Online-Nachricht - Donnerstag, 27.11.2025

Schenkungsteuer/Verfahrens­recht | Anlauf­hem­mung bei Abgabe einer Schenkung­steuer­erklärung nach Anzeige­erstat­tung (BFH)

Verlangt das Finanz­amt nach einer Anzeige des Steuer­pflich­tigen gem. § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG die Abgabe einer Schen­kung­steuer­erklä­rung, endet die Anlauf­hem­mung gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO erst mit Ablauf des Kalender­jahres, in dem die Steuer­erklä­rung einge­reicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalender­jahres nach dem Jahr der Steuer­ent­stehung (Bestäti­gung des BFH-Urteils v. 27.8.2008 - II R 36/06) (BFH, Urteil v. 27.8.2025 - II R 1/23; veröf­fent­licht am 27.11.2025).

Hintergrund: Eine Steuerfest­setzung sowie ihre Auf­hebung und Änderung sind nicht mehr zuläs­sig, wenn die Fest­setzungs­frist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Fest­setzungs­frist beträgt für die Schenkungsteuer regelmäßig vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Sie beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalender­jahres, in dem die Steuer ent­standen ist (§ 170 Abs. 1 Alternative 1 AO). Abweichend von § 170 Abs. 1 AO beginnt gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO die Festsetzungsfrist dann, wenn eine Steuer­erklärung oder eine Steuer­anmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalender­jahres, in dem die Erklärung, die Anmeldung oder die Anzeige einge­reicht beziehungs­weise erstattet wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalender­jahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.

Sachverhalt: Der Kläger erhielt von seiner Mutter im Juli 2014 einen Geldbetrag von 4 Mio. € mit der Maßgabe, dieses Geld als Eigen­kapital in eine GmbH – dessen Allein­gesell­schafter der Kläger war – einzubringen und über die GmbH ein bebautes Grundstück zu erwerben (soge­nannte mittel­bare Grund­stücks­schenkung) und setzte die Vorgaben der Mutter um. Im Anschluss erwarb die GmbH im Jahr 2014 ein ent­sprechendes Grundstück. Unstreitig gehen die Beteiligten davon aus, dass die mittelbare Grund­stücks­schenkung der Mutter erst mit Zahlung des Kaufpreises durch die GmbH am 31.12.2014 ausgeführt wurde, weil der Kläger vertraglich erst nach Zahlung des Kauf­preises berechtigt war, die Eigentumsumschreibung verlangen zu dürfen. Bereits mit Schreiben vom 16.12.2014 (also vor Kaufpreis­zahlung) zeigte der Kläger die Schenkung gegenüber dem zuständigen Finanzamt an. Die auf die Anzeige nach § 30 ErbStG hin vom Finanzamt bereits am 5.1.2015 angeforderte Schenkung­steuer­erklärung reichte der Kläger am 26.2.2015 ein.

Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 12.11.2019 Schenkung­steuer i. H. von 315.042 € fest. Basierend auf der Grund­besitz­wert­ermittlung des Grundstücks seitens des Betriebs­finanz­amtes, erhöhte das Finanzamt mit nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid vom 8.1.2020 die Schenkungsteuer auf 460.107 €.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG Münster, Urteil v. 24.11.2022 - 3 K 3384/20 Erb; s. hierzu Demuth/Braun, NWB EV 3/2023 S. 97Rätke, BBK online). Der Kläger vertrat die Auffassung, dass aufgrund der im Jahr 2014 erfolgten Anzeige der Schenkung bei Erlass des Bescheids vom 12.11.2019 bereits Fest­setzungs­verjährung eingetreten war.

Die Richter des BFH wiesen die Revision des Klägers als unbegründet zurück:

  • Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Fest­setzungs­frist bei Erlass der ange­fochtenen Schenkung­steuer­bescheide vom 12.11.2019 und 8.1.2020 noch nicht abgelaufen war.

  • Verlangt das Finanzamt nach einer Anzeige des Steuer­pflich­tigen gem. § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG die Abgabe einer Schenkung­steuer­erklärung, endet die Anlauf­hemmung gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO erst mit Ablauf des Kalender­jahres, in dem die Steuererklärung einge­reicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalender­jahres nach dem Jahr der Steuer­entstehung (Bestätigung des BFH-Urteils v. 27.8.2008 – II R 36/06, BFHE 222, 83, BStBl II 2009 S. 232; s. hierzu Gregier, NWB direkt 49/2008 S. 4).

  • Sofern das Finanzamt nach Erstattung der Anzeige zur Einreichung der Steuer­erklärung gem. § 31 Abs. 1 ErbStG auffordert, rechtfertigt sich eine (weitere) Anlaufhemmung aufgrund der unterschiedlichen Zwecksetzungen der Anzeige (§ 30 Abs. 1 und 2 ErbStG) einerseits und der Steuererklärung (§ 31 ErbStG) andererseits. Die Anzeige­pflicht soll lediglich die möglichst voll­ständige Erfassung aller Erwerbe sicherstellen und dient in erster Linie dazu, dem Finanzamt die Prüfung zu erleichtern, ob und wen es im Einzelfall zur Abgabe einer Steuer­erklärung aufzufordern hat. Demgegen­über hat die Steuer­erklärung ein Verzeichnis der zum Nachlass gehörenden Gegenstände und die sonstigen für die Feststel­lung des Gegenstands und des Werts des Erwerbs erforder­lichen Angaben zu enthalten (§ 31 Abs. 2 ErbStG) und soll so die Erbschaftsteuer- beziehungsweise Schenkungsteuerfestsetzung ermöglichen

  • Diesen unterschiedlichen Zweck­setzungen der Anzeige beziehungs­weise der Steuer­erklärung ist bei der Anwen­dung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO dadurch Rechnung zu tragen, dass bei einer ordnungsgemäßen Erstattung der Anzeige erst die dem Finanzamt nachfolgend durch die Einreichung der ange­forderten Steuer­erklärung vermittelte Kenntnis zur (end­gültigen) Beendigung der Anlauf­hemmung führt. Nach den Wertungen des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO rechtfertigt sich der Beginn der Festsetzungsfrist nicht schon deshalb, weil das Finanzamt den Steuerpflichtigen bereits aufgrund der Anzeige zur Abgabe einer Steuererklärung auffordern und diese Auffor­derung (etwa durch Anwendung von Zwangs­mitteln, §§ 328 ff. AO) gegebenen­falls auch durch­setzen kann.

  • Nach diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend entschieden, dass die Erstat­tung der Anzeige durch den Kläger am 17.12.2014 nicht zu einer endgültigen Beendigung der Anlauf­hemmung i. S. des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO führte. Erst aufgrund der beim Finanzamt am 26.02.2015 einge­gangenen Schenkung­steuer­erklärung, die der Kläger entsprechend der Anforderung des FA eingereicht hatte, begann die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2015 zu laufen, so dass sie gem. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO nach vier Jahren mit Ablauf des Jahres 2019 endete. Dem angefochtenen Schenkung­steuer­bescheid vom 12.11.2019 stand demgemäß keine Fest­setzungs­verjährung entgegen. Auch der Änderungs­bescheid vom 8.1.2020 erging noch während der laufenden Festsetzungsfrist.

  • Die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide sind auch in der Sache nicht zu beanstanden. Erhält ein Gesell­schafter einer GmbH von einem Dritten eine Zuwendung, die er auflage­gemäß in das Vermögen der GmbH einzu­zahlen hat, um dieser den Erwerb eines Grundstücks zu ermöglichen, liegt schenkung­steuer­recht­lich eine Leistung des Dritten an die GmbH vor, die zu einer steuerbaren Wert­erhöhung der Anteile des Gesell­schafters i. S. des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG führen kann.

  • Im Streitfall hat somit das Finanzamt zu Recht angenommen, dass die Zahlung von 3,7 Mio. € auf das Konto der GmbH zum Zwecke des Erwerbs des Grundstücks eine Leistung der Mutter des Klägers an die GmbH i. S. des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist.

Quelle: BFH, Urteil v. 27.8.2025 - II R 1/23; NWB Datenbank (lb)

 
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