Online-Nachricht - Donnerstag, 04.09.2025
Einkommensteuer | Keine gewerbliche Tätigkeit bei bloßer Übernahme der Kosten der Erschließung eines land- und forstwirtschaftlichen Grundstücks (BFH)
Die bloße Übernahme der Kosten der Erschließung eines land- und forstwirtschaftlichen Grundstücks aufgrund eines Vertrags mit dem von der Gemeinde beauftragten Erschließungsträger führt nicht zu einer gewerblichen Tätigkeit (BFH, Urteil v. 14.5.2025 - VI R 9/23; veröffentlicht am 4.9.2025).
Sachverhalt: Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2010 bis 2012 neben anderen Einkünften solche aus Land- und Forstwirtschaft. Den Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG für das landwirtschaftliche Normalwirtschaftsjahr (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG).
Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb umfasste Grundstücksflächen, die innerhalb eines von der örtlichen Kommune neu ausgewiesenen Bebauungsplangebiets lagen. Die Erschließung der jeweiligen Baugebiete erfolgte dadurch, dass die Kommune die Durchführung der Erschließung an einen privaten Erschließungsträger im eigenen Namen und auf eigene Rechnung übertrug. Der Erschließungsträger wiederum schloss mit dem Kläger einen Vertrag, mit dem sich der Klägerverpflichtete, alle sich aus dem beabsichtigten Erschließungsvertrag zwischen der Stadt und dem Erschließungsträger anfallenden Erschließungskosten zu übernehmen.
In den Streitjahren veräußerte der Kläger schließlich mehrere Baugrundstücke. Im jeweiligen Kaufpreis waren alle Erschließungslasten enthalten. Die Veräußerungsgewinne setzte er bei seinen Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft an und stellte sie zum Großteil in eine Rücklage nach § 6b EStG ein.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Verkäufe der Baugrundstücke seien im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels erfolgt. Zwar habe der Kläger die Grundstücke nicht selbst erschlossen. Ihm seien jedoch die dahingehenden Aktivitäten des Erschließungsträgers zuzurechnen. Denn er habe die gesamten Erschließungskosten getragen, die erschlossenen Grundstücke eigeninitiativ vermarktet und im Zuge dessen seine Kosten auf die Erwerber der Grundstücke überwälzt. Damit habe der Kläger das wirtschaftliche Risiko der Erschließung wie ein Erschließungsunternehmer getragen. Die veräußerten Baugrundstücke seien daher zum Buchwert aus dem Anlagevermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs in das Umlaufvermögen des Gewerbebetriebs "gewerblicher Grundstückshandel" überführt worden, so dass die Veräußerungsgewinne nicht in eine Rücklage gemäß § 6b EStG hätten eingestellt werden können.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg (FG Münster, Urteil v. 20.4.2023 - 8 K 666/21 E, G, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 18.7.2023 sowie Steuern mobil 12/2023).
Die Richter des BFH wiesen die Revision des Finanzamtes zurück:
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Bei den streitigen Grundstücksveräußerungen handelt es sich um Hilfsgeschäfte des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers, so dass dieser bis zu der Höhe der bei den Veräußerungen entstandenen Gewinne eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG bilden konnte.
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Grundstücksveräußerungen sind erst dann Gegenstand eines selbständigen gewerblichen Grundstückshandels und nicht mehr landwirtschaftliche Hilfsgeschäfte, wenn der Landwirt über die Parzellierung und Veräußerung hinausgehende Aktivitäten entfaltet, die darauf gerichtet sind, den zu veräußernden Grundbesitz zu einem Objekt anderer Marktgängigkeit zu machen (BFH, Urteil v. 8.9.2005 - IV R 38/03, BStBl II 2006, 166, unter 1.a und b).
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Für die Beurteilung als landwirtschaftliches Hilfsgeschäft schädlich sind etwa die Beantragung eines Bebauungsplans und dessen Finanzierung (BFH, Urteil v. 25.10.2001 - IV R 47, 48/00, BStBl II 2002, 289, unter 2.b cc) oder die aktive Mitwirkung an der Erschließung (BFH, Urteil v. 28.6.1984 - IV R 156/81, BStBl II 1984, 798, unter 1.a).
