Online-Nachricht - Donnerstag, 21.08.2025

Einkommensteuer | Rückabwick­lung einer Anteils­über­tragung wegen Weg­falls der Geschäfts­grund­lage (BFH)

Die Übertragung von GmbH-Antei­len im Rahmen eines Zugewinn­aus­gleichs unter Ehe­gatten stellt grund­sätzlich einen steuer­pflich­tigen Ver­äuße­rungs­vorgang nach §  17 EStG dar. Aller­dings ist ein rück­wirken­der Weg­fall des resul­tieren­den Ver­äuße­rungs­gewinns mög­lich, wenn die Über­tragung auf­grund eines Irr­tums über die steuer­lichen Folgen rück­abge­wickelt wird und dieser Irrtum die Geschäfts­grund­lage des Vertrags bildete (BFH, Urteil v. 9.5.2025 - IX R 4/23; veröf­fent­licht am 21.8.2025).

Hintergrund: Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbe­betrieb auch der Gewinn aus der Veräuße­rung von Anteilen an einer Kapital­gesell­schaft, wenn der Veräußerer inner­halb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesell­schaft unmittel­bar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war.

Sachverhalt:Im Streitfall verein­barten die Kläger – zusammen veranlagte Eheleute – abweichend vom gesetzlichen Güter­stand der Zugewinn­gemein­schaft die Güter­trennung. Hieraus ergab sich ein Zugewinn­ausgleichs­anspruch der Klägerin, den der Kläger verein­barungs­gemäß durch die Über­tragung von GmbH-Anteilen erfüllte. Beide gingen – gestützt auf eine Steuer­beratung – davon aus, dass hierfür keine Einkommen­steuer anfällt. Das Finanzamt sah darin jedoch eine steuer­pflichtige Veräuße­rung gemäß § 17 EStG, ermittelte einen Veräuße­rungs­gewinn und setzte entsprechend Einkommen­steuer fest. Dies veranlasste die Kläger, die notarielle Verein­barung zu ändern und statt der Anteils­über­tragung eine Geld­zahlung und im Übrigen die Stundung des Aus­gleichs­anspruchs zu vereinbaren.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg (Nieder­sächsi­sches FG, Urteil v. 14.12.2022 - 9 K 162/21).

Die Richter des BFH wiesen die Revision als unbe­gründet zurück:

  • Dass der Kläger in den letzten fünf Jahren vor der streit­gegen­ständ­lichen Anteils­über­tragung derart an der GmbH beteiligt war, dass die Voraus­setzungen des § 17 EStG erfüllt waren, steht zwischen den Betei­ligten nicht im Streit. Umstritten ist allein, ob der entstandene Veräuße­rungs­gewinn aufgrund der Änderung der notariellen Verein­barung rückwirkend entfallen ist. Diese Frage hat das FG zutreffend bejaht.

  • Da verfahrensrechtlich die Veranlagung des Streit­jahres noch offen ist, bedarf es der Korrektur­vorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht (ständige Recht­sprechung, Senats­urteil v. 28.10.2009 - IX R 17/09, BFHE 227, 349, BStBl II 2010, 539, unter II.2.c, m.w.N.). Es ist nach materiell-recht­lichen Grundsätzen zu beurteilen, ob der Abschluss der Änderungs­verein­barung steuer­lich zurückwirkt.

  • Wird die Übertragung eines Anteils an einer Kapital­gesell­schaft durch die Parteien des Kauf­vertrags wegen Wegfalls der Geschäfts­grund­lage rückgängig gemacht, kann dieses Ereignis steuer­lich auf den Zeitpunkt der Veräuße­rung zurückwirken (Anschluss an Senats­urteil v. 28.10.2009 - IX R 17/09, BFHE 227, 349, BStBl II 2010, 539; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 18.2.2010).

  • Nach § 313 Abs. 1 BGB kann eine Anpas­sung des Vertrags verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertrags­schluss schwer­wiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlos­sen hätten, wenn sie diese Verände­rung voraus­gesehen hätten, soweit einem Teil unter Berück­sichti­gung aller Umstände des Einzelfalls, insbe­sondere der vertrag­lichen oder gesetzlichen Risiko­verteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Nach § 313 Abs. 2 BGB steht es einer Veränderung der Umstände gleich, wenn wesent­liche Vorstel­lungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch heraus­stellen.

  • Ein Wegfall der Geschäfts­grund­lage kann jedoch nur dann erfolg­reich geltend gemacht werden, wenn die Störung nicht aus­schließ­lich in den Risiko­bereich einer Partei fällt und wenn die Vertrags­erfüllung trotz geänderter Umstände nicht zumutbar ist. Die Vertrags­betei­ligten müssen nachweisen, dass sie gemeinsame Vorstel­lungen hatten, die sich als falsch heraus­gestellt haben (vgl. BGH, Urteil v. 15.04.2016 - V ZR 42/15, Rz 22).

  • Die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, müssen sich weder aus dem Vertrags­wortlaut ergeben noch zeitnah mit Vertrags­abschluss gegenüber der Finanz­verwaltung offen­gelegt werden.

  • Ein Steuerpflichtiger, der sich auf den Wegfall der Geschäfts­grund­lage beruft, muss darlegen und nachweisen, dass vor oder beim Abschluss des gestörten Rechts­geschäfts ein Umstand erörtert worden ist, dessen Eintritt nach der gemein­samen Vorstel­lung der Vertrags­partner derart evident ist, dass mit ihm der Vollzug des Rechts­geschäfts "steht und fällt".

  • Unter Anwendung dieser Grund­sätze auf den Streitfall hat das FG im Ergebnis zutreffend einen rück­wirkenden Wegfall des Veräuße­rungs­gewinns nach den Grund­sätzen über den Wegfall der Geschäfts­grund­lage ange­nommen.

Quelle: BFH, Presse­mittei­lung v. 21.8.2025 und BFH, Urteil v. 9.5.2025 - IX R 4/23; NWB Datenbank (lb)

 
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