Online-Nachricht - Donnerstag, 30.10.2025
Erbschaftsteuer | Keine Ersatzerbschaftsteuerpflicht einer im Inland nichtrechtsfähigen ausländischen Familienstiftung (BFH)
Eine in der Schweizerischen Eidgenossenschaft errichtete Familienstiftung mit Verwaltungssitz in Deutschland unterliegt als nichtrechtsfähige Stiftung in Deutschland nicht der Ersatzerbschaftsteuer (BFH, Urteil v. 4.6.2025 - II R 30/22; veröffentlicht am 30.10.2025).
Hintergrund: Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegt der Erbschaftsteuer in Zeitabständen von je 30 Jahren seit dem in § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bestimmten Zeitpunkt das Vermögen einer Stiftung, sofern sie wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist (Familienstiftung).
Sachverhalt: Streitig ist, ob eine Familienstiftung mit Sitz in der Schweiz und Geschäftsleitung in Deutschland der Ersatzerbschaftsteuer unterliegt: Die Klägerin ist eine Stiftung schweizerischen Rechts. Sie wurde im Jahr 1959 in der Schweiz als Familienstiftung im Sinne des schweizerischen Zivilgesetzbuches errichtet. Ihr Zweck ist die Bestreitung von Kosten der Erziehung, Ausstattung, Unterstützung oder ähnlicher Bedürfnisse der Abkömmlinge der Stifterin. Vertreten wird sie durch Mitglieder des Stiftungsrates, die seit Gründung der Stiftung in Deutschland ansässig sind.
Die Klägerin war der Ansicht, dass sie als in Deutschland nicht rechtsfähige Stiftung nicht der Ersatzerbschaftsteuer unterliegt. Das Finanzamt folgte dem nicht uns setzte Ersatzerbschaftsteuer fest. Es komme es nicht auf die Rechtsfähigkeit der Klägerin in Deutschland an. Eine Stiftung sei gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie die Geschäftsleitung oder den Sitz im Inland habe. Dies sei hier der Fall. Die Klägerin sei daher unabhängig von ihrem ausländischen Satzungssitz unbeschränkt steuerpflichtig.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil v. 29.6.2022 - 3 K 87/21, s. hierzu Lieber, IWB 21/2022 S. 835).
Die Richter des BFH hoben das Urteil auf und gaben der Klage statt:
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Die Klägerin ist als nichtrechtsfähige Stiftung keine Familienstiftung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG und unterliegt daher nicht der Ersatzerbschaftsteuer.
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Ob eine Stiftung als Familienstiftung anzusehen ist, ist anhand des vom Stifter verfolgten Zwecks der Stiftung zu beurteilen, wie er ihn objektiv erkennbar in der Satzung zum Ausdruck gebracht hat. Darüber hinaus setzt der Begriff der Familienstiftung eine rechtsfähige Stiftung voraus.
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Zwar spricht der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG lediglich von Stiftung und differenziert nicht zwischen der rechtsfähigen und der nichtrechtsfähigen Stiftung. Da der Ersatzerbschaftsteuer aber das Vermögen der Stiftung unterliegt, bezieht sich § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nur auf rechtsfähige Stiftungen und schließt solche ohne Rechtsfähigkeit nicht ein.
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Bei nach ausländischem Recht errichteten Stiftungen ist zur Beurteilung der Rechtsfähigkeit mangels gesetzlicher Regelungen zum Stiftungskollisionsrecht auf die Grundsätze des internationalen Gesellschaftsrechts zurückzugreifen (BGH, Urteil v. 8.9.2016 - III ZR 7/15).
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Danach kommt es für die Frage der Rechtsfähigkeit von Auslandsgesellschaften grundsätzlich auf das Recht des ausländischen Staates an, wenn die Gesellschaft Sitz und Geschäftsleitung im Ausland hat (vgl. z.B. BFH, Urteil v. 23.6.1992 - IX R 182/87, BStBl II 1992, 972, unter II.2.).
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Für Gesellschaften, die ihren statutarischen Sitz im Ausland haben, ihren tatsächlichen Verwaltungssitz jedoch von vornherein oder zu einem späteren Zeitpunkt nach Deutschland verlegen, ist zur Beurteilung der Rechtsfähigkeit auf deutsches Recht abzustellen (sog. Sitztheorie).
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Abweichend davon richtet sich die Frage der Rechtsfähigkeit nach der Rechts-ordnung des Gründungsstaates, wenn die Auslandsgesellschaft in einem Mitgliedstaat der EU, des EWR oder in einem mit diesen aufgrund eines Staatsvertrags in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit gleichgestellten Staat gegründet worden ist (sog. Gründungstheorie).
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Vorliegend hat das FG verkannt, dass nach den allgemeinen Regeln des internationalen Privatrechts die Rechtsfähigkeit einer in der Schweiz gegründeten Stiftung grundsätzlich nach dem Recht des Ortes zu beurteilen ist, in dem sie ihren Verwaltungssitz hat. Im Streitfall lag der Verwaltungssitz der Klägerin im Inland, da nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) die Mitglieder des Stiftungsrates als Geschäftsführungsorgane der Stiftung von Anfang an in Deutschland ansässig waren und die Verwaltung der Klägerin von Deutschland aus führten.
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Die Anwendung der Gründungstheorie kommt nicht in Betracht. Es bestehen - anders als im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der EU oder des EWR - keine völkerrechtlichen Verträge, nach denen eine Stiftung schweizerischen Rechts mit Verwaltungssitz in Deutschland nach dem Recht ihres Gründungsstaates zu behandeln wäre (vgl. hierzu Wachter, DB 2023, 17, 26; MüKoBGB/Weitemeyer, 10. Aufl., § 83a Rz 16, m.w.N.).
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Es gelten daher die allgemeinen Grundsätze zur Rechtsfähigkeit ausländischer Gesellschaften, auf die nicht die Grundsätze der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit anwendbar sind (vgl. BGH, Urteile v. 27.10.2008 - II ZR 158/06, DB 2008, 2825, unter I.1.b aa, und v. 8.9.2016 - III ZR 7/15, DB 2016, 2536, Rz 11).
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Nach dem danach anzuwendenden deutschen Recht ist die Klägerin als nichtrechtsfähige Stiftung zu behandeln. Die Rechtsfähigkeit der Klägerin nach deutschem Recht scheitert schon daran, dass im Streitfall eine nach Maßgabe von § 80 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Anerkennung nicht erfolgt ist.
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Entgegen der Auffassung des FG folgt auch aus der Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nicht, dass es für die Ersatzerbschaftsteuer auf die Rechtsfähigkeit der Klägerin nach schweizerischem Recht ankommt.
Quelle: BFH, Urteil v. 4.6.2025 - II R 30/22; NWB Datenbank (il)
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