Online-Nachricht - Donnerstag, 31.07.2025
Erbschaftsteuer | Anwendung der Steuerbegünstigung des § 13a ErbStG auf einen fiktiven Nießbrauch nach § 29 Abs. 2 ErbStG (BFH)
Die schenkweise Einräumung einer Unterbeteiligung an einer KG, durch die der Beschenkte die Stellung eines Mitunternehmers erlangt, ist auch dann nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG i.d.F. bis 31.12.2008 (ErbStG) begünstigt, wenn der Beschenkte nach einem Widerruf der Schenkung für den Zeitraum, für den ihm die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben, nach § 29 Abs. 2 ErbStG wie ein Nießbraucher zu behandeln ist (BFH, Urteil v. 19.3.2025 - II R 34/22; veröffentlicht am 31.7.2025).
Hintergrund: Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG i.d.F. bis 31.12.2008 bleiben Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 13a Abs. 4 ErbStG insgesamt bis zu einem Wert von 225.000 € beim Erwerb durch Schenkung unter Lebenden außer Ansatz, wenn der Schenker dem Finanzamt unwiderruflich erklärt, dass der Freibetrag für diese Schenkung in Anspruch genommen wird.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erlischt die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden muss.
Sachverhalt: Der Kläger ist Gesellschafter der A KG, der B KG und der C KG. An seinen Beteiligungen an den vorgenannten Gesellschaften räumte der Kläger mit notariellen Schenkungsverträgen im Jahr 2004 seiner Tochter (T) eine Unterbeteiligung in Höhe von jeweils 30 % ein. Die Einräumung der Unterbeteiligungen erfolgte unentgeltlich unter Anrechnung auf den gesetzlichen Erbteil der T. Der Kläger behielt sich im Rahmen der Schenkungsverträge ein Widerrufsrecht vor.
Das FA setzte basierend auf der vom Kläger eingereichten Schenkungsteuererklärung Schenkungsteuer gegenüber dem Kläger fest und gewährte einen Freibetrag in Höhe von 225.000 € gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG sowie einen Abschlag gemäß § 13a Abs. 2 ErbStG.
Im Jahr 2009 erklärte der Kläger im Hinblick auf das am 1.1.2009 in Kraft getretene Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008 gegenüber T den Widerruf der Schenkung von 95 % der Unterbeteiligung an der A KG. Im Jahr 2011 schloss er mit T eine Vereinbarung über die Rückübertragung der Unterbeteiligung. Im Jahr 2014 folgte ein Schreiben des Klägers an das FA, dass er sein Widerrufsrecht auch hinsichtlich der geschenkten Unterbeteiligungen an der B KG und der C KG in Höhe von jeweils 30 % ausgeübt habe.
Daraufhin setzte das FA die festgesetzte Schenkungsteuer herab. Für den Nießbrauch an den Gesellschaftsanteilen an der A KG, der B KG und der C KG versagte das FA die Anwendung der Steuerbegünstigung des § 13a ErbStG, da durch den Widerruf der Schenkung durch den Kläger die Mitunternehmerstellung der T rückwirkend entfallen sei. Die Steuerbegünstigung des § 13a ErbStG könne daher für den Nießbrauch an den Gesellschaftsanteilen nicht mehr zur Anwendung kommen.
Der hiergegen erhobenen Klage wurde stattgegeben (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 11.5.2022 - 7 K 1550/20).
Die Richter des BFH wiesen die Revision als unbegründet zurück:
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Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Steuerbegünstigung des § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 4 Nr. 1 ErbStG auf die von T bis zum Widerruf der Schenkung gezogenen Nutzungen, die nach § 29 Abs. 2 ErbStG der Besteuerung zugrunde gelegt wurden, zu gewähren ist.
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Der in § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG verwendete Gesellschaftsbegriff ist, wie sich aus der Verweisung auf § 15 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 2 und Abs. 3 EStG ergibt, nicht zivilrechtlich, sondern ertragsteuerrechtlich zu verstehen (vgl. u.a. BFH, Urteil v. 6.11.2019 - II R 34/16; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 20.2.2020). Nach diesen Maßstäben ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass T durch den Erwerb der Unterbeteiligungen die Stellung einer Mitunternehmerin erlangte.
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Die schenkweise Einräumung einer Unterbeteiligung an einer KG, durch die der Beschenkte die Stellung eines Mitunternehmers erlangt, ist auch dann nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG begünstigt, wenn der Beschenkte nach einem Widerruf der Schenkung für den Zeitraum, für den ihm die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben, nach § 29 Abs. 2 ErbStG wie ein Nießbraucher zu behandeln ist.
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Umstritten ist, wie die Besteuerung des Nutzungsvorteils nach § 29 Abs. 2 ErbStG in steuersystematischer Hinsicht einzuordnen ist. Der Senat schließt sich der überwiegenden Auffassung, wonach § 29 Abs. 2 ErbStG keine Regelung für einen neuen Erwerbstatbestand in Gestalt eines fiktiven Nießbrauchs beinhaltet, sondern nur die Klarstellung, dass eine Erstattung der Steuer insoweit nicht in Betracht kommt, als dem Erwerber die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben und er somit bereichert bleibt. Die Vorschrift ordne lediglich eine Beschränkung der ursprünglich steuerpflichtigen Schenkung auf den verbleibenden Nutzungsvorteil an. Der ursprüngliche Erwerb bestehe in den Fällen des § 29 Abs. 2 ErbStG in gemindertem Umfang weiter.
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Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht entschieden, dass die Steuerbegünstigung des § 13a ErbStG nicht entfällt, wenn der ehemals Beschenkte aufgrund eines Widerrufs der Schenkung nach § 29 Abs. 2 ErbStG wie ein Nießbraucher zu behandeln ist und T im Zeitraum zwischen der schenkweisen Übertragung der Unterbeteiligung und deren Rückübertragung Mitunternehmerin im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG blieb.
Quelle: BFH, Urteil v. 19.3.2025 - II R 34/22; NWB Datenbank (lb)
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