Online-Nachricht - Donnerstag, 22.05.2025
Gewerbesteuer | Erweiterte Kürzung und Drei-Objekt-Grenze bei erstmaligen Grundstücksveräußerungen im sechsten Jahr (BFH)
Erfolgen innerhalb von fünf Jahren nach dem jeweiligen Grundstückserwerb weder Grundstücksveräußerungen noch diese vorbereitende Maßnahmen, kann bei Veräußerung einer zweistelligen Anzahl von Objekten im sechsten Jahr aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls ein gewerblicher Grundstückshandel zu verneinen sein (Abgrenzung zum BFH-Urteil v. 15.6.2004 - VIII R 7/02, BFHE 206, 388, BStBl II 2004, 914) (BFH, Beschluss v. 20.3.2025 - III R 14/23; veröffentlicht am 22.5.2025).
Hintergrund: Notwendige Voraussetzung für ein Grundstücksunternehmen im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist, dass die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes nicht den Rahmen bloßer Vermögensverwaltung überschreitet. Die Grenze von der Vermögensverwaltung zur Gewerblichkeit wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (zum Beispiel durch Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt (vgl. BFH, Beschluss des Großen Senats v. 10.12.2001 - GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.III.1.).
Nach der typisierenden Drei-Objekt-Grenze kann von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden, wenn innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs von in der Regel fünf Jahren (zwischen der Anschaffung oder Errichtung und dem Verkauf) mindestens vier Objekte veräußert werden.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine in eine Immobilienkonzernstruktur eingegliederte GmbH. Sie hatte zunächst zwei Geschäftsführer, die Gesellschafter der Holdinggesellschaft waren. Nach dem Erwerb mehrerer Vermietungsobjekte im Jahr 2007 verstarb einer der Geschäftsführer im Jahr 2012 überraschend in mittlerem Alter. Daraufhin veräußerte die Klägerin 13 Objekte an eine einzige Erwerberin. Das Finanzamt (FA) versagte die beantragte erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG mit der Begründung, dass die Tätigkeit der GmbH über eine reine Vermögensverwaltung hinausgegangen sei. Die Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel sei überschritten worden.
Im Rahmen des Klageverfahrens berief sich die Klägerin darauf, dass ursprünglich keine Veräußerungsabsicht bestanden habe. Der Verkauf der Immobilien sei durch das überraschende Ableben eines der Geschäftsführer der GmbH, der zugleich mittelbar an dieser beteiligt war, veranlasst worden. Da die Alleinerbin Bankbürgschaften des mit 55 Jahren verstorbenen Gesellschafter-Geschäftsführers nicht habe übernehmen wollen und eine Haftungsfreistellung von den Banken abgelehnt worden sei, seien die Immobilien zur Ablösung der Darlehen veräußert worden.
Der hiergegen erhobenen Klage wurde stattgegeben (FG Münster, Urteil v. 26.4.2023 - 13 K 3367/20 G; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 15.6.2023).
Die Richter des BFH wiesen die Revision des FA als unbegründet zurück:
-
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die GmbH in den Streitjahren die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erfüllt hat und deshalb die beantragte erweiterte Kürzung in Anspruch nehmen kann.
-
Die Drei-Objekt-Grenze hat die Bedeutung eines Anscheinsbeweises, der, ohne dass es dafür weiterer Indizien bedarf, den Schluss auf diese innere Tatsache der bedingten Veräußerungsabsicht zulässt, nicht jedoch einer unwiderleglichen Vermutung, die eine Rechtfertigungsgrundlage im materiellen Recht erfordern würde (vgl. Senatsurteil v. 27.9.2012 - III R 19/11, BFHE 240, 278, BStBl II 2013, 433, Rz 22).
-
Der Fünf-Jahres-Zeitraum ist keine starre Grenze. Bei Grundstücksveräußerungen nach Ablauf von mehr als fünf Jahren, und in besonderem Maße bei erstmaligen Veräußerungen danach, müssen jedoch weitere Beweisanzeichen hinzutreten, um von Anfang an einen gewerblichen Grundstückshandel annehmen zu können.
-
Nach dem BFH-Urteil v. 15.6.2004 - VIII R 7/02 (BFHE 206, 388, BStBl II 2004, 914) kann eine hohe Zahl von Veräußerungen außerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums oder eine hauptberufliche Tätigkeit im Baubereich eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt der Anschaffung und Errichtung indizieren.
-
Das FG hat zutreffend festgestellt, dass die GmbH die Grenze der Vermögensverwaltung nicht überschritten und keinen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat.
-
Das Urteil des FG steht nicht im Widerspruch zu den BFH-Urteilen VIII R 7/02, III R 101/06 und III R 19/11.
-
Dem BFH-Urteil v. 15.6.2004 - VIII R 7/02 ist kein über den Einzelfall hinausgehender Rechtsgrundsatz zu entnehmen, wonach das Fehlen von Indizien für eine bedingte Veräußerungsabsicht während des Fünf-Jahres-Zeitraums durch das Indiz einer hohen Zahl von Veräußerungen kurz nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums kompensiert werde. Zudem fehlt es im hier zu entscheidenden Streitfall an vom FG festgestellten, die Objektveräußerungen vorbereitenden Maßnahmen innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums.
-
Auch soweit das FG bei seiner Gesamtwürdigung das überraschende Versterben einer der Geschäftsführer der GmbH als besonderen Umstand berücksichtigt und diesen gegenüber der hohen Zahl von Veräußerungen nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums abgewogen hat, widerspricht dies nicht den in den Senatsurteilen v. 17.12.2009 - III R 101/06 (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 17.3.2010) und v. 27.9.2012 - III R 19/11 (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 8.5.2013) aufgestellten Grundsätzen.
-
Das FG hat zurecht für unzweifelhaft erachtet, dass die Veräußerung der 13 Objekte nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums lediglich auf den nicht vorhersehbaren Todesfall zurückzuführen war. Dieser lasse keine Rückschlüsse auf die im Erwerbszeitpunkt bestehenden Absichten zu. Vor dem Hintergrund des unerwarteten Todesfalls vermöge allein die (hohe) Anzahl von 13 veräußerten Objekten die Annahme einer im Erwerbszeitpunkt bestehenden bedingten Veräußerungsabsicht nicht zu rechtfertigen, nachdem bei der Veräußerung mehr als fünf Jahre seit Erwerb verstrichen waren.
Quelle: BFH, Pressemitteilung v. 22.5.2025 und BFH, Beschluss v. 20.3.2025 - III R 14/23; NWB Datenbank (lb)
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im III. Senat des BFH Dr. Ralf Adam gelangen Sie hier (Login erforderlich).