Online-Nachricht - Donnerstag, 16.10.2025

Umsatzsteuer | Steuerbefreiung für Unter­richts­leistun­gen selb­stän­diger Lehrer an allge­mein- und berufs­bilden­den Einrich­tungen (BFH)

Ein selbstän­diger Lehrer er­bringt eine unmit­tel­bar dem Schul- und Bil­dungs­zweck dienende Unter­richts­leistung an einer berufs­bilden­den Einrich­tung gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppel­buchst. bb UStG (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) steuer­frei, wenn dieser Leistung ein zum Ein­rich­tungs­träger be­stehen­des Rechts­ver­hältnis zugrunde liegt und er dabei die Schüler der Ein­rich­tung persön­lich unter­richtet (BFH, Urteil v. 15.5.2025 - V R 23/24; veröf­fent­licht am 16.10.2025).

Hintergrund: Nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppel­buchst. bb UStG sind die unmit­telbar dem Schul- und Bildungs­zweck dienenden Unter­richts­leistungen selbstän­diger Lehrer an privaten Schulen und anderen allgemein- oder berufs­bildenden Einrich­tungen, soweit diese die Voraus­setzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG erfüllen, von der Umsatz­steuer befreit. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG liegen insbe­sondere vor, wenn die zuständige Landes­behörde bescheinigt, dass die private Schule oder die andere allgemein- oder berufs­bildende Einrichtung auf einen Beruf oder eine vor einer juristi­schen Person des öffent­lichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungs­gemäß vorbereitet (§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG).

Sachverhalt: Die Klägerin war u.a. in den Streitjahren 2010 bis 2012 als selb­ständige Fahr­lehrerin für die Weiter­bildungs­einrichtung G tätig.

Die Weiterbildungs­einrich­tung G war laut Beschei­nigung der zuständigen Landes­behörde eine in den Streit­jahren anerkannte Bildungs­einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppel­buchst. bb UStG für Lehrgangs­veranstal­tungen zur beruflichen Aus- und Weiter­bildung/Fortbildung und Umschulung als Fahrschule und Fahrlehrer­ausbil­dungs­stätte. Sie führte Maßnahmen der beruflichen Weiter­bildung zum Erwerb von Fahrerlaubnissen der Führer­schein­klassen C und D ("LKW- und Bus-Führerschein") durch, die von der Bundes­agentur für Arbeit nach dem SGB III gefördert wurden.

Den Schülern der Weiterbildungseinrichtung G erteilte die Klägerin prakt­ischen Fahrunter­richt für den Erwerb der Führer­schein­klasse B ("PKW-Führer­schein"), der notwendige Voraus­setzung für den Erwerb der Führer­schein­klassen C und D ist. Vertrag­liche Beziehungen bestanden aus­schließ­lich zwischen den Fahr­schülern und der Weiter­bildungs­einrichtung G.

Das FA behandelte die Umsätze der Klägerin aus der Fahr­lehrer­tätigkeit für die Weiter­bildungs­einrichtung G als steuer­pflichtig. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg. Die Richter vertraten die Auffassung, dass die Klägerin als freie Fahrlehrerin durch den an die Weiter­bildungs­einrichtung G geleisteten praktischen Fahrunter­richt keine unmit­telbar dem Schul- und Bildungs­zweck dienende Unter­richts­leistung im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG erbracht habe (Thüringer FG, Urteil v. 23.5.2023 2 K 23/21).

Dem folgten die Richter des BFH nicht und gaben der hiergegen gerich­teten Revision statt:

  • Unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Vorgaben hat das FG den Begriff der Unmittelbarkeit rechtsfehlerhaft ausgelegt.

  • Der von der Klägerin persönlich erteilte, praktische Fahrunter­richt kam den Fahrschülern der Weiter­bildungs­einrichtung G unmit­telbar zugute und hat die berufliche Weiter­bildung dieser Fahrschüler im arbeits­teiligen Zusammen­wirken mit der Weiter­bildungs­einrichtung G ermöglicht und ergänzt.

  • Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin separate, von dem Schul- und Bildungs­zweck zu trennende Leistungen an die Weiter­bildungs­einrichtung G als umsatz­steuer­recht­licher Leistungs­empfänger erbracht hat.

  • Für die Unmittelbarkeit im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG ist auch nicht entscheidend, wer Leistungs­empfänger und zivil­rechtlicher Vertrags­partner des Lehrers ist.

  • Die Klägerin hat weiter als selbständige Lehrerin Unterricht an einer berufs­bildenden Einrich­tung erbracht, da der Weiter­bildungs­einrichtung G die nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppel­buchst. bb UStG erforderlichen Beschei­nigungen vorlagen.

  • Der praktische Fahrunterricht diente außerdem den Schul- und Bildungs­zwecken an einer Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppel­buchst. bb UStG.

  • Unerheblich ist, dass der Fahrunterricht für die Führerscheinklasse B grund­sätzlich einen speziali­sierten Unter­richt darstellt, der für sich allein nicht die einen Schul- und Hoch­schul­unter­richt kenn­zeichnende Vermitt­lung, Vertiefung und Entwicklung von Kennt­nissen und Fähig­keiten in Bezug auf ein breites und vielfäl­tiges Spektrum von Stoffen umfasst (vgl. zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL EuGH, Urteil v. 14.3.2019 - C-449/17 "A & G Fahrschul-Akademie", Leitsatz und Rz 29).

  • § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG gilt nicht nur für den von selb­ständigen Lehrern erteilten Schul- und Hoch­schul­unter­richt, sondern auch - wie im Streitfall - für den an berufs­bildenden Einrichtungen erbrachten Unter­richt, der auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffent­lichen Rechts abzu­legende Prüfung ordnungs­gemäß vorbereitet (§ 4 Nr. 21 Buchst. b Doppel­buchst. bb i.V.m. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG; vgl. auch die Gesetzes­begründung zur Neufassung des § 4 Nr. 21 UStG im StEntlG 1999/2000/2002, BT-Drucks 14/443, S. 38).

Quelle: BFH, Urteil v. 15.5.2025 - V R 23/24; NWB Datenbank (il)

 
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