Online-Nachricht - Donnerstag, 15.05.2025
Verfahrensrecht | Mitteilung über ergebnislose Außenprüfung ist kein Verwaltungsakt (BFH)
Eine Mitteilung an den Steuerpflichtigen, dass die durchgeführte Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt hat (§ 202 Abs. 1 Satz 3 AO), stellt – obwohl sie eine Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 Satz 2 AO bewirkt – keinen Verwaltungsakt dar (Bestätigung der Rechtsprechung: BFH, Urteil v. 20.2.2025 - IV R 17/22; veröffentlicht am 15.5.2025).
Hintergrund: Nach § 173 Abs. 2 Satz 1 AO können Steuerbescheide, soweit sie aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt nach § 173 Abs. 2 Satz 2 AO auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO gegenüber dem Steuerpflichtigen erfolgt ist, dass die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen führt.
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Rechtsnatur einer Mitteilung über eine ergebnislose Außenprüfung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO. Der Kläger ist der Ansicht, dass es sich bei der Mitteilung um einen rechtsbehelfsfähigen Verwaltungsakt handele, der angefochten werden können müsse. Anderenfalls werde dem Steuerpflichtigen Rechtsschutz verwehrt.
Die Richter des BFH folgten dem nicht:
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Bei der die Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 Satz 2 AO auslösenden Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO handelt es sich nicht um einen (anfechtbaren) Verwaltungsakt, sondern um einen Realakt, den der Kläger nicht (mit der Folge des Wegfalls der Änderungssperre) im Wege der Anfechtung beseitigen konnte.
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In der Fachliteratur wird ganz überwiegend angenommen, dass es sich bei der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO um einen Verwaltungsakt handele.
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Begründet wird dies damit, dass die Mitteilung unmittelbare Rechtsfolgen, darunter den Eintritt der Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO, die Erledigung der Prüfungsanordnung, die Verpflichtung zur Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 Abs. 3 Satz 3 AO und die Verlängerung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO bewirke. Ein – statthafter - Einspruch gegen die Mitteilung sei deshalb begründet, wenn die Außenprüfung Änderungen zugunsten des Steuerpflichtigen übersehen habe und eine Steuererstattung möglich sei. Die Anfechtbarkeit der Mitteilung gebiete auch der verfassungsrechtliche Anspruch auf umfassenden Rechtsschutz.
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Der Senat hält indes an der Rechtsprechung des BFH fest, wonach der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO nicht die Qualität eines Verwaltungsakts zukommt, da sie keine für die Annahme eines Verwaltungsakts erforderliche Regelung trifft (BFH-Urteil v. 29.4.1987 - I R 118/83, BStBl II 1988, 168, unter II.1.b [Rz 17 ff.] sowie v. 14.9.1993 - VIII R 9/93, BStBl II 1995, 2, unter II.1.c [Rz 20]).
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Der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO kommt, ebenso wie dem Prüfungsbericht, lediglich eine Dokumentations- und Protokollfunktion zu - sie gibt nur Auskunft über das tatsächliche Ergebnis der durchgeführten Außenprüfung.
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Die Qualifikation der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO als Realakt verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes.
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Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlagen für die Änderung bestandskräftiger Verwaltungsakte davon ausgeht, dass die Abwägung zwischen Rechtssicherheit und Rechtsrichtigkeit eher zugunsten der Rechtssicherheit ausfällt, je umfangreicher und gründlicher das der Entscheidung vorangegangene Entscheidungsverfahren war, eine Durchbrechung der Bestandskraft hingegen leichter zu erreichen ist, wenn die Fehleranfälligkeit des Verfahrens erhöht ist
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Hat danach eine umfassende Aufklärung der Besteuerungsgrundlagen durch eine Außenprüfung stattgefunden, bei der der Steuerpflichtige selbst zur Mitwirkung befugt und auch verpflichtet ist, so ist es folgerichtig, wenn § 173 Abs. 2 AO - in gleichem Maße zugunsten wie zuungunsten - für den Steuerpflichtigen wie für die Finanzbehörde die Möglichkeit der Änderung von Steuerverwaltungsakten wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen einschränkt, wenn diese Tatsachen nicht in einer vorangegangenen Außenprüfung festgestellt und einbezogen wurden, und dementsprechend auch die Möglichkeit des Steuerpflichtigen, durch nach Durchführung einer Außenprüfung gestellte Anträge eine Änderung der von der Prüfung ermittelten Besteuerungsgrundlagen zu erreichen, zugunsten von Rechtssicherheit, Rechtsfrieden und Rechtsbeständigkeit beschränkt.
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Im Ergebnis liefe es dem Zweck der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO, die Ergebnisse der Außenprüfung zu protokollieren, dem Zweck der Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu schaffen, sowie den bestehenden Mitwirkungspflichten und -möglichkeiten des Steuerpflichtigen innerhalb der Außenprüfung entgegen, ihm nach ergebnisloser Durchführung einer Außenprüfung auch dann eine weitere Überprüfung der Besteuerungsgrundlagen (durch Qualifizierung der Mitteilung als Verwaltungsakt) zu eröffnen, wenn er zuvor keine Änderungen beantragt hat.
Quelle: BFH, Urteil v. 20.2.2025 - IV R 17/22; NWB Datenbank (il)
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