Online-Nachricht - Donnerstag, 10.07.2025
Umsatzsteuer | Keine Berichtigung der Bemessungsgrundlage bei Insolvenz der „Zahlstelle“ (BFH)
Bedient sich ein leistender Unternehmer zur Einziehung seiner Entgeltforderungen gegen die Leistungsempfänger eines anderen Unternehmers (Zahlstelle), vereinnahmt er das Entgelt spätestens dann, wenn die Zahlungen der Leistungsempfänger bei der Zahlstelle eingehen. Der Umstand, dass die Zahlstelle den vereinnahmten Betrag nicht an den leistenden Unternehmer weiterleitet, führt nicht dazu, dass sich die Bemessungsgrundlage für die vom Unternehmer an die Leistungsempfänger erbrachten Leistungen mindert (BFH, Urteil v. 30.4.2025 - XI R 15/22; veröffentlicht am 10.7.2025).
Hintergrund: Ist das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden, kommt es gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu einer sinngemäßen Anwendung von § 17 Abs. 1 UStG. Aufgrund dieses Verweises hat der Unternehmer, der einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag bei Uneinbringlichkeit zu berichtigen.
Sachverhalt: Der Kläger betreibt eine Apotheke, die gesetzlichen Krankenkassen Arznei- oder Heilmittel liefert, die die Versicherten als Sachleistungen erhalten. Er hat mit einer GmbH einen „Vertrag zur Übernahme der Abrechnungstätigkeit und des Einzugs von Rezeptforderungen“ vereinbart. Die GmbH rechnete als Zahlstelle daraufhin mit den Krankenkassen ab und zog die Forderungen in ihrem Namen auf Rechnung des Klägers ein. Die Krankenkassen zahlten für die Arzneimittellieferungen des Klägers an die GmbH. Die GmbH teilte dem Kläger den Zahlungseingang mit.
Der Kläger berechnete in seinen monatlichen Voranmeldungen die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten einschließlich der noch offenen Restzahlungen für August und September 2020 abzüglich der hierauf entfallenden Umsatzsteuer. Bevor die GmbH die Restzahlungen für August und September 2020 an den Kläger weitergeleitet hat, wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger beantragte sodann beim Finanzamt (FA), diese Restzahlungen nicht mehr als Umsatz zu erfassen. Die Restzahlungen seien uneinbringlich geworden. Eine Änderung lehnte das FA ab. Habe der Kläger seine Ansprüche gegen die Krankenkasse abgetreten und diese deshalb an die GmbH gezahlt, sei das Entgelt dem Kläger zuzurechnen und nicht uneinbringlich geworden. Der Kläger reichte daraufhin auf Grundlage der Rechtsauffassung des FA eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Jahr 2020 ein. Dieser hatte das FA durch Auszahlung eines Erstattungsbetrages zugestimmt.
Die hiergegen gerichtete Klage mit dem Ziel das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer herabgesetzt wird, wurde abgewiesen (FG Baden-Württemberg; Urteil v. 31.3.2025 - 1 K 2073/21; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 23.9.2022).
Die Richter des BFH wiesen die Revision des Klägers mit der Maßgabe als unbegründet zurück, dass das FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen wird:
-
Das Urteil des FG ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben; denn dem FG-Urteil liegen mit den Umsatzsteuer-Voranmeldungen nicht mehr existierende Verwaltungsakte zugrunde, weshalb es keinen Bestand haben kann. Die im Revisionsverfahren eingereichte Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2020, der das FA zugestimmt hat, steht gemäß § 168 Satz 1 AO einer Umsatzsteuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Sie hat damit unter anderem die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für August und September 2020, die Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gewesen sind, ersetzt. Gegenstand der revisionsrechtlichen Prüfung ist deshalb nunmehr die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuer-Jahresfestsetzung für 2020.
-
Bedient sich ein leistender Unternehmer zur Einziehung seiner Entgeltforderungen gegen die Leistungsempfänger eines anderen Unternehmers (Zahlstelle), vereinnahmt er das Entgelt spätestens dann, wenn die Zahlungen der Leistungsempfänger bei der Zahlstelle eingehen.
-
Der Umstand, dass die Zahlstelle den vereinnahmten Betrag nicht an den leistenden Unternehmer weiterleitet, führt nicht dazu, dass sich die Bemessungsgrundlage für die vom Unternehmer an die Leistungsempfänger erbrachten Leistungen mindert (vgl. BFH, Urteil v. 24.2.2021 - XI R 15/19, BFHE 272, 252, BStBl II 2021, 729, Rz 21; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 8.7.2021 und Mann, USt direkt digital 17/2021 Seite 2).
-
Umsatzsteuerrechtlich "erhielt" der Kläger den von den Leistungsempfängern an das Rechenzentrum als Zahlstelle entrichteten Betrag für die von ihm erbrachten Leistungen. Eine Uneinbringlichkeit des Entgelts scheidet demnach aus. Der Kläger muss sich zurechnen lassen, dass er das Rechenzentrum mit dem Forderungseinzug beauftragt hatte und die Krankenkassen in der Folge die geschuldeten Kaufpreise an das Rechenzentrum mit befreiender Wirkung bewirkt haben.
-
Der insolvenzbedingte Zahlungsausfall, das heißt die Nichtweiterleitung der für den Kläger vereinnahmten Zahlungen an den Kläger, betrifft das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Rechenzentrum. Einbehalte oder Zahlungsausfälle in jenem gesondert zu betrachtenden Rechtsverhältnis können die Bemessungsgrundlage für die Lieferungen des Klägers an die Krankenkassen nicht berühren.
-
Auch unionsrechtlich kommt es darauf an, ob der Leistende das Entgelt erhalten hat (vgl. u.a. EuGH, Urteil v. 28.10.2021 – C-324/20; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 29.10.2021,). Dies ist im Streitfall zu bejahen. Die Krankenkassen haben das Entgelt auf Geheiß des Klägers in voller Höhe an das Rechenzentrum gezahlt. Weswegen das FG-Urteil mit unionsrechtlichen Maßstäben im Einklang steht.
Quelle: BFH, Urteil v. 30.4.2025 - XI R 15/22; NWB Datenbank (lb)
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im XI. Senat des BFH Prof. Dr. Alois Nacke gelangen Sie hier (Login erforderlich).