Online-Nachricht - Donnerstag, 26.06.2025
Verfahrensrecht | Kein Billigkeitserlass von Nachzahlungszinsen zur ESt auf Einkünfte eines Erben wegen langjähriger Dauer eines Erbscheinverfahrens (BFH)
Die Freistellung von der Zahlung der Steuer rechtfertigt im Hinblick auf den hierdurch typisierend anzunehmenden Liquiditäts- und Zinsvorteil hinsichtlich der Steuerschuld die Festsetzung von Nachzahlungszinsen. Auf die fehlende Nutzungsmöglichkeit der Nachlassgegenstände durch den Steuerpflichtigen während des Erbscheinverfahrens kommt es nicht an (BFH, Urteil v. 9.4.2025 - X R 12/21; veröffentlicht am 26.6.2025).
Sachverhalt: Der Kläger ist Erbe des im Jahr 2012 verstorbenen Erblassers E. E hinterließ verschiedene Testamente. Nach seinem Tod kam es zu langjährigen Streitigkeiten um die Erbfolge und insbesondere um die Frage, ob E bei Abfassung der jeweiligen letztwilligen Verfügung testierfähig gewesen war. Am 28.8.2018 wurde schließlich ein Erbschein erteilt, der den Kläger ‑ neben zwei weiteren Erben ‑ als Erbe zu 1/2 auswies.
In den an die Erbengemeinschaft gerichteten Feststellungsbescheiden für die Jahre 2012 bis 2017 wurden dem Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitaleinkünfte zugerechnet. Infolgedessen erließ das FA am 28.10.2019 gegenüber dem Kläger geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen u.a. Zinsen nach § 233a AO für die Jahre 2012 bis 2017 in Höhe von insgesamt 33.752 € festgesetzt wurden.
Der Kläger beantragte daraufhin "den Erlass der gesamten Nachzahlungs- sowie Erstattungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen". Bis in das Jahr 2019 sei nicht klar gewesen, wer an der Erbengemeinschaft beteiligt sei und wem welche Einkünfte zuzurechnen seien. Ihn treffe an der Verzögerung keine Schuld. Das FA lehnte einen Erlass ab. Die festgesetzten Zinsen seien eine Gegenleistung für eine mögliche Kapitalnutzung, zumal der Zinsvorteil des Steuerschuldners zugleich einen Zinsnachteil des Steuergläubigers nach sich ziehe. Verschuldensfragen seien auf beiden Seiten irrelevant. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil v. 19.5.2021 - 4 K 2381/20 AO, s. hierzu Weber, NWB EV 8/2021 S. 282).
Die Richter des BFH wiesen die Revision zurück:
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Auch ein Grundlagenbescheid, der viele Jahre nach Ende des Veranlagungszeitraums erlassen oder geändert wird, kann zu einer Zinspflicht unter Anwendung der Karenzzeit des § 233a Abs. 2 AO führen (Festhaltung am BFH-Urteil v. 1.6.2016 - X R 66/14, BFH/NV 2016, 1688, Rz 29 f.).
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Der Umstand, dass der Steuerpflichtige aufgrund der unklaren Erbrechtssituation nicht in der Lage war, die Besteuerungsgrundlagen früher zu ermitteln beziehungsweise zu schätzen und eine Vorauszahlung auf die zu erwartenden Steuern zu leisten, um eine Zinsentstehung zu verhindern oder jedenfalls zu reduzieren, begründet keine sachliche Unbilligkeit.
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Die Freistellung von der Zahlung der Steuer rechtfertigt im Hinblick auf den hierdurch typisierend anzunehmenden Liquiditäts- und Zinsvorteil hinsichtlich der Steuerschuld die Festsetzung von Nachzahlungszinsen.
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Auf die fehlende Nutzungsmöglichkeit der Nachlassgegenstände durch den Steuerpflichtigen während des Erbscheinverfahrens kommt es nicht an.
Quelle: BFH, Urteil v. 9.4.2025 - X R 12/21; NWB Datenbank (il)
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