Online-Nachricht - Donnerstag, 31.07.2025

Einkommensteuer | Doppelte Haus­halts­führung - Kosten der Lebens­führung bei einem Ein-Perso­nen-Haus­halt (BFH)

Führt der Steuer­pflich­tige im Rahmen einer doppel­ten Haus­halts­führung am Ort des Lebens­mittel­punkts einen Ein-Per­sonen-Haus­halt, stellt sich die Frage nach der finan­ziellen Betei­ligung an den Kosten der Lebens­führung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG nicht (BFH, Urteil v. 29.4.2025 - VI R 12/23; veröf­fent­licht am 31.7.2025).

Hintergrund: Eine doppelte Haushalts­führung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätig­keits­stätte einen eigenen Hausstand unter­hält und auch am Ort der ersten Tätig­keits­stätte wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG). Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG setzt das Vorliegen eines eigenen Haus­stands das Inne­haben einer Wohnung sowie eine finan­zielle Betei­ligung an den Kosten der Lebens­führung voraus.

Sachverhalt: Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2014 bis 2018 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Werkstudent, als studentische Hilfskraft und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Zudem erhielt er in den Jahren 2014 bis 2017 Leistungen nach dem BAföG. Am Studienort wohnte er in ange­mieteten Wohnungen bzw. Zimmern. Sein Lebensmittelpunkt lag in den Streit­jahren unstreitig in B. Dort bewohnte er sämtliche Räumlich­keiten im Ober­geschoss des Wohn­hauses seiner Eltern, Miete zahlte er nicht.

In seinen Einkommen­steuer­erklärun­gen machte er u.a. notwendige Mehrauf­wendungen wegen einer beruflich veran­lassten doppelten Haus­halts­führung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 in der in den Streit­jahren jeweils geltenden Fassung des EStG sowie Ver­pflegungs­mehr­auf­wendun­gen als Werbungs­kosten geltend. Das FA berück­sichtigte lediglich die Aufwen­dungen für die Familien­heim­fahrten. Die geltend gemachten Kosten für die doppelte Haushalts­führung und die Ver­pflegungs­mehr­auf­wendun­gen erkannte es nicht an.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das FG vertrat die Ansicht, der Kläger habe in B keinen eigenen Haus­stand geführt, sondern sei dort noch in den Hausstand seiner Eltern einge­gliedert gewesen (FG München, Urteil v. 1.3.2023 - 1 K 2311/20).

Die Richter das BFH hoben das Urteil auf und wiesen die Sache zur ander­weitigen Verhand­lung und Ent­scheidung zurück:

  • Das Vorliegen eines eigenen Hausstands erfordert u.a. eine finanzielle Betei­ligung an den Kosten der Lebens­führung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG).

  • Bedeutung kommt diesem Tatbestands­merkmal jedoch nur zu, soweit der Steuer­pflichtige am Lebens­mittelpunkt einem Mehr­personen­haushalt (z.B. im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts) angehört.

  • Dies folgt bereits aus dem Tat­bestands­merkmal "Beteiligung". Nur wenn mehrere Personen einen gemein­samen Haushalt führen, kann sich der Einzelne an den Kosten dieses Haushalts und damit den Kosten der Lebens­führung "beteiligen".

  • Führt der Steuerpflichtige dagegen einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Betei­ligung an den Kosten dieses Haushalts (der Lebensführung) nicht. Denn die Kosten der Lebens­führung eines Ein-Personen-Haushalts werden denknot­wendig von dieser einen Person getragen.

  • Woher die hierfür erforderlichen Mittel stammen ‑ ob aus eigenen Einkünften, staatlichen Transfer­leistungen, Darlehen, Unter­halts­leistungen oder familiären Geldgeschenken ‑ ist insoweit uner­heblich. An der Finan­zierung des eigenen Haus­halts/der eigenen Lebens­führung ändert die Herkunft der Mittel nichts.

  • Gemessen daran hält die Entscheidung der Vorinstanz einer revisions­recht­lichen Über­prüfung nicht stand. Das FG hat rechts­fehlerhaft entschieden, dass der Kläger am Ort seines Lebens­mittel­punkts keinen eigenen Hausstand unterhalten hat.

  • Vorliegend haben die Eltern dem Kläger sämtliche Räumlich­keiten im Ober­geschoss ihres Hauses zur Nutzung über­lassen. Der Senat hat nach den Fest­stellungen des FG keine Zweifel, dass es sich dabei um eine Wohnung im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG handelt, die dem Kläger nach Größe und Ausstattung ein eigen­ständiges Wohnen und Wirt­schaften gestattet.

  • Der Umstand, dass die Wohnung kostenfrei und nicht zur Miete überlassen wurde, steht dem - anders als das FG meint - nicht entgegen (vgl. BFH, Urteil v. 12.1.2023 - VI R 39/19, BStBl II 2023, 747, Rz 17, m.w.N.).

  • Soweit das FG davon ausgegangen ist, der Kläger habe die Wohnung im Ober­geschoss deshalb nicht inne­gehabt, weil sich der Haushalt der Eltern in den Streitjahren auf das gesamte Wohnhaus erstreckt habe und der Kläger in den elterlichen Gesamt­haushalt eingegliedert gewesen sei, wird diese Würdigung von den den Senat bindenden Fest­stellungen der Vorinstanz nicht getragen. Vielmehr hat das FG für den Senat bindend festgestellt, dass die Wohnung im Ober­geschoss nur vom Kläger bewohnt wurde, während die Eltern ausschließ­lich die Räume im Erdgeschoss nutzten.

  • Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - bisher nicht geprüft, in welcher Höhe dem Kläger in den Streit­jahren Unter­kunfts­kosten und Ver­pflegungs­mehr­aufwen­dungen entstanden und nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 bzw. § 9 Abs. 4a Satz 12 EStG als Werbungs­kosten zu berücksichtigen sind. Die ent­sprechenden Fest­stellungen hat es im zweiten Rechts­gang nachzu­holen.

Quelle: BFH, Urteil v. 29.4.2025 - VI R 12/23; NWB Datenbank (il)

 
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