Online-Nachricht - Donnerstag, 10.07.2025

Abgabenordnung | Ände­rung eines Ein­kom­men­steuer­bescheids nach § 175b Abs. 1 AO (BFH)

Eine Änderung nach § 175b Abs. 1 AO ist auch dann zu­lässig, wenn die Daten im Sinne des § 93c AO bei Erlass des zu ändern­den Aus­gangs­bescheids noch nicht vor­ge­legen haben, son­dern erst zu einem späte­ren Zeit­punkt – erst­malig – an die Finanz­behörde über­mittelt worden sind. Uner­heb­lich ist, ob der In­halt der Daten der Finanz­behörde bereits ander­weit be­kannt war, etwa auf­grund der Steuer­erklä­rung (BFH, Urteil v. 27.11.2024 - X R 25/22; veröf­fent­licht am 10.7.2025).

Hintergrund: Gemäß § 175b Abs. 1 AO ist ein Steuer­bescheid aufzu­heben oder zu ändern, soweit von der mittei­lungs­pflich­tigen Stelle an die Finanz­behörden übermit­telte Daten im Sinne des § 93c AO bei der Steuer­fest­setzung nicht oder nicht zutref­fend berück­sichtigt wurden.

Sachverhalt: Die Kläger sind verheiratet und werden zur Einkommen­steuer zusammen­veranlagt. Neben weiteren Einkünften bezogen sie auch Renten­einkünfte, der Kläger unter anderem solche aus einer inlän­dischen gesetzlichen Renten­versicherung. Diese Renten­einkünfte gaben die Kläger zutreffend in der gemeinsamen Einkommen-steuererklärung an. Im Rahmen der Veran­lagung berück­sichtigte das Finanzamt (FA) die Renten­einkünfte nicht, weil diesem hierzu im Zeitpunkt der Veran­lagung noch keine elektronische Renten­bezugs­mitteilung vorlag. Der Bescheid enthielt keinen Vorbehalt der Nach­prüfung. Kurz darauf über­mittelte der Renten­versiche­rungs­träger die Informa­tionen über die Bezüge des Klägers aus der Leibrente an das FA in elektro­nischer Form (Renten­bezugs­mittei­lung). Daraufhin änderte das FA den Ein­kommen­steuer­bescheid unter Berufung auf § 175b AO und unterwarf nunmehr auch die Renten­einkünfte des Klägers als sonstige Einkünfte der Besteue­rung.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Nieder­sächsi­sches FG, Urteil v. 13.10.2022 - 2 K 123/22).

Die Richter des BFH wiesen die Revision des Klägers als unbe­gründet zurück:

  • Das FG hat zutreffend entschieden, dass der geänderte Ein­kommen­steuer­bescheid rechtmäßig ist. Das FA war berechtigt und ver­pflichtet den Ein­kommen­steuer­bescheid nach § 175b Abs. 1 AO zu ändern (vgl. BFH, Urteil v. 20.2.2024 – IX R 20/23, BStBl II 2024, 587, Rz 25; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 13.6.2024).

  • In der analogen Welt war die Änderung eines einmal ergangenen Steuer­bescheids --sowohl zugunsten als auch zulasten des Steuer­pflichtigen-- nur dann möglich, wenn hierfür besondere Voraus­setzun­gen erfüllt waren (z.B. ausdrück­licher Vorbehalt der Nach­prüfung im Steuer­bescheid; nachträglich bekannt­gewordene Tatsachen). Diese Voraus­setzun­gen waren im Streitfall nicht erfüllt, da das FA die Rente trotz voller Kenntnis des Sachverhalts im ursprüng­lichen Steuer­bescheid außer Ansatz gelassen hatte.

  • Weil aber im Zuge der Digitalisierung auch die Finanzämter immer mehr besteue­rungs­rele­vante Daten auf elektro­nischem Wege erhalten, hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 2017 die Vorschrift des § 175b AO geschaffen. Eine auf § 175b AO gestützte Änderung ist auch dann vorzu­nehmen, wenn dem FA oder dem Steuer­pflichtigen zuvor ein Fehler unter­laufen ist.

  • Ein danach relevanter Fehler liegt jedoch nur vor, soweit die Verwen­dung der über­mittel­ten Daten zu einer materiell unrichtigen Steuerfestsetzung geführt hat. Wirkt sich die unzu­treffende Berück­sichti­gung steuerlich nicht aus, fehlt es an der Rechts­erheblich­keit des Fehlers und an einer Korrektur­möglich­keit (vgl. BFH, Urteil v. 20.2.2024 - IX R 20/23, BFHE 283, 244, BStBl II 2024, 587, Rz 20).

  • Eine Änderung nach § 175b Abs. 1 AO ist auch dann zulässig, wenn die Daten im Sinne des § 93c AO bei Erlass des zu ändernden Ausgangs­bescheids noch nicht vorgelegen haben, sondern erst zu einem späteren Zei­tpunkt - erstmalig - an die Finanz­behörde über­mittelt worden sind. Unerheb­lich ist, ob der Inhalt der Daten der Finanz­behörde bereits ander­weit bekannt war, etwa aufgrund der Steuer­erklärung.

  • Ausgehend von diesen Rechts­grund­sätzen war das FA im Streitfall nach § 175b Abs. 1 AO verpflichtet, den Ein­kommen­steuer­bescheid zu ändern.

  • Bei der Rentenbezugsmitteilung handelt es sich gemäß § 22a Abs. 1 Satz 1 EStG um nach Maßgabe des § 93c AO übermittelte Daten, die einen Besteue­rungs­zeitraum nach 2016 betreffen. Diese Daten sind bei der Steuer­fest­setzung nicht berück­sichtigt worden. Der Tat­bestand des § 175b Abs. 1 AO ist somit erfüllt.

Quelle: BFH, Pressemitteilung v. 10.7.2025 und BFH, Urteil v. 27.11.2024 - X R 25/22; NWB Datenbank (lb)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im X. Senat des BFH Prof. Dr. Gregor Nöcker gelangen Sie hier (Login erforder­lich).