Online-Nachricht - Donnerstag, 25.09.2025
Grunderwerbsteuer | Steuerbefreiung nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG bei fehlender Steuerbarkeit des vorausgegangenen Erwerbs (BFH)
Der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auf eine nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG steuerbare Anteilsvereinigung steht nicht entgegen, dass der vorausgegangene Erwerb der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft nicht steuerbar war (BFH, Urteil v. 7.5.2025 - II R 16/23; veröffentlicht am 25.9.2025).
Hintergrund: Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die Vertragsbedingungen des Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet hat, nicht erfüllt werden und das Rechtsgeschäft deshalb auf Grund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird.
Nach § 16 Abs. 5 GrEStG gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 nicht, wenn einer der in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20 GrEStG) war.
Sachverhalt: Der Kläger war Alleingesellschafter einer grundbesitzenden GmbH. Im Jahr 2016 übertrug er einen Geschäftsanteil in Höhe von 49 % des Stammkapitals der GmbH unentgeltlich an seinen Sohn. Der zugrundeliegende Vertrag enthielt u.a. die Regelung, dass der Schenker (hier: der Kläger) die überlassenen Gesellschaftsanteile widerrufen und die Rückübertragung auf sich verlangen kann, wenn der Beschenkte während der Lebenszeit des Schenkers ohne Hinterlassung eigener leiblicher Abkömmlinge stirbt. Der Sohn des Klägers starb im Jahr 2018 unverheiratet und hinterließ keine leiblichen Abkömmlinge. Daraufhin widerrief der Kläger im Jahr 2018 unter Hinweis auf die Regelungen im Vertrag mit einem an seine Ehefrau gerichteten Schreiben die Schenkung. Das Finanzamt (FA) setzte gegenüber dem Kläger Grunderwerbsteuer fest, nachdem es über den Widerruf der Schenkung Kenntnis erlangte. Nach Auffassung des FA führte der Widerruf der Schenkung zu einer im Jahr 2018 verwirklichten Anteilsvereinigung, die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG in der im Streitjahr geltenden Fassung der Besteuerung unterlag.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg (FG Münster, Urteil v. 11.5.2023 - 8 K 998/21 GrE).
Mit der Revision vertrat das FA die Ansicht, die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG seien nicht erfüllt. Grunderwerbsteuerrechtlich sei kein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht worden, denn der Erwerb des Sohnes (Ersterwerb) sei nicht steuerbar gewesen.
Die Richter des BFH wiesen die Revision des FA als unbegründet zurück:
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Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Grunderwerbsteuer für die Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht festzusetzen ist. § 16 Abs. 5 GrEStG steht dem nicht entgegen.
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Der Widerruf der Schenkung führt zu einer (Wieder)Vereinigung aller Anteile an der GmbH in der Hand des Klägers. Diese Anteilsvereinigung unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer.
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Auch ein Widerruf als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung kann ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sein, wenn das Recht zum Widerruf in einem schuldrechtlichen Geschäft - zum Beispiel einer vertraglichen Vereinbarung - angelegt ist. Der Widerruf als Gestaltungsgeschäft begründet zwar selbst kein Schuldverhältnis, er ändert aber den Inhalt eines bereits bestehenden Schuldverhältnisses (vgl. BFH, Urteil v. 4.3.2020 - II R 2/17, BFHE 270, 240, BStBl II 2020, 511, Rz 14; s. hierzu Intermann, Online-Beitrag v. 20.7.2020).
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§ 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG betrifft über ihren Wortlaut hinaus auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG. Dies folgt aus § 16 Abs. 5 GrEStG, wonach § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht gilt, wenn einer der in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt war.
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Wie das FG zu Recht entschieden hat, setzt die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auf die (erneute) Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG die Steuerbarkeit der ursprünglichen Anteilsübertragung nicht voraus.
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Aus der Formulierung des Gesetzes lässt sich nicht schließen, dass § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auch in den Fällen der Rückgängigmachung eines in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgangs die Rechtsfolge der Steuerbefreiung davon abhängig macht, dass dem Rückerwerb ein steuerbarer Erwerbsvorgang vorausgegangen sein muss. Vielmehr macht die Regelung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG deutlich, dass für den Erwerb und den Rückerwerb insgesamt keine Steuer festgesetzt werden soll.
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§ 16 Abs. 5 GrEStG steht der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht entgegen. Die Vorschrift schließt den Anspruch auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer allerdings nur dann aus, wenn der Ersterwerb nach § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG trotz Anzeigepflicht nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt war, nicht aber dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Anzeige der schenkweisen Übertragung der Anteile beim Ersterwerb mangels Steuerbarkeit nicht erforderlich ist.
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Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend entschieden, dass der Besteuerung der steuerbaren Anteilsvereinigung ein Anspruch auf Nichtfestsetzung gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG entgegensteht.
Quelle: BFH, Urteil v. 7.5.2025 - II R 16/23; NWB Datenbank (lb)
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