Online-Nachricht - Donnerstag, 08.05.2025

Grunderwerb­steuer/Ver­fahrens­recht | Gestal­tungs­miss­brauch bei einer Grund­stücks­über­tra­gung im Um­legungs­ver­fahren (BFH)

Die Steuerbefrei­ung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG in der bis zum 28.12.2020 gelten­den Fas­sung (a.F.) kann nicht in An­spruch genom­men werden, wenn der Eigen­tums­erwerb durch Zutei­lung in einem Um­legungs­ver­fahren einen Miss­brauch recht­licher Gestal­tungs­mög­lich­keiten nach § 42 AO dar­stellt. Ein Gestal­tungs­miss­brauch liegt vor, wenn das Um­legungs­ver­fahren zweck­widrig dazu genutzt wird, einen reinen Rechts­träger­wechsel an einem Grund­stück zu bewir­ken (BFH, Urteil v. 11.12.2024 - II R 14/22; veröf­fent­licht am 8.5.2025).

Hintergrund: Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG unterliegt der Übergang des Eigentums an einem Grundstück der Grund­erwerb­steuer, wenn kein den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründendes Rechts­geschäft voraus­gegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG ist auch der Erwerb des Eigentums an einem Grundstück durch Zutei­lung im Rahmen eines Umlegungs­ver­fahrens nach den §§ 45 ff. des Baugesetzbuches (BauGB), soweit die einem Beteilig­ten zugeteilten Flächen nicht mit dem ihm vorher gehörenden sogenannten Einwurfgrundstück flächen- und deckungsgleich sind.

Sachverhalt: Die Stadt L leitete ein Um­legungs­verfahren nach dem BauGB ein. Die Klägerin, eine GmbH, war zunächst nicht Eigentümerin von Grund­stücken im Umlegungs­gebiet. In dem Um­legungs­gebiet befanden sich lediglich Grundstücke, an denen für die Klägerin Erbbaurechte bestellt waren. Die Stadt L erweiterte das Umlegungsgebiet in den Folgejahren um einzelne Grundstücke, infolgedessen die Klägerin Eigentümerin von unmittel­bar in der Nähe der Erbbau­rechts­grund­stücke befindlichen Grundstücken wurde. Nach diesen Zuteilungen und Erwerben war die Klägerin Eigen­tümerin oder Erbbau­berech­tigte von im Wesent­lichen zusammen­hängen­den Grund­stücken, die lediglich durch ein Grundstück des Herrn A getrennt wurden. Die Klägerin versuchte in der Folgezeit vergeblich, dieses Grundstück von A unmittelbar zu erwerben. Mit Beschluss des Umlegungsausschusses des Jahres 2010 erweiterte die Stadt L das Umlegungs­gebiet auf das Grundstück des A und. auf zwei Grundstücke der Stadt L, die sodann der Klägerin zugeteilt wurden. Die Klägerin hatte für die Zuteilung der Grundstücke im Gegenzug eine Ausgleichs­zahlung an die Stadt zu leisten.

Das FA setzte gegenüber der Stadt L Grunderwerbsteuer fest. Dabei ging es von einer Grundstücksübertragung von der Stadt L auf die Klägerin aus. Gegen diesen Bescheid legte die Stadt L Einspruch ein. Zu dem Einspruchs­verfahren zog das FA die Klägerin hinzu. Mit der Einspruchs­entschei­dung hob das FA den Grund­erwerb­steuer­bescheid gegenüber der Stadt L auf und erließ einen betrags­mäßig gleich­lautenden Bescheid gegenüber der Klägerin.

Die hiergegen erhobene Klage wurde abgewiesen (FG Münster, Urteil v. 10.3.2022 - 8 K 2620/19 GrE). Der Erwerbs­vorgang der mit Umlegungs­beschluss des Jahres 2010 zuge­teilten Grundstücke erfülle zwar formal den Befreiungstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG in der bis zum 28.12.2020 geltenden Fassung (a.F.), stelle jedoch einen als Missbrauch von Gestal­tungs­möglich­keiten nach § 42 AO dar, sodass die Zuteilung wie ein käuflicher Erwerb zu behandeln sei.

Die Richter des BFH wiesen die Revision der Klägerin als unbe­gründet zurück:

  • Das FG hat zutreffend erkannt, dass für den Grundstücks­erwerb der Klägerin die Grund­erwerb­steuer­befreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG a.F. nicht greift, da ein Missbrauch von Gestal­tungs­möglich­keiten nach § 42 AO vorliegt.

  • Die Zuteilung der Flurstücke an die Klägerin mit Beschluss des Umlegungs­aus­schusses ist ein Erwerbs­vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG. Die Klägerin hat im Umlegungsverfahren aufgrund der Zuteilung durch Vorwegentscheidung der Stadt L mit Beschluss des Umlegungs­aus­schusses das Eigentum an den Flurstücken erhalten, ohne dass ein Rechts­geschäft, das einen Über­eignungs­anspruch begründet hat, voraus­gegangen ist und ohne dass es einer Auflas­sung bedurfte.

  • Die Zuteilung der Grundstücke an die Klägerin im Umlegungs­verfahren erfüllt den Steuer­befreiungs­tat­bestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG a.F..

  • Die Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG a.F. ist nur an die Voraussetzung geknüpft, dass es sich um einen Übergang des Eigentums im Umlegungs­verfahren nach dem BauGB handelt und der Erwerber als Eigen­tümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks Beteiligter ist (vgl. BFH, Urteil v. 7.9.2011 - II R 68/09, BFH/NV 2012, 62, Rz 10, m.w.N.). Der Übergang des Eigentums an den Flurstücken erfolgte im vorliegenden Sachverhalt in einem Umlegungs­verfahren nach dem BauGB durch Zuteilung aufgrund des Beschlusses des Umlegungs­ausschusses des Jahres 2010.

  • Die Klägerin kann die Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG a.F. jedoch nicht in Anspruch nehmen, da der Eigentums­erwerb durch Zuteilung der Flurstücke mit dem Um­legungs­beschluss einen Missbrauch recht­licher Gestaltungs­möglich­keiten nach § 42 AO darstellt.

  • Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungs­möglich­keiten im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG a.F. liegt vor, wenn ein Umlegungsverfahren dazu genutzt wird, einen reinen Rechts­träger­wechsel an einem Grundstück zu bewirken, das Umlegungsverfahren also zweckent­fremdet wird (vgl. Gleich lautende Erlasse der obersten Finanz­behörden der Länder v. 18.2.2020, S 4500 BStBl I 2020, 282, Tz. 3).

  • Das FG stützt seine Beurteilung, dass eine rechtlich miss­bräuchliche Gestal­tung nach § 42 AO vorliegt, darauf, dass mit dem Umlegungs­aus­schuss der Stadt L ein Verfahren gewählt wurde, das darauf gerichtet war, der Klägerin das Eigentum an Grund­stücken zu verschaffen, ohne dass Grund­erwerb­steuer entsteht. Das Verfahren diente allein dazu der Klägerin für ein zusammenhängendes Areal zur Erweiterung ihrer Betriebs­grund­stücke das Eigentum an den in unmittel­barer Nähe befind­lichen Grund­stücken des A und der Stadt L zu verschaffen.

Quelle: BFH, Urteil v. 11.12.2024 - II R 14/22; NWB Datenbank (lb)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im II. Senat des BFH Prof. Dr. Matthias Loose gelangen Sie hier (Login erforder­lich).