Kunden nur eine unter­geordnete Rolle beizumessen. Unter Berücksichtigung der neueren Recht­sprechung des EuGH und des BFH sei deshalb die Differenz­besteuerung zu gewähren.

Der hiergegen erhobenen Klage wurde stattgegeben (Schleswig-Hol­steinisches FG, Urteil v. 29.3.2023 – 4 K 77/22; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 2.10.2023 und Sterzinger, USt direkt digital 21/2023 Seite 8).

Die Richter des BFH hoben das Urteil des FG auf und verweisen die Sache zur erneuten Verhand­lung und Ent­scheidung an das FG zurück:

  • Das FG hat zu Unrecht stillschweigend angenommen, dass die Voraus­setzungen des § 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 UStG erfüllt sind. Das FG hat angenommen, dass es sich bei der Lieferung der aufge­arbeiteten Kommoden nebst Keramik­aufsatz und Zubehör ungeachtet der getrennten Rechnungs­stellung steuerlich um einen einheitlichen Umsatz handelt.

  • Für das neu zusammengesetzte Gesamtprodukt als Liefer­gegenstand liegen die Voraus­setzungen des § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG jedoch nicht vor. Die Klägerin hat die Wasch­becken­aufsätze, die aus Sicht des FG in dem zusammengesetzten Gesamtprodukt als einzigem Liefer­gegenstand auf­gegangen sind, als Neuware mit Recht zum Vorsteuer­abzug erworben. Für den einzigen Liefergegenstand (das neu zusammen­gesetzte Gesamt­produkt) besteht daher im Hinblick auf den Waschbeckenaufsatz ein anteiliges Recht zum Vorsteuer­abzug.

  • Besteht für den Gegenstand der Lieferung ein anteiliges Recht zum Vorsteuerabzug, ist - was das FG nicht beachtet hat - nach der Recht­sprechung des EuGH die Anwendung der Differenz­besteuerung ausge­schlossen (vgl. EuGH, Urteil Bawaria Motors v. 19.7.2012 - C 160/11, EU:C:2012:492). Folglich scheidet im vorliegenden Fall die Anwendung der Differenz­besteuerung aus.

  • Das FG hat nicht untersucht, ob die Klägerin an die Kunden eine bearbeitete Sache geliefert hat oder ob die Klägerin zunächst mehrere Gegen­stände geliefert und sodann eine sonstige Leistung erbracht hat. Auch haben weder das FA noch das FG tatsäch­lich fest­gestellt, welchen konkreten Inhalt die vertraglichen Verein­barungen der Klägerin mit ihren Kunden hatten.

  • Der Senat kann daher auf Grundlage der bisher getrof­fenen Feststel­lungen nicht entscheiden, ob das FG zu Recht von der Lieferung eines einzigen, vor der Lieferung an die Kunden bereits bearbeiteten Gegenstands ausge­gangen ist oder ob die Klägerin zunächst mehrere Gegen­stände geliefert und anschließend eine sonstige Leistung erbracht hat. Der Senat verweist den Rechtsstreit insoweit zur Nachholung weiterer Fest­stellungen an das FG zurück.


Quelle: BFH, Urteil v. 11.12.2024 - XI R 9/23; NWB Datenbank (lb)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im XI. Senat des BFH Prof. Dr. Alois Nacke gelangen Sie hier (Login erforder­lich).