Online-Nachricht - Donnerstag, 16.10.2025
Einkommensteuer | Abzug ersparter Mietaufwendungen als agB (BFH)
Ersparte Mietaufwendungen, die beim Gesellschafter zu einer vGA führen, können insoweit als agB abgezogen werden, als sie behinderungsbedingten Mehraufwand darstellen (BFH, Urteil v. 17.6.2025 - VI R 15/23; veröffentlicht am 16.10.2025).
Hintergrund: Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Sachverhalt: Die Kläger sind verheiratet und werden in den Streitjahren 2011 bis 2014 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Für ihren gemeinsamen Sohn M beträgt der Grad der Behinderung 100. Der Kläger ist Geschäftsführer einer GmbH, an welcher er zu 94 % beteiligt ist. Die Kläger wohnen in einem bei der GmbH im Eigentum befindlichen und an den Kläger vermieteten Wohnhaus. Der Vermietung liegt ein Mietvertrag zugrunde, wonach die Miete 2.000 DM inklusive Nebenkosten betrug. Im Jahr 2009 ließ die GmbH auf eigene Kosten diverse auf die Behinderung von M abgestimmte Umbaumaßnahmen an dem Wohnhaus durchführen. Im September 2009 änderten der Kläger und die GmbH mit einer schriftlichen Vereinbarung den ursprünglichen Mietvertrag "aufgrund des behindertengerechten Umbaus" mit Wirkung ab dem 1.10.2009 dahingehend ab, dass die geregelte monatliche Miete inklusive Nebenkosten auf 2.250 € erhöht wurde. In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erklärten die Kläger unter anderem im Zusammenhang mit der Behinderung ihres Sohnes M außergewöhnliche Belastungen in Form einer "Mehrmiete" infolge des behindertengerechten Umbaus des Wohnhauses.
Das FA lehnte eine Berücksichtigung zunächst jeweils ab. Mit der erhobenen Klage begehrten die Kläger für das Streitjahr 2011 die Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen in Höhe von 7.370 € (behinderungsbedingte Mehrmiete). Für die Streitjahre 2012 bis 2014 begehrten sie zusätzliche außergewöhnliche Belastungen in Höhe von jeweils 14.370 € (behinderungsbedingte Mehrmiete und fiktive Aufwendungen in Höhe der vGA) sowie einen Ansatz der vGA in Höhe von jeweils 4.200 €.
Der Klage wurde teilweise stattgegeben (FG München, Urteil v. 27.10.2022 - 10 K 3292/18).
Die Richter der BFH hoben das FG-Urteil auf und wiesen die Sache betreffend die Einkommensteuer 2012 bis 2014 an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück:
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Ersparte Mietaufwendungen, die beim Gesellschafter zu einer vGA führen, können insoweit als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, als sie behinderungsbedingten Mehraufwand darstellen.
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Auch Mehraufwendungen für einen behindertengerechten Um- oder Neubau eines Hauses oder einer Wohnung können als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG abziehbar sein (vgl. u.a. Senatsurteil v. 17.7.2014 - VI R 42/13, BStBl II 2014 S. 931, Rz 10; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 17.9.2014 sowie Geserich, NWB 39/2014 S. 2904).
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Mehraufwendungen für die behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfelds erwachsen in der Regel zwangsläufig (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Denn eine Behinderung des Steuerpflichtigen oder eines Angehörigen begründet eine tatsächliche Zwangslage, die eine behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfelds unausweichlich macht.
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Dagegen sind Aufwendungen, die - wie die Größe des Grundstücks und die konkrete Gestaltung des Hauses, insbesondere dessen Wohnfläche - auf dem Geschmack, den Lebensgewohnheiten, den dem Steuerpflichtigen für den Bau zur Verfügung stehenden Mitteln und anderen selbstbestimmten Vorentscheidungen auch dann nicht zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige oder ein in seinem Haushalt lebender Angehöriger infolge einer Krankheit oder eines Unfalls in seiner bisherigen Wohnung beziehungsweise in seinem bisherigen Haus nicht wohnen bleiben kann. Dies gilt auch für solche Mehrkosten, die erforderlich sind, um die persönlichen Wohnvorstellungen behinderten- oder krankheitsgerecht zu verwirklichen.
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Vorliegend geht es indes um die - insoweit nicht vergleichbare - Anerkennung von Aufwendungen anlässlich einer behindertengerechten Ausgestalung des privaten Wohnumfelds. Diese hängen auch vom Geschmack, den Lebensgewohnheiten, den ihm für den Bau zur Verfügung stehenden Mitteln und anderen selbstbestimmten Vorentscheidungen des Steuerpflichtigen ab. Die Mehrkosten sind, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, auch nur insoweit abziehbar, als sie einen angemessenen Betrag nicht überschreiten (vgl. Senatsurteil v. 24.2.2011 - VI R 16/10, BStBl II 2011 S. 1012, Rz 16; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 13.4.2011 sowie Geserich NWB 18/2011 S. 1526).
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Ist der angemessene Betrag der behinderungsbedingten Mehraufwendungen im Einzelfall zu schätzen, ist auch zu berücksichtigen, dass regelmäßig nicht nur ein bestimmter Mehraufwand als angemessen angesehen werden kann, sondern der Bereich des Angemessenen sich auf eine gewisse Bandbreite von Beträgen erstreckt. Nicht mehr allein zwangsläufig infolge der durch Krankheit oder Behinderung notwendig gewordenen Umgestaltung des privaten Wohnumfelds und damit nicht mehr angemessen im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG sind dann nur diejenigen Beträge, die den oberen Rand dieser Bandbreite übersteigen.
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Das FG ist unzutreffend davon ausgegangen, dass ein anteiliger (fiktiver) Abzug der vGA als außergewöhnliche Belastung nicht in Betracht kommt.
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Durch die vGA wird durch die ersparten Aufwendungen insoweit ausnahmsweise (anteilig) abzugsfähiger Aufwand bedingt. Für außergewöhnliche Belastungen kann im Hinblick auf den einheitlichen Aufwendungsbegriff nichts anderes gelten als für Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben. Dabei sind die Aufwendungen in vollem Umfang abzugsfähig. § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG ist schon deshalb nicht anwendbar, weil es sich nicht um Betriebsausgaben oder Werbungskosten handelt.
Quelle: BFH, Urteil v. 17.6.2025 - VI R 15/23; NWB Datenbank (lb)
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