Online-Nachricht - Donnerstag, 03.07.2025

Einkommensteuer | Steuer­frei­stel­lung des nieder­ländi­schen Arbeits­lohns im Ansässig­keits­staat Deutsch­land (BFH)

Der für eine Tätig­keit im König­reich der Nieder­lande gezahlte Arbeits­lohn eines in der Bundes­republik Deutsch­land ansäs­sigen Arbeit­nehmers ist auch inso­weit nach Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Nieder­lande 2012/2016 unter Anwen­dung des Pro­gres­sions­vorbe­halts von der Bemes­sungs­grund­lage der deutschen Steuer auszu­nehmen, als der Arbeit­nehmer den Arbeits­lohn auf­grund der sog. 30 %-Rege­lung steuer­frei erhal­ten hat (BFH, Urteil v. 10.4.2025 - VI R 29/22; veröf­fent­licht am 3.7.2025).

Sachverhalt: Der Kläger war im Streitjahr 2019 aus­schließlich in Deutsch­land wohnhaft und bei einem Arbeit­geber in den Nieder­landen beschäftigt. Er übte seine nicht­selbständige Arbeit an 157 Tagen in den Nieder­landen und an 80 Tagen in Deutschland aus. Sein niederländischer Arbeitgeber machte von der sog. 30%-Regelung Gebrauch: Hiernach kann der Arbeit­geber dem Arbeit­nehmer nach nieder­ländischem Recht, ohne Nachweis tatsäch­lich entstan­dener Kosten, 30 % seines Arbeits­lohns steuer­frei auszahlen.

Demgemäß wies die niederländische Lohnsteuerbescheinigung des Klägers (Jaaropgaaf) für das Streitjahr - wie lohn­steuer­recht­lich vorgesehen - als Arbeitslohn lediglich das um 30 % bereinigte Jahresgehalt aus. Der Betrag, der unter die 30 %-Regelung fiel, ist in der Lohn­steuer­bescheini­gung gesondert (nachrichtlich) ausgewiesen.

Das FA setzte die Einkommen­steuer abweichend von den Angaben des Klägers in dessen Einkommen­steuer­erklärung fest. Er erhöhte die in Deutschland steuerbaren Einkünfte des Klägers um den auf die Tätig­keitstage in den Nieder­landen entfallenden Teil (157/237 Arbeitstage) des nach der niederländischen 30 %-Regelung steuer­frei verblie­benen Arbeits­lohns. Der von den Nieder­landen von der Besteuerung freige­stellte Teil des Arbeitslohns sei - weil dort tatsächlich nicht besteuert - dem in Deutsch­land zu ver­steuern­den Arbeitslohn nach § 50d Abs. 9 Satz 4 EStG hinzuzurechnen. Die bisherige Einbe­ziehung dieses steuer­freien Teils des Arbeits­lohns in den Progres­sions­vorbehalt nach § 32b EStG sei entsprechend rückgängig zu machen.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg (FG Düssel­dorf, Urteil v. 25.10.2022 - 13 K 2867/20 E, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 8.12.2022 sowie Aymans, IWB 4/2023 S. 162).

Die Richter des BFH dagegen gaben der Klage statt:

  • Unstreitig steht das Besteuerungsrecht betreffend die Einkünfte des Klägers aus unselb­ständiger Arbeit nach Art. 14 Abs. 1 DBA-Nieder­lande neben Deutsch­land auch den Niederlanden insoweit zu, als der Kläger seine Tätigkeit dort (im Streitfall an 157 von 237 Arbeits­tagen) ausgeübt hat.

  • Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung werden nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Nieder­lande bei einer in Deutschland ansäs­sigen Person die nieder­ländischen Einkünfte von der Bemes­sungs­grund­lage der deutschen Steuer ausge­nommen und insoweit lediglich in den Progressionsvorbehalt gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. d DBA-Niederlande i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG einbezogen. Dies aller­dings nur dann, wenn diese Einkünfte tatsächlich in den Nieder­landen besteuert werden und - wie vor­liegend - nicht unter Art. 22 Abs. 1 Buchst. b DBA-Niederlande fallen.

  • Vorliegens ist der niederländische Arbeitslohn des Klägers, soweit den Nieder­landen das Besteue­rungs­recht gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Satz 2 DBA-Niederlande zustand, im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Nieder­lande in den Nieder­landen in vollem Umfang tat­sächlich besteuert worden. Dies gilt auch, soweit der Kläger seinen nieder­ländischen Arbeits­lohn aufgrund der 30 % Regelung steuer­frei erhalten hat.

  • Die 30 % Regelung gründet auf der Annahme, dass Arbeit­nehmern, die eine Tätigkeit bei einem nieder­ländischen Arbeit­geber aufnehmen und zwecks Ausübung ihrer Tätigkeit in die Nieder­lande umziehen oder täglich vom Ausland in die Niederlande reisen, zusätzliche Kosten entstehen, weil die Lebens­haltungs­kosten in den Nieder­landen höher als im Heimat­land sind. Soweit es sich hierbei um sog. extraterri­toriale Kosten handelt, kann der Arbeit­geber diese Mehrkosten dem Arbeitnehmer entweder gegen Einzel­nachweis steuer­frei erstatten oder - wie im Streitfall - statt­dessen ohne Nachweis pauschal abgelten und 30 % des Arbeitslohns steuerfrei auszahlen.

  • Damit handelt es sich bei der 30 % Regelung, anders als das FG meint, nicht um eine persön­liche oder sach­liche Steuer­befreiung, die eine tatsäch­liche Nicht­besteuerung bewirkt, sondern - nach dem insoweit maßge­blichen und vom FG auch für den BFH bindend festge­stellten nieder­ländischen Recht - um die pauscha­lierte Erstattung von steuer­erheb­lichen Aufwen­dungen des Steuer­pflichtigen.

  • Von einer Nicht­besteue­rung im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Niederlande kann aufgrund einer solchen aufwands­entlasten­den Steuer­freistel­lung wie bei Frei­beträgen und steuer­mindernden Vor­schriften im Rahmen der Einkom­mens­ermitt­lung daher keine Rede sein.

  • Somit ist der in den Niederlanden nach Anwendung der 30 % Regelung von der Besteuerung freige­stellte Teil des Arbeits­lohns bei der Ermitt­lung der deutschen Bemes­sungs­grund­lage nicht, sondern, wie auch vom Kläger beantragt, nur beim Progres­sions­vorbehalt zu berück­sichtigen.

Quelle: BFH, Urteil v. 10.4.2025 - VI R 29/22; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VI. Senat des BFH Dr. Stephan Geserich gelangen Sie hier (Login erforder­lich).