Online-Nachricht - Donnerstag, 27.11.2025

Grunderwerbsteuer | Einheitlicher Erwerbs­gegen­stand: Grund­stücks­erwerb durch eine zur Ver­äußerer­seite gehörende Person (BFH)

Beim Erwerb eines noch zu be­bauen­den Grund­stücks sind die Bau­errich­tungs­kosten nicht in die Bemes­sungs­grund­lage der Grund­erwerb­steuer einzu­beziehen, wenn das Grund­stück von einer zur Ver­äußerer­seite ge­hören­den Person mit be­stim­men­dem Ein­fluss auf das "Ob" und "Wie" der Bebau­ung erwor­ben wird. Das gilt auch dann, wenn das Grund­stück von einer Gesell­schaft erwor­ben wird, die von dieser Person be­herrscht wird (BFH, Urteil v. 2.7.2025 - II R 19/22; veröf­fent­licht am 27.11.2025).

Sachverhalt: Die Klägerin ist die Rechts­nach­folgerin einer GmbH § Co. KG, die am 31.1.2017 noch als C-KG firmierte. Kom­mandi­tisten der C-KG waren zu 94 % A und zu 6 % dessen Töchter. Mit notariell beur­kundetem Vertrag vom 31.1.2017 erwarb die C-KG Miteigentumsanteile an zwei zusammen­hängen­den Grund­stücken von der X-GmbH. Gesell­schafter der X-GmbH waren neben A und B - je 2,55 % - die Y-GmbH, an der A und B über die Z-GmbH hälftig beteiligt waren. Die Grund­erwerb­steuer hatten die X-GmbH als Verkäuferin und C-KG als Käuferin jeweils hälftig zu tragen. Im Rahmen des Kauf­vertrags regelten die X-GmbH und die C-KG, den Grund­besitz nach den Bestim­mungen der Bau­genehmi­gung gemeinsam zu bebauen und anschließend real zu teilen. Am 31.1.2017 schlossen die X-GmbH und die C-KG als Auftraggeberinnen mit der Baufirma S einen General­unter­nehmer­vertrag über die schlüssel­fertige Planung und Erstellung des Bau­vorhabens. Die X-GmbH, die das Bau­vorhaben ursprünglich allein verwirk­lichen wollte, stand zuvor mit der Baufirma in Verhandlung und hatte sich Angebote für das Bau­vorhaben vorlegen lassen.

Das Finanzamt setzte gegenüber der C-KG für den Erwerb der Miteigen­tums­anteile Grund­erwerb­steuer fest. Es ging dabei vom Vorliegen eines soge­nannten einhei­tlichen Erwerbs­gegen­stands aus und berück­sichtigte bei der Bemessung der Steuer die Bau­kosten. Gründe für die Inanspruchnahme der C-KG nannte das Finanzamt nicht.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG München, Urteil v. 20.4.2022 - 4 K 1857/19). Das FG ging davon aus, die C-KG habe die Miteigentumsanteile im Zustand der späteren Bebauung der Grund­stücke erworben.

Die Richter des BFH hoben das FG-Urteil auf:

  • Entgegen der Auffassung des FG ist der Grund­erwerb­steuer­bescheid