Online-Nachricht - Donnerstag, 04.09.2025
Einkommensteuer | Widerlegbare Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht bei unentgeltlicher Bürgschaft (BFH)
Die Einkünfteerzielungsabsicht für Verluste aus dem Ausfall einer Bürgschaftsregressforderung ist bei einer unentgeltlichen Bürgschaftsübernahme unter fremden Dritten widerlegbar zu vermuten. Sie ist grundsätzlich erst dann widerlegt, wenn die Bürgschaft ohne jeglichen wirtschaftlichen Hintergrund hingegeben worden ist (BFH, Urteil v. 1.7.2025 - VIII R 3/23; veröffentlicht am 4.9.2025).
Sachverhalt: Streitig ist, ob der Kläger wegen des Ausfalls einer Bürgschaftsregressforderung einen steuerbaren Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Streitjahr 2012 realisiert hat: Der Kläger hatte gegenüber der A Bank am 20.12.2010 eine Höchstbetragsbürgschaft über 200.000 € für ein Darlehen der A Bank an die Z-GmbH über 200.000 € übernommen. Der Kläger war an der Z-GmbH nicht beteiligt.
Am 10.01.2011/15.01.2011 schloss der Kläger mit der Z GmbH eine Verein-barung. Danach gewährte der Kläger der Z GmbH ein verzinsliches Darlehen in Höhe von 180.273,72 € "durch Umwandlung" des Darlehens der A Bank an die Z-GmbH. Das Darlehen sollte mit 7 % pro Jahr verzinst werden. Es war analog den Darlehensbedingungen der A Bank in monatlichen Raten von jeweils 2.000 € (Zins und Tilgung) an den Kläger zurückzuzahlen. Zusätzlich sollte der Kläger eine Gewinn- und Verlustbeteiligung ab dem 1.1.2011 in Höhe von 10 % des Jahresergebnisses der Z-GmbH (zu bemessen nach dem Steuerbilanzgewinn der Z-GmbH vor Abzug der Körperschaftsteuer) erhalten. Die Dauer der Gewinn- und Verlustbeteiligung war bis zum 1.1.2016 vereinbart. Zudem wurde in dem Vertrag auf die mit der A Bank vereinbarten Sicherheiten Bezug genommen; die Z GmbH sollte die Kosten der Kreditsicherung tragen.
Am 26.01.2012 wurde dem Kläger die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft durch die A Bank angekündigt. Im Januar 2012 wurde über das Vermögen der Z-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 12.04.2012 kündigte die A Bank dem Kläger erneut die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft (nunmehr einschließlich Zinsen und Mahngebühren) an. Der Kläger zahlte nach Anforderung an die A Bank am 20.4.2012. Er meldete am 19.3.2012 (wegen der Vereinbarung mit der Z-GmbH vom 10.01.2011/15.01.2011) und am 2.5.2012 (wegen der auf ihn als Bürgen übergegangenen Darlehensforderung der A Bank gegen die Z GmbH) jeweils Forderungen zur Insolvenztabelle an.
Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung des vom Kläger geltend gemachten Verlusts bei den dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 des EStG unterliegenden Kapitalerträgen ab.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg (FG Nürnberg, Urteil v. 18.11.2021 - 4 K 519/18).
Die Richter des BFH hoben das Urteil auf und wiesen die nicht spruchreife Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück:
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Auch eine Bürgschaftsregressforderung gehört zu den sonstigen Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, deren Ausfall gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG zu einem steuerbaren Verlust führen kann (BFH, Urteil v. 20.6.2023 - IX R 2/22, ausführlich hierzu hierzu Deutschländer, NWB 41/2023 S. 2829).
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Das FG hat jedoch der Prüfung, ob die Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers für einen Ausfallverlust der Bürgschaftsregressforderung bestanden hat, in mehrfacher Hinsicht unzutreffende Kriterien zugrunde gelegt.
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Für die Einkünfte aus Kapitalvermögen, welche dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterfallen, bedingen die Besonderheiten der Einkünfteermittlung eine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht. Dies entspricht der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des BFH (u.a. BFH, Urteil v. 14.3.2017 - VIII R 38/15, BStBl II 2017, 1040).
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Ob die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht widerlegt ist, ist für Bürgschaftsregressforderungen im Zeitpunkt der Hingabe der Bürgschaft zu beur-teilen (BFH, Urteil v. 20.6.2023 - IX R 2/22, Rz 31; Jachmann-Michel, BB 2018, 2329, 2330 f.).
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Die widerlegbare Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht greift anders als das FG meint auch für eine unentgeltlich übernommene Bürgschaft grundsätzlich ein.
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Die Vermutung ist bei einer Bürgschaftsübernahme unter fremden Dritten erst bei Fehlen jeglichen wirtschaftlichen Hintergrunds für die Hingabe der Bürgschaft widerlegt.
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Das FG wird im zweiten Rechtsgang nochmals zu prüfen haben, ob die Einkünfteerzielungsabsicht im Zeitpunkt der Bürgschaftshingabe fehlte, weil die hierfür eingreifende Vermutung ausnahmsweise mangels eines erkennbaren wirtschaftlichen Hintergrunds widerlegt ist.
Quelle: BFH, Urteil v. 1.7.2025 - VIII R 3/23; NWB Datenbank (il)
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VIII. Senat des BFH Dr. Christian Levedag gelangen Sie hier (Login erforderlich).