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Demgegenüber reichen die vertragliche Vorfinanzierung der anschließend auf die Erwerber überwälzten Erschließungskosten und/oder die unentgeltliche Bereitstellung von Straßenland durch den veräußernden Landwirt einschließlich der entsprechenden Baulastbewilligung nicht aus, um einen gewerblichen Grundstückshandel anzunehmen (vgl. BFH, Urteil v. 28.6.1984 - IV R 156/81, BStBl II 1984, 798, unter 1.b). Für eine aktive Beteiligung an der Erschließung genügt auch der Abschluss eines Erschließungsvertrags mit der Gemeinde für sich genommen nicht. Maßgeblich ist, auf wessen Initiative das Vertragswerk zustande gekommen ist (BFH, Urteil v. 28.9.1987 - VIII R 306/84, BFH/NV 1988, 301).
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Unschädlich sind nach der Rechtsprechung des BFH außerdem die wiederholte Vorsprache bei den Entscheidungsträgern der Gemeinde, die Vorlage eigener Planungsentwürfe und die Anregung zur Vornahme der Erschließung in Teilabschnitten, solange der Landwirt keine kommunalen Aufgaben übernimmt, sondern lediglich im Rahmen seiner bauplanungsrechtlichen Mitwirkungsrechte tätig wird. Ebenso sind unter diesen Voraussetzungen die bloße Übernahme von Kosten der Planung und Erschließung sowie die Bereitstellung von Ausgleichsflächen für Belange des Naturschutzes und der Abwasserentsorgung unschädlich (BFH, Urteil v. 8.9.2005 - IV R 38/03, BStBl II 2006, 166, unter 1.b).
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Aktivitäten eines Dritten können dem Grundstückseigentümer nicht zugerechnet werden, wenn dieser die Erschließung und Vermarktung der Grundstücke aus eigener Initiative und auf eigenes Risiko durchführt und sich die Mitwirkung des Grundstückseigentümers im Wesentlichen darauf beschränkt, dessen gewerbliche Tätigkeit zu ermöglichen. Denn in einem solchen Fall bedient sich der Grundstückseigentümer nicht des Dritten. Vielmehr verhält es sich umgekehrt. Die Mitwirkung des Grundstückseigentümers dient dann der Verwirklichung der gewerblichen Zwecke des Dritten (BFH, Urteil v. 8.11.2007 - IV R 35/06, BStBl II 2008, 359, unter II.1.c).
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Danach hat der Kläger im Streitfall die Grenze zum gewerblichen Grund-stückshandel nicht überschritten. Vielmehr handelt es sich bei den streitigen Grundstücksveräußerungen um land- und forstwirtschaftliche Hilfsgeschäfte.
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Zwar hat der Kläger bereits im Vorfeld der Erschließung einen städtebaulichen Vertrag mit der Stadt abgeschlossen und sich darin bereiterklärt, neben den Kosten der Erschließung durch den Erschließungsträger auch die Kosten der Aufstellung des Bebauungsplans selbst sowie die Kosten für den ökologischen Ausgleich zu übernehmen. Zudem hat der Kläger Grundstücksflächen zur späteren Nutzung als öffentliche Grün- und Verkehrsflächen sowie Fußwegflächen neben zwei Bauplätzen (als Strukturausgleich) an die Stadt unentgeltlich übertragen und die darauf entfallenden Erschließungskosten übernommen.
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Die Übernahme der Planungskosten, die Bereitstellung von Ausgleichsflächen für die Belange des Naturschutzes sowie die unentgeltliche Bereitstellung von Straßenland ist jedoch für die Einordnung als land- und forstwirtschaftliches Hilfsgeschäft unschädlich.
Quelle: BFH, Urteil v. 14.5.2025 - VI R 9/23; NWB Datenbank (il)
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