Online-Nachricht - Donnerstag, 06.11.2025

Umsatzsteuer | Kosten­loser erst­maliger Zu­gang zum E-Abo einer Zei­tung in den Jahren 2009 bis 2012 (BFH)

Bei der Liefe­rung einer Zei­tung aus Papier (Print-Abo) und der Gewäh­rung von Zu­gang zu einem E-Paper der Zei­tung (E-Abo) han­delt es sich um selb­stän­dige Haupt­leistun­gen, da sie nicht un­trenn­bar sind, beide für den Kun­den einen eigen­stän­digen Zweck haben und das E-Paper nicht nur dazu dient, die Print­ausgabe der Zei­tung unter opti­malen Bedin­gungen zu lesen. In den Jahren 2009 bis 2012 war es noch gerecht­fertigt, dem Zugang zum E-Abo einen Anteil am Gesamt­ent­gelt von 0 € zuzu­weisen, wenn und solange sich anläss­lich der erst­maligen Gewäh­rung des Zugangs der Gesamt­preis für das Abon­ne­ment nicht erhöht hatte (BFH, Urteil v. 9.7.2025 - XI R 29/23; veröf­fent­licht am 6.11.2025).

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten u.a. um die Frage, ob die Zurver­fügung­stellung eines Zugangs zum Bezug von E-Paper für Print-Abon­nenten einer Zeit­schrift ohne gesondert vereinbartes Entgelt vor der Anwend­barkeit des mit Gesetz vom 12.12.2019 einge­führten ermäßigten Steuer­satzes auf E-Paper dem Regel­steuersatz unter­liegt: Die Klägerin, Organ­trägerin einer Verlags­gruppe, gab in den Streit­jahren 2009 bis 2012 zwei Zeitungen heraus (A-Zeitung und B-Zeitung). Dies erfolgte zunächst nur auf Papier, u.a. im Abon­nement (Print-Abo). Seit dem Jahr 2010 war daneben ein reines Abon­nement eines E-Papers (E-Abo) für 13,99 € pro Monat erhältlich. Print-Abon­nenten der A-Zeitung erhielten vom 1.1.2009 bis zum 28.2.2012 und Print-Abon­nenten der B-Zeitung vom 1.1.2010 bis mindestens zum 31.12.2012 die Möglichkeit, sich ohne Zuzahlung auch für das E-Paper zu registrieren, wobei nur ca. 15 % der Print-Abon­nenten diese Möglich­keit nutzten. Als ab dem 1.3.2012 die Inhaber eines Print-Abos der A-Zeitung für das zusätzliche E-Abo eine zusätzliche Zahlung (0,99 €) entrichten mussten, gingen die Registrierungen um über 95 % zurück. Bei der B-Zeitung begann die Zahlungspflicht erst nach den Streit­jahren. Die umsatz­steuer­recht­liche Beur­teilung seither ist nicht mehr streitig.

Die Klägerin wendete in den Streit­jahren auf ihre Leistungen an die Print-Abon­nenten, die keine Zuzahlungen für das E-Abo leisteten, den u.a. für Zeitungen vorge­sehenen ermäßigten Steuer­satz an. Sie nahm an, das zusätzliche, für Print-Abon­nenten kosten­lose E -Abo sei keine selbständige Leistung neben dem Print-Abo.

Das Finanzamt und das Finanz­gericht waren hingegen der Auffassung, dass das E-Abo eine selb­ständige Haupt­leistung sei, auf die – anders als heute – damals noch der Regel­steuersatz (19 %) anzu­wenden war (FG des Saarlandes, Urteil v. 22.8.2023 - 1 K 1270/21, s. hierzu hierzu Lüger , USt direkt digital 10/2024 S. 5). Der darauf entfal­lende Anteil am Gesamtentgelt betrage geschätzt 1,99 €.

Die Richter des BFH hoben das erst­instanz­liche Urteil auf und gaben der Klage statt:

  • Der Senat teilt die Auffassung des FG sowie des Öster­reichischen VwGH (Erkenntnis vom 22.11.2018 - Ra 2017/15/0091, Rz 25), dass es sich nach den inso­weit maß­geblichen Grundsätzen der EuGH-Recht­sprechung des EuGH (u.a. EuGH, Urteil v. 25.2.1999 - C-349/96 "CPP") und des BFH (vgl. dazu u.a. BFH, Urteil v. 14.11.2018 - XI R 16/17, BStBl II 2021, 461; sowie BFH, Urteil v. 17.7.2024 - XI R 8/21) bei der Lieferung der Zeitung und der Einräumung der Möglichkeit zum Abruf des E Papers um zwei selb­ständige Haupt­leistungen handelt.

  • Die Möglichkeit zum Abruf des E Papers ist keine bloße Neben­leistung, weil der Print-Abonnent, dem beide Ausgaben zur Verfügung stehen, nach seinen persönlichen Präfe­renzen sowie nach den Umständen des Einzelfalls wählt, welche Zeitung er liest, ohne dass einer der beiden Ausgaben eine Vorrang­stellung vor der anderen Ausgabe zukäme.

  • Dies schließt es aus anzunehmen, das E Paper habe für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern stelle nur das Mittel dar, um die Haupt­leistung des Leistungs­erbringers (Lesen des Print-Abos) unter optimalen Bedingun­gen in Anspruch zu nehmen. Vielmehr wird der Leser des E Papers im Regel­fall nicht auch noch die Zeitung auf Papier lesen. Das PDF der Zeitung dient nicht dazu, das Papierexemplar der Zeitung (unter optimalen Bedingun­gen) zu lesen.

  • Diese Beurteilung wird dadurch bestätigt, dass der Kunde im Einzelkauf die Wahl hat, entweder nur eine Papier-Zeitung oder nur ein E Paper oder eine Kombination hiervon als Abo zu erwerben. Jeder der Bestand­teile hat danach für ihn einen eigenen Zweck und ist daher keine Neben­leistung.

  • Hat der Leistungsempfänger die Möglichkeit, eine bestimmte Leistung in Anspruch zu nehmen, liegt - anders als die Klägerin meint - eine steuer­bare Leistung auch dann vor, wenn der Leistungs­empfänger sie nicht tat­sächlich in Anspruch nimmt (vgl. EuGH, Urteil v. 28.11.2024 - C-622/23 "rhtb"; BFH, Beschluss v. 10.1.2024 - XI R 11/23 (XI R 34/20), BStBl II 2024, 601; BFH, Urteil v. 13.11.2024 - XI R 5/23, BStBl II 2025, 469, Rz 39; alle m.w.N.). Ob ein (gegebenen­falls für das zusätzliche E-Abo registrier­ter) Print-Abonnent den Vorteil tatsächlich in Anspruch genommen hat, ist danach unerheblich, da die Klägerin zur Leistung an ihn bereit war.

  • Allerdings ist es in den Streitjahren aufgrund des damaligen Stands der Entwicklung im Verlagswesen – seinerzeit ausnahms­weise noch –zulässig, der Einräumung der Möglichkeit zur Nutzung der E-Paper einen Anteil am Entgelt von 0 € zuzuweisen.

  • Insoweit folgt der Senat der Auffassung des Öster­reichischen Verwal­tungs­gerichts­hofs (VwGH) für die vergleich­bare Rechtslage in Österreich. Es handelte sich aus damaliger Sicht um eine ohne Aufpreis einge­räumte Nutzungs­möglich­keit ohne nennens­werten Aufwand.

  • Nur ca. 15 % der Nutzer haben sich für den Bezug des E-Papers registriert und 95 % dieser Nutzer die Nutzung nach Einführung eines zusätz­lichen Entgelts wieder beendet.

  • Diese Kunden haben vor, während und nach der Einführung der zusätzlichen Mög­lichkeit zur Nutzung der E-Paper denselben Betrag für ihr Print-Abo gezahlt und die Klägerin denselben Betrag hierfür erhalten.

  • Die Schätzung der Klägerin, der Entgelt­anteil des E-Abo habe damals 0 € betragen, ist folglich ausnahms­weise nicht zu beanstanden.

Hinweis: Heute stellt sich die Proble­matik im Zeitungs­bereich so nicht mehr, weil auch das E-Abo nach § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG dem ermäßigten Steuersatz unter­liegt und es deutlich stärker genutzt wird, was aus heutiger Sicht die Wert­haltigkeit des verbrauchs­fähigen Vorteils der Kunden zeigt. Für andere Unter­nehmer, die ihre Leistungen (vermeint­lich) kostenlos (gegen frei­willige Zahlungen oder gegen Über­lassung der - für die Unter­nehmer wert­haltigen - Nutzer­daten) erbringen, ist die Frage allerdings hochaktuell. Der BFH hat deshalb in seinem Urteil klar zum Ausdruck gebracht, dass er sich zu solchen Modellen nicht geäußert hat. Deren Beur­teilung bleibt späteren Ent­scheidungen vorbe­halten.

Quelle: BFH, Urteil v. 9.7.2025 - XI R 29/23; veröffentlicht am 6.11.2025 (il)

 
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