Online-Nachricht - Donnerstag, 13.11.2025
Einkommensteuer | Besteuerung deutscher Rentner in Portugal - Status des "residente não habitual" im DBA-Portugal (BFH)
Rentenzahlungen, die ein früherer Freiberufler aus einem berufsständischen Versorgungswerk erhält, fallen unter die Auffangklausel des Art. 22 DBA-Portugal und sind insbesondere nicht als Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Art. 14 DBA-Portugal) anzusehen. Die in Art. 22 Abs. 1 Satz 2 DBA-Portugal enthaltene Rückfallklausel (Subject-to-tax-Klausel) ist dahingehend auszulegen, dass das Besteuerungsrecht für aus Deutschland gezahlte Renten, das grundsätzlich beim Ansässigkeitsstaat (hier: Portugal) liegt, an Deutschland zurückfällt, wenn es sich beim Steuerpflichtigen um eine neu nach Portugal zugezogene Person handelt, die dort aufgrund eines vor dem 1.4.2020 bei der portugiesischen Steuerverwaltung gestellten Antrags den Status eines "residente não habitual" hat und mit ihren Renteneinkünften in den ersten zehn Jahren steuerfrei gestellt wird (BFH, Urteil v. 3.9.2025 - X R 1/24; veröffentlicht am 13.11.2025).
Hintergrund: Gemäß Art. 22 Abs. 1 Satz 1 DBA-Portugal können Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, die in den vorstehenden Artikeln des DBA nicht behandelt wurden, ohne Rücksicht auf ihre Herkunft nur in diesem Staat besteuert werden. Die Rückfallklausel (Subject-to-tax-Klausel) des Art. 22 Abs. 1 Satz 2 DBA-Portugal ermöglicht die Aufrechthaltung des deutschen Besteuerungsrechts. Nach dieser Regelung können Einkünfte, die von der Auffangvorschrift des Art. 22 Abs. 1 Satz 1 DBA-Portugal erfasst, also nicht in anderen Artikeln des DBA-Portugal behandelt werden und für die daher grundsätzlich nur der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht hat, im anderen Vertragsstaat besteuert werden, wenn sie im Ansässigkeitsstaat nicht der Steuer unterliegen.
Sachverhalt: Der Kläger verlegte nach Beendigung seiner Anwaltsberufstätigkeit seinen Wohnsitz 2018 dauerhaft nach Portugal. Im Streit standen seine deutschen Bezüge von einem berufsständischen Versorgungswerk und einer Lebensversicherungsgesellschaft im Jahr 2019. Der Kläger legte für dieses Steuerjahr ein Zertifikat der portugiesischen Finanzehörde vor, wonach er als „residente não habitual" (nachfolgend: RNH-Status) anerkannt sei. Sämtliche Renteneinkünfte unterfielen nach dem Vortrag des Klägers Art. 18 DBA-Portugal. Das Besteuerungsrecht für seine Renteneinkünfte aus Zahlungen des Versorgungswerks und aus einer Lebensversicherung stehe ausschließlich Portugal zu; ausländische Renten und Pensionen würden aber effektiv mit 0 % versteuert. Die Handhabung des Sonderstatus sei allein Sache des ausländischen Fiskus.
Das FA unterwarf die Bezüge der deutschen Einkommensteuer und behandelte die vom Versorgungswerk geleisteten Zahlungen als Rente aus der Basisversorgung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG und unterwarf den gesetzlichen Besteuerungsanteil der Einkommensteuer. Die von der Lebensversicherung gezahlte Rente sah das FA als abgekürzte Leibrente an (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 5 EStG i. V. m. § 55 Abs. 2 EStDV) und legte der Besteuerung einen Ertragsanteil von 7 % zugrunde.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg (FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 5.11.2023 - 1 K 2026/22).
Die Richter des BFH wiesen die Revision des Klägers als unbegründet zurück:
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Der Kläger unterliegt mit seinen inländischen Einkünften der beschränkten Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 4 EStG in Deutschland. Zu den beschränkt steuerpflichtigen inländischen Einkünften gehören gem. § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG unter anderem sonstige Einkünfte i. S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG, die von den inländischen Rentenversicherungsträgern, der inländischen landwirtschaftlichen Alterskasse, den inländischen berufsständischen Versorgungseinrichtungen, den inländischen Versicherungsunternehmen oder sonstigen inländischen Zahlstellen gewährt werden. Die vom Kläger erhaltenen Bezüge zählen zu diesen Einkünften.
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Grundsätzlich liegt das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte gem. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 DBA-Portugal - die vom Kläger angeführten spezielleren Zuweisungsregeln der Art. 14 und 18 DBA-Portugal sind vorliegend nicht einschlägig - grundsätzlich nur bei Portugal.
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Weil die Renteneinkünfte des Klägers in Portugal jedoch nicht der Einkommensteuer unterliegen, können sie nach der Rückfallklausel des Art. 22 Abs. 1 Satz 2 DBA-Portugal in Deutschland besteuert werden.
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Rentenzahlungen, die ein früherer Freiberufler aus einem berufsständischen Versorgungswerk erhält, fallen unter die Auffangklausel des Art. 22 DBA-Portugal und sind insbesondere nicht als Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Art. 14 DBA-Portugal) anzusehen. Es ist eine abkommensautonome Auslegung der Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 DBA-Portugal hinsichtlich der Frage vorzunehmen, ob die Rentenzahlungen des Versorgungswerks noch als "Einkünfte aus einem freien Beruf" (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 DBA-Portugal) - hier als Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit eines Rechtsanwalts (Art. 14 Abs. 2 DBA-Portugal) - angesehen werden können. Die rechtlichen Beziehungen, die zwischen dem Kläger und dem Versorgungswerk bestehen, sind im Verhältnis zu den früheren Mandatsbeziehungen, die Grundlage für die damals erzielten Einkünfte aus der selbständigen Rechtsanwaltstätigkeit waren, eigenständig und unabhängig. Daher resultieren die Rentenzahlungen nicht mehr "aus" der selbständigen Rechtsanwaltstätigkeit, sondern aus einem eigenständigen Rechtsverhältnis.
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Die in Art. 22 Abs. 1 Satz 2 DBA-Portugal enthaltene Rückfallklausel (Subject-to-tax-Klausel) ist dahingehend auszulegen, dass das Besteuerungsrecht für aus Deutschland gezahlte Renten, das grundsätzlich beim Ansässigkeitsstaat (hier: Portugal) liegt, an Deutschland zurückfällt, wenn es sich beim Steuerpflichtigen um eine neu nach Portugal zugezogene Person handelt, die dort aufgrund eines vor dem 1.4.2020 bei der portugiesischen Steuerverwaltung gestellten Antrags den Status eines "residente não habitual" hat und mit ihren Renteneinkünften in den ersten zehn Jahren steuerfrei gestellt wird.
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Die Renteneinkünfte des Klägers, der den RNH-Status innehat, wurden in Portugal im vorliegenden Fall somit steuerfrei gestellt, sie unterliegen i. S. des Art. 22 Abs. 1 Satz 2 DBA-Portugal damit in Portugal nicht der Einkommensteuer, sodass sie in Deutschland besteuert werden können.
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Die in Art. 22 Abs. 1 Satz 2 DBA-Portugal enthaltenen Rückfallklausel ist mit dem Unionsrecht vereinbar.
Quelle: BFH, Urteil v. 3.9.2025 - X R 1/24; NWB Datenbank (lb)
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