Online-Nachricht - Donnerstag, 13.11.2025

Grunderwerbsteuer | Zweimalige Fest­setzung für den Er­werb von Gesell­schafts­ante­ilen beim Aus­ein­ander­fallen von sog. Signing und Closing (BFH)

Es ist recht­lich zweifel­haft, ob bei einem Erwerb von Antei­len an einer GmbH, bei dem das schuld­recht­liche Erwerbs­geschäft (Signing) und die Über­tragung der GmbH-An­teile (Closing) zeitlich aus­ein­ander­fallen, zwei­mal Grund­erwerb­steuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG und § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG fest­gesetzt werden kann, wenn dem Finanz­amt im Zeit­punkt der Fest­setzung der Grund­erwerb­steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG bekannt ist, dass die Über­tragung der GmbH-An­teile (Closing) bereits er­folgt ist (BFH, Beschluss v. 27.10.2025 - II B 47/25 (AdV); veröf­fent­licht am 13.1.2025).

Sachverhalt: Die Antrag­stellerin begehrt die Aussetzung der Voll­ziehung eines Grund­erwerb­steuer­bescheids des Finanzamts wegen der „doppelten“ Festsetzung von Grund­erwerbsteuer beim Erwerb von mittler­weile mindestens 90 % (früher 95 %) der Anteile an grund­besitzenden Gesell­schaften bei zeitlichem Auseinanderfallen von „Signing“ und „Closing“ der Transaktion und dies­bezüglich fehlerhafter Anzeige der Beteiligten: Die Antrag­stellerin erwarb im Jahr 2023 sämtliche Anteile an der Z GmbH (GmbH). Die GmbH war Eigentümerin des Grundstücks in A, X-Straße …. Im notariellen Vertrag gaben die Beteiligten den Wert des Grundstücks mit … € an.

Die Abtretung der GmbH-Anteile auf die Antragstellerin (sog. Closing) erfolgte nach vollständiger Kaufpreis­zahlung am …2023. Den Kaufvertrag zeigte der beur­kundende Notar am …2023 beim Finanzamt an. Eine Anzeige des Übergangs der GmbH-Anteile auf die Antrag­stellerin am …2023 erfolgte nicht.

Mit Schreiben v. 14.1.2025 teilte die steuerlich vertretene GmbH dem FA mit, dass die vollständige Kaufpreis­zahlung als Bedingung für die Abtretung der GmbH-Anteile am …2023 erfolgt sei.

Das FA setzte daraufhin jeweils mit Bescheiden vom 29.1.2025 zweimal Grunderwerb­steuer fest, nämlich zum einen gegen­über der Antrag­stellerin wegen des Anspruchs auf Übertragung sämtlicher Anteile an der GmbH aufgrund des Vertrags vom …2023 gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG und zum anderen gegen­über der GmbH aufgrund des Wechsels im Gesell­schafter­bestand am …2023 gemäß § 1 Abs. 2b GrEStG.

Die Antragstellerin legte gegen den ihr gegen­über ergangenen Bescheid vom 29.1.2025 Einspruch ein, über den bislang noch nicht ent­schieden worden ist. Einen Antrag auf AdV lehnten sowohl das FA als auch das Finanz­gericht (FG) ab (FG Baden-Württem­berg, Beschluss v. 16.5.2025 - 5 V 846/25, s. hierzu Demuth/Wacker, NWB EV 9/2025 S. 278).

Die Richter des BFH dagegen gaben dem Antrag auf AdV statt:

  • Wie der Senat bereits mit Beschluss v. 9.7.2025 - II B 13/25 (AdV) entschieden hat, ist es ernstlich zweifel­haft im Sinne des § 69 FGO, ob bei einem Erwerb von Anteilen an einer GmbH, bei dem das schuld­recht­liche Erwerbs­geschäft (Signing) und die Über­tragung der GmbH-Anteile (Closing) zeitlich ausein­ander­fallen, zweimal Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b und § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG fest­gesetzt werden darf, wenn dem Finanzamt im Zeitpunkt der Festsetzung der Grund­erwerb­steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bekannt ist, dass die Übertragung der GmbH-Anteile (Closing) bereits stattgefunden hat (s. hierzu Eisenreich, NWB 34/2025 S. 2312, Demuth/Wacker, NWB EV 10/2025 S. 313 sowie unsere Online-Nachricht v. 31.7.2025).

  • Die ernstlichen Zweifel ergeben sich insbesondere daraus, dass nach dem Einleitungs­satz des § 1 Abs. 3 GrEStG eine Besteuerung nach dieser Vorschrift nur erfolgen soll, "soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt".

  • Soweit die Finanzverwaltung davon ausgeht, dass ein Vorrang des Tatbestands des § 1 Abs. 2b GrEStG gegenüber einer Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG nur besteht, soweit die Verwirklichung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 oder 4 GrEStG gleichzeitig erfolgt (vgl. Gleich lautende Erlasse der obersten Finanz­behörden der Länder zur Anwendung des § 1 Absatz 3 des Grund­erwerb­steuer­gesetzes vom 5.3.2024, BStBl I 2024, 383, Rz 30), lässt sich dies dem Wortlaut des Einleitungs­satzes des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht entnehmen.

  • Die Einfügung des § 16 Abs. 4a, 5 GrEStG durch das JStG 2022 v. 16.12.2022 (BGBl I 2022, 2294, BStBl I 2023, 7) hat den im Einleitungs­satz normierten Vorrang nicht beseitigt.

  • Denn soweit in der Gesetzes­begründung ausgeführt wird, dass der Anwen­dungs­vorrang des § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG nicht gelten solle, wenn der Abschluss des Rechtsgeschäfts und die Anteilsübertragung zeitlich auseinanderfallen, hat dies im Gesetzeswortlaut des Einleitungssatzes des § 1 Abs. 3 GrEStG keinen Ausdruck gefunden.

  • Wegen der weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Aus­führungen im Beschluss v. 9.7.2025 - II B 13/25 (AdV) (zur amtlichen Veröf­fent­lichung bestimmt, BFH/NV 2025, 1388) Bezug genommen.

  • An dieser Beurteilung hält der Senat bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage im vor­liegenden Verfahren fest.

Quelle: BFH, Beschluss v. 27.10.2025 - II B 47/25 (AdV); NWB Datenbank (il)

 
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