Online-Nachricht - Donnerstag, 23.10.2025
Einkommensteuer | Keine Sonderabschreibung für neue Mietwohnung bei Abriss und Neubau (BFH)
Eine "neue, bisher nicht vorhandene" Wohnung i. S. von § 7b Abs. 2 Nr. 1 EStG in der Fassung des Streitjahres (2020) liegt nicht vor, wenn die durch eine Baumaßnahme geschaffene Wohnung zwar "neu" im sprachlichen Sinne ist, hierdurch aber der zuvor vorhandene Bestand an Wohnungen auf dem Grundstück nicht vermehrt wurde (BFH, Urteil v. 12.8.2025 - IX R 24/24; veröffentlicht am 23.10.2025).
Hintergrund: Nach § 7b Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr 2020 geltenden Fassung können für die Anschaffung oder Herstellung neuer Wohnungen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union belegen sind, unter den in § 7b Abs. 2 bis 5 EStG genannten weiteren Voraussetzungen im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren Sonderabschreibungen bis zu jährlich 5 % der Bemessungsgrundlage neben den Abschreibungen nach § 7 Abs. 4 EStG in Anspruch genommen werden. Diese Begünstigung, die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG auch für die Überschusseinkunftsarten gilt, fordert insbesondere, dass durch die Baumaßnahmen "neue, bisher nicht vorhandene" Wohnungen geschaffen werden, die die Voraussetzungen von § 181 Abs. 9 BewG erfüllen (§ 7b Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG).
Sachverhalt: Die Kläger waren Eigentümer eines vermieteten Einfamilienhauses und entschieden sich gegen die aus ihrer Sicht unwirtschaftliche Sanierung des Gebäudes auf einen zukunftsfähigen Standard. Stattdessen ließen sie das alte Gebäude abreißen und errichteten im Streitjahr 2020 auf demselben Grundstück ein neues Einfamilienhaus. Den Ende 2020 fertiggestellten Neubau wollten sie wieder als Wohnraum vermieten. Die Kläger machten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die Herstellungskosten des neuen Gebäudes neben den regulären Abschreibungen eine Sonderabschreibung nach § 7b EStG als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt (FA) lehnte die Sonderabschreibung im Rahmen der Veranlagung ab, da kein neuer Wohnraum geschaffen, sondern bereits bestehender Wohnraum ersetzt worden sei.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg (FG Köln, Urteil v. 12.09.2024 - 1 K 2206/21; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 27.1.2025 und Borgmeier/Thiel, NWB 32/2025 S. 2184 sowie Rätke, BBK 5/2025 S. 195).
Die Richter des BFH wiesen die Revision der Kläger zurück:
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Das FG hat zutreffend die beanspruchte Sonderabschreibung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung versagt.
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Die Auslegung der Norm gebietet es, eine "neue, bisher nicht vorhandene" Wohnung i. S. von § 7b Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG nur anzunehmen, wenn durch die Baumaßnahme im Vergleich zum vorherigen Zustand ein zusätzlicher, das heißt vermehrter Wohnungsbestand geschaffen wurde. Ein im Zusammenhang mit dem Abriss einer bereits vorhandenen Wohnung errichteter Neubau, der lediglich an Stelle der abgerissenen Wohnung tritt, erfüllt diese Voraussetzung nicht (vgl. Kahle, StuB 10/2025 S. 361).
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Es ist mit dem Zweck der Norm und dem Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar, die steuerliche Förderung auch dann zu gewähren, wenn die geschaffene Wohnung zwar "neu" im sprachlichen Sinne ist, die Baumaßnahme aber den auf dem Grundstück zuvor vorhandenen Bestand an Wohnungen gem. § 181 Abs. 9 BewG nicht vermehrt hat.
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Das Gesetz knüpft an die von der seinerzeitigen Bundesregierung verfolgte "Wohnraumoffensive" an, mit der 1,5 Mio. neue Wohnungen zusätzlich gebaut werden sollten. Ziel des Gesetzgebers war es, steuerliche Anreize für den zu verstärkenden Mietwohnungsneubau im bezahlbaren Mietsegment zu schaffen und damit dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum für Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen sowie steigender Mieten entgegenzuwirken (vgl. BT-Drucks. 19/4949 S. 9, 12). Diese Zielsetzung belegt, dass die steuerlich zu fördernde Baumaßnahme dazu beitragen muss, den Wohnungsbestand zu vermehren und nicht nur zu ersetzen.
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Gemessen am Ziel des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers muss der Neubau einer Wohnimmobilie, der Aus- oder Umbau bestehender Gebäudeflächen sowie die Aufstockung oder der Anbau (vgl. hierzu BMF, Schreiben v. 21.5.2025, BStBl I 2025 S. 1419 Rz 26; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 21.5.2025) den vor der Baumaßnahme vorhandenen Wohnungsbestand vermehrt haben.
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Ausnahmsweise kann der einem Abriss einer Wohnung nachfolgende Neubau dann eine Begünstigung nach § 7b EStG auslösen, wenn beide Maßnahmen nicht in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen. Voraussetzung hierfür ist, dass sich der Wegfall der Voraussetzungen, die nach § 181 Abs. 9 BewG an die (vorherige) Wohnung zu stellen sind, bereits soweit verfestigt hat, dass Abriss und Neubau nicht mehr als von einem Gesamtplan des Steuerpflichtigen getragene Einheit wirken.
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Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin keine bisher nicht vorhandene Wohnung im Sinne des § 7b Abs. 2 Nr. 1 EStG geschaffen, sondern mit der Errichtung des neuen Einfamilienhauses lediglich eine bereits vorhandene Wohnung ersetzt. Der nach Auszug der Mieter und nachfolgendem Abriss vorliegende Wegfall der Wohnung hatte sich nicht verfestigt, denn beim Abriss und Neubau handelte es um eine einheitliche Maßnahme, die lediglich zu einer kurzfristigen und notwendigen Unterbrechung der Wohnraumnutzung geführt hat.
Quelle: BFH, Pressemitteilung v. 23.10.2025 und BFH, Urteil v. 12.8.2025 - IX R 24/24; NWB Datenbank (lb)
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