Online-Nachricht - Donnerstag, 28.08.2025

Umsatzsteuer | Steuer­befrei­ung für Leistun­gen eines Präven­tions- und Persön­lich­keits­trainers (BFH)

Die Erziehung von Kindern im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL bezieht sich auf die plan­mäßige Tätig­keit zur körper­lichen, geisti­gen und sitt­lichen For­mung junger Men­schen zu tüchti­gen und mündi­gen Menschen. Die Tätig­keit eines Prä­ven­tions- und Per­sön­lich­keits­trainers kann diese Vor­aus­setzun­gen erfül­len. Bei Fehlen eines förm­lichen Aner­ken­nungs­ver­fahrens kann jedenfalls dann von einer Ein­rich­tung mit von dem be­tref­fenden Mit­glied­staat aner­kannter gleicher Ziel­setzung aus­gegan­gen werden, wenn die Ein­rich­tung in der Gesamt­heit ihrer unter­nehme­rischen Ziel­setzung auf die Er­ziehung von Kindern und Jugend­lichen ausge­richtet ist (BFH, Urteil v. 30.4.2025 - XI R 5/24; veröf­fent­licht am 28.8.2025).

Sachverhalt: Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Streitig ist, ob der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Präven­tions- und Persön­lich­keits­trainer im Streitjahr 2010 steuer­freie Umsätze ausge­führt hat:

Der Kläger ist Präventions- und Persön­lichkeits­trainer und Mitglied des Vereins B. Ein Ausdruck seiner Homepage lässt erkennen, dass er als "Teamleiter" auftrat. Neben ihm wurden neun weitere, in seinem Team tätige Kurs­leiter für verschie­dene Kursarten vorge­stellt. Der Kläger vertrat die Ansicht, dass die gegen­über Schulen angebo­tenen Konflikt­präven­tions­kurse für Kinder steuerfrei seien. Im ersten Rechtsgang wies das FG die Klage ab. Eine Steuer­befreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a oder b UStG a.F. scheide ebenso aus wie nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL. Es fehle bereits an der Qualifi­zierung als Schul- und Hochschul­unterricht im Sinne dieser Vorschrift (FG Berlin-Branden­burg, Urteil v. 14.8.2019 - 7 K 7342/16).

Der BFH hob dieses Urteil auf und gab dem Gericht auf zu prüfen, ob eine Steuer­befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL in Frage kommen kann. Die Präventions­kurse des Klägers könnten als "Erziehung von Kindern und Jugend­lichen" im Sinne dieser Bestim­mung anzusehen sein (BFH, Urteil v. 15.12.2021 - XI R 3/20, vgl. hierzu Vanheiden, USt direkt digital 16/2022 S. 2 sowie unsere Online-Nachricht v. 14.7.2022). Das FG gab der Klage daraufhin statt (FG Berlin-Branden­burg, Urteil v. 17.1.2024 - 7 K 7342/16, s. hierzu ausführ­lich Bender, USt direkt digital 12/2024 S. 4).

Die Richter des BFH wiesen die hier­gegen gerichtete Revision des FA zurück:

  • Das FG hat in revisions­recht­lich nicht zu bean­standen­der Weise ent­schieden, dass eng mit der Erziehung von Kindern und Jugend­lichen verbundene Dienst­leistungen im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL vorliegen.

  • Das FG hat festgestellt, dass der Präventions­unter­richt des Klägers der geistigen und sitt­lichen Entwicklung der Kinder dient und zur Willens- und Charakter­bildung beiträgt. Die Kinder lernen u.a., eigene Gefühle wahrzunehmen, wie sie sich in schwierigen Situation wehren können, wer Vertrauens­personen sind und wie man "gute" und "schlechte" Geheimnisse unter­scheidet. Des Weiteren hat das FG fest­gestellt, dass die Kinder durch die streit­gegen­ständ­lichen Kurse eigene Fähigkeiten und Stärken entdecken sollen. Selbst­vertrauen, Selbst­wertgefühl und Resilienz der Kinder sollen nach den Feststellungen des FG gestärkt werden.

  • Diese tatsächliche Würdigung des FG ist möglich und verstößt nicht gegen Denk­gesetze oder Erfahrungs­sätze; sie bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Präven­tions­kurse entsprechen dem Begriff der Erziehung als Vermitt­lung von sozialen Kompe­tenzen und Werten.

  • Darüber hinaus sind die personellen Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL erfüllt. Der Kläger ist als Ein­richtung mit ver­gleich­barer Zielsetzung wie die der Einrich­tungen des öffent­lichen Rechts, die mit solchen Aufgaben (hier: Erziehung) betraut sind, anzusehen.

  • Die Gesamtheit der unternehmerischen Zielsetzung des Klägers ist wie bei den Einrich­tungen des öffent­lichen Rechts auf eine Erziehung von Kindern ausge­richtet, so dass jeden­falls in diesem Fall ein Gleich­lauf der Ziel­setzungen im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL besteht.

  • Soweit aufgrund der Neufassung des § 4 Nr. 23 Buchst. a UStG n.F. von der Einrich­tung zusätz­lich gefordert wird, dass sie keine syste­matische Gewinn­erzielung anstrebt und anfal­lende Gewinne nicht verteilt werden dürfen, sondern zur Erhaltung oder Verbes­serung der durch die Einrich­tung erbrachten Leistungen verwendet werden müssen, ist diese zusätzliche Voraus­setzung zwar unionsrechtlich zulässig (Art. 133 Satz 1 Buchst. a MwStSystRL), aber im Streitjahr noch nicht in Kraft getreten. Sie gilt erst ab dem 1.1.2020 und damit nach dem Streitjahr.

Quelle: BFH, Urteil v. 30.4.2025 - XI R 5/24; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im XI. Senat des BFH Prof. Dr. Alois Nacke gelangen Sie hier (Login erforder­lich).