Online-Nachricht - Donnerstag, 13.11.2025
Übergewinnsteuer | Aufhebung der Vollziehung eines EU-Energiekrisenbeitrags (BFH)
Im Hinblick auf eine etwaige Verletzung des Unionsrechts bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angemeldeten und mit dem Einspruch angefochtenen EU-Energiekrisenbeitrags, die eine Aufhebung der Vollziehung rechtfertigen (BFH, Beschluss v. 27.10.2025 - II B 5/25 (AdV); veröffenlicht am 13.11.2025).
Hintergrund: Der Energiekrisenbeitrag (sog. Übergewinnsteuer) wurde in Deutschland mit dem EU-Energiekrisenbeitragsgesetz als Bestandteil des JStG 2022 rückwirkend eingeführt. Das EU-Energiekrisenbeitragsgesetz basiert wiederum auf der EU-Verordnung 2022/1854 v. 6.10.2022, die vom Rat der Europäischen Union als Notfallmaßnahme und in Reaktion auf die hohen Energiepreise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine erlassen wurde. Ziel der Verordnung ist es, Unternehmen im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich, die durch die Energiekrise unerwartet hohe Gewinne erzielt haben, zu einem befristeten Solidaritätsbeitrag heranzuziehen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Endkunden abzumildern.
Sachverhalt: Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft. Für das Jahr 2022 meldete sie am 27.5.2024 nach § 7 Abs. 1 EU-EnergieKBG einen EU-Energiekrisenbeitrag in Höhe von … € an. Der Ermittlung der Bemessungsgrundlage liegen von der Antragstellerin erzielte steuerliche Gewinne für den Besteuerungszeitraum 2022 (§ 3 Abs. 2 EU EnergieKBG) zugrunde.
Der angemeldete Betrag wurde in voller Höhe an das BZSt entrichtet. Am 29.5.2024 legte die Antragstellerin gegen die nach § 168 AO als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Steueranmeldung Einspruch ein und beantragte zugleich die Aufhebung der Vollziehung (AdV). Sie vertrat die Auffassung, dass die der Steueranmeldung zugrunde liegenden Regelungen weder mit dem Unionsrecht noch mit dem nationalen Verfassungsrecht vereinbar seien.
Das BZSt wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 6.8.2024 als unbegründet zurück und lehnte zugleich den Antrag auf Gewährung der AdV ab.
Das FG der ersten Instanz setzte die Vollziehung der Steueranmeldung aus (FG Köln, Beschluss v. 20.12.2024 - 2 V 1597/24, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 27.1.2025).
Die Richter des BFH wiesen die hiergegen gerichtete Beschwerde des BZSt zurück:
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Zur Frage, ob die dem EU-Energiekrisenbeitragsgesetz zugrunde liegende Verordnung (EU) 2022/1854 mit Unionsrecht vereinbar ist, sind derzeit mehrere Vorabentscheidungsersuchen diverser Länder beim EuGH anhängig (Belgien, Irland sowie Rumänien, EuGH-Az. C-358/24, C-533/24 sowie C-251/24).
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Auch im Schrifttum ist umstritten, ob die dem EU-Energiekrisenbeitragsgesetz zugrunde liegende Verordnung (EU) 2022/1854 überhaupt auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage beruht.
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Der Senat teilt die vom FG in seinem AdV-Beschluss und in der Literatur ge-äußerten unionsrechtlichen Zweifel.
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Zum einen ist zweifelhaft, ob die dem EU-Energiekrisenbeitragsgesetz zugrunde liegende Verordnung (EU) 2022/1854 unionsrechtskonform erlassen wurde.
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Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob die einzelnen Vorschriften des EU-Energiekrisenbeitragsgesetzes gegen unionsrechtliche Vorschriften, insbesondere Art. 16, 17, 20 und 21 EUGrdRCh verstoßen. Die bereits anhängigen Vorabentscheidungsersuchen betreffen u.a. auch die Anwendung dieser Normen auf die jeweiligen nationalen Umsetzungsgesetze. Das deutsche EU-Energiekrisenbeitragsgesetz enthält ähnliche bis gleichlautende Vorschriften.
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Alle dargestellten unionsrechtlichen Zweifelsfragen sind derzeit nicht geklärt und Gegenstand unterschiedlicher Verfahren beim EuGH und EuG.
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Im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens wäre im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH auch für das deutsche EU-Energiekrisenbeitragsgesetz zu klären, ob die dem Gesetz zugrunde liegende Verordnung (EU) 2022/1854 formell unionsrechtskonform erlassen wurde und - falls ja - ob die einzelnen Regelungen des Gesetzes materiell-rechtlich unionsrechtskonform sind.
Dies begründet ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO.
Quelle: BFH, Beschluss v. 27.10.2025 - II B 5/25 (AdV); NWB Datenbank (il)
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