Online-Nachricht - Donnerstag, 28.08.2025
Insolvenzrecht/Umsatzsteuer | Nachhaftung des Schuldners für Steuerschulden nach Einstellung des Insolvenzverfahrens gemäß § 211 InsO (BFH)
Beruhen Umsatzsteuerschulden als Masseverbindlichkeiten allein auf Handlungen des Insolvenzverwalters, kommt eine Haftung des Insolvenzschuldners mit seinem insolvenzfreien Vermögen während des Insolvenzverfahrens nicht in Betracht. Diese Haftungsbeschränkung gilt weiter, wenn das Insolvenzverfahren nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 211 InsO) eingestellt sowie dem Insolvenzschuldner Restschuldbefreiung erteilt wurde (Fortführung des BFH-Urteils v. 10.11.2015 - VII R 35/13, BStBl II 2016, 372: BFH, Urteil v. 14.5.2025 - XI R 23/22; veröffentlicht am 28.8.2025).
Sachverhalt: Der Kläger erbrachte als Unternehmer steuerpflichtige Umsätze. Über sein Vermögen wurde im Juli 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter führte das Unternehmen des Klägers fort und zeigte bereits im September 2008 drohende Masseunzulänglichkeit an.
Aufgrund der Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter entstand Umsatzsteuer, die das FA - neben Zinsen zur Umsatzsteuer - als Masseverbindlichkeit gegenüber dem Insolvenzverwalter festsetzte. Die Beträge wurden aus der Insolvenzmasse nicht gezahlt.
Im September 2016 wurde das Insolvenzverfahren nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit eingestellt (§ 211 InsO), nachdem dem Kläger Restschuldbefreiung erteilt worden war.
Das beklagte FA forderte den Kläger mit einer Vollstreckungsankündigung auf, die für die Jahre 2008 bis 2010 gegen den Insolvenzverwalter festgesetzte und noch rückständige Umsatzsteuer nebst Zinsen und Säumniszuschlägen zu entrichten. Der Kläger berief sich auf die ihm erteilte Restschuldbefreiung und machte weiter geltend, es sei zumindest § 80 InsO zu beachten, der vorliegend eine dauerhafte Vollstreckungseinrede begründe.
Das FA pfändete die Ansprüche des Klägers aus seiner Geschäftsverbindung mit einem Kreditinstitut und ordnete deren Einziehung an. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zahlte der Kläger den geforderten Betrag am 23.9.2020 unter Vorbehalt und forderte diesen mit Schreiben vom 13.10.2020 zurück. Das FA lehnte die Rückzahlung des vom Kläger geltend gemachten Betrags ab.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil v. 13.7.2022 - 4 K 1280/21 AO, ausführlich hierzu Rennar, USt direkt digital 22/2022 S. 8).
Die Richter des BFH hoben das Urteil auf und gaben der Klage statt:
-
Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Forderungen des FA aus Umsatzsteuer 2008 bis 2010 als Masseverbindlichkeit nicht unter die Restschuldbefreiung nach § 301 Abs. 1 InsO fallen.
-
Der Kläger hat allerdings den im Streit stehenden Gesamtbetrag an Steuern und steuerlichen Nebenleistungen ohne rechtlichen Grund im Sinne des § 37 Abs. 2 AO an das FA gezahlt, weil seine Nachhaftung auf die Masse beschränkt ist.
-
Eine Steuer wird auch dann ohne rechtlichen Grund gezahlt, wenn sie unter Protest beglichen wird und ihrer Geltendmachung eine dauerhafte Einrede entgegensteht (Fortführung des BFH-Urteils v. 10.11.2015 - VII R 35/13, BStBl II 2016, 372).
-
Beruhen Umsatzsteuerschulden als Masseverbindlichkeiten allein auf Handlungen des Insolvenzverwalters, kommt eine Haftung des Insolvenzschuldners mit seinem insolvenzfreien Vermögen während des Insolvenzverfahrens nicht in Betracht.
-
Diese Haftungsbeschränkung gilt weiter, wenn das Insolvenzverfahren nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 211 InsO) eingestellt sowie dem Insolvenzschuldner Restschuldbefreiung erteilt wurde (Fortführung des BFH-Urteils v. 10.11.2015 - VII R 35/13, BStBl II 2016, 372).
Quelle: BFH, Urteil v. 14.5.2025 - XI R 23/22; NWB Datenbank (il)
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im XI. Senat des BFH Prof. Dr. Alois Nacke gelangen Sie hier (Login erforderlich).