Online-Nachricht - Donnerstag, 03.07.2025
Schenkungsteuer | Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft (BFH)
Es ist bei summarischer Prüfung ernstlich zweifelhaft, ob Leistungen eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage einer GmbH zu einer steuerbaren Werterhöhung der Anteile der Mitgesellschafter im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG führen, wenn die Gesellschafter vereinbaren, dass die Einzahlungen dem jeweils leistenden Gesellschafter zugeordnet werden (BFH, Beschluss v. 6.6.2025 - II B 43/24 (AdV); veröffentlicht am 3.7.2025).
Hintergrund: Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt.
Sachverhalt: A war zu 50 %, B zu 30 % und C zu 20 % an der X GmbH beteiligt. Im Jahr 2010 trat A einen Geschäftsanteil in Höhe von 20 % an D ab. Im Jahr 2013 traten A und B jeweils einen Geschäftsanteil in Höhe von 10 % an die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ab. Nach der Satzung der X GmbH war der Reingewinn an die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile zu verteilen. Im Jahr 2014 änderten die Gesellschafter diese Regelung dahingehend, dass die Gewinnverteilung nicht mehr nach den Beteiligungsquoten, sondern nach dem finanziellen Beitrag der Gesellschafter zu Investitionen der X GmbH erfolgen sollte.
In den Jahren 2018 und 2019 leistete A Zahlungen an die X GmbH zum Zwecke des Erwerbs weiterer Anteile an der Z AG. Die eingezahlten Beträge wurden ebenfalls der Kapitalrücklage der X GmbH zugeführt. Zugleich vereinbarten die Gesellschafter, dass der Teil der Kapitalrücklage, der auf diese Einzahlungen entfällt, sowohl im Falle einer Ausschüttung als auch im Falle der Liquidation als personenbezogene disquotale Kapitalrücklage allein dem A zusteht. Außerdem wurde ein quotal erhöhtes Gewinnbezugsrecht aus den mit dem Kapital erworbenen Anteilen an der Z AG zugunsten des A beschlossen. In den Jahresabschlüssen zum 31.12.2018 und 31.12.2019 wurden die in die Kapitalrücklage eingestellten Beträge einschließlich der in den Vorjahren geleisteten Zahlungen einzeln ausgewiesen und den jeweiligen Gesellschaftern der Höhe nach zugeordnet.
Das Finanzamt war der Auffassung, die Einzahlungen in die Kapitalrücklage der X GmbH erfüllten den Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG, und erließ mehrere Schenkungsteuerbescheide gegenüber der Antragstellerin. Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer aufgrund der übertragenen Geschäftsanteile des A und der B an die Antragstellerin fest. Die Antragstellerin stellte daraufhin einen Antrag auf AdV beim FG. Sie machte geltend, der Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG sei im Streitfall nicht erfüllt, da die inkongruenten Einlagen der Gesellschafter jeweils personenbezogen zugeordnet worden seien und nicht zu einer Werterhöhung der Beteiligungen der Mitgesellschafter der X GmbH geführt hätten.
Die beantragte AdV wurde abgelehnt (FG Nürnberg, Urteil v. 22.7.2024 - 4 V 206/24).
Die Richter des BFH sahen die Beschwerde der Antragstellerin als begründet an:
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Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts liegen bereits dann vor, wenn bei einer summarischen Prüfung des Bescheids neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren der AdV gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Beschluss v. 7.6.2024 - VIII B 113/23 (AdV), BStBl II 2024, 637, m.w.N.; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 27.6.2024).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG die Voraussetzungen für die AdV der angefochtenen Schenkungsteuerbescheide zu Unrecht verneint. Bei der gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel, ob der Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG im Streitfall erfüllt ist.
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Gegenstand der Zuwendung nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die durch die Leistung des Zuwendenden an die Gesellschaft eintritt. Voraussetzung für eine solche Werterhöhung ist, dass der gemeine Wert des Anteils des Bedachten nach der Leistung des Zuwendenden an die Gesellschaft den gemeinen Wert des Anteils vor der Leistung übersteigt (vgl. BFH, Urteil v. 10.4.2024 - II R 22/21, BFH/NV 2024, 1386, Rz 28; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 12.9.2024 und Werner, NWB-EV 1/2025 Seite 5).
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Eine disquotale Einlage eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage seiner Kapitalgesellschaft ist grundsätzlich geeignet, zu einer steuerbaren Werterhöhung im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG zu führen.
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Der Eintritt einer solchen Werterhöhung der Anteile der Mitgesellschafter im Sinne des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn dem einlegenden Gesellschafter anlässlich seiner Leistung zusätzliche Rechte gewährt werden, wie zum Beispiel eine Verbesserung seines Gewinnanteils, zusätzliche Anteile an der Gesellschaft oder eine von den Geschäftsanteilen abweichende Verteilung des Vermögens bei späterer Liquidation. Gleiches gilt, wenn zwischen den Gesellschaftern oder mit der Gesellschaft Zusatzabreden getroffen werden, die für den einlegenden Gesellschafter gewährleisten, dass seine Leistungen nicht zu einer endgültigen Vermögensverschiebung zugunsten der Mitgesellschafter führen, oder dem einlegenden Gesellschafter seine Einlageleistung über eine schuldrechtlich vereinbarte personenbezogene Kapitalrücklage bei der Gesellschaft zugeordnet wird.
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Aufgrund des Akteninhalts und des Vorbringens der Beteiligten ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass die Gesellschafter der X GmbH die in die Kapitalrücklage der Gesellschaft eingestellten Beträge in der Weise gesellschafterbezogen zugeordnet haben, dass in den Fällen der Liquidation oder der Auflösung der Kapitalrücklage die geleisteten Beträge nur den Gesellschaftern zustehen sollten, die die Leistung ursprünglich erbracht haben, sodass die übrigen Gesellschafter nicht über ihre Beteiligung von der eingelegten Leistung profitieren.
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Angesichts dessen bestehen nach Auffassung des Senats ernstliche Zweifel am Vorliegen des Tatbestandes des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zwar bislang noch nicht abschließend geklärt, ob die Wirksamkeit einer solchen gesellschafterbezogenen Zuordnung der Kapitalrücklage eine satzungsmäßige Grundlage erfordert (vgl. BFH, Urteil v. 19.6.2024 - II R 40/21, BFH/NV 2024, 1472, Rz 22; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 10.10.2024). Im Schrifttum wird aber - soweit ersichtlich - übereinstimmend die Auffassung vertreten, dass § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG bereits dann keine Anwendung findet, wenn die Gesellschafter schuldrechtlich vereinbaren, dass die von ihnen in das Vermögen der Gesellschaft geleisteten Einlagezahlungen - wie im Streitfall - innerhalb der Kapitalrücklage persönlich zugeordnet werden.
Quelle: BFH, Beschluss v. 6.6.2025 - II B 43/24 (AdV); NWB Datenbank (lb)
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im II. Senat des BFH Prof. Dr. Matthias Loose gelangen Sie hier (Login erforderlich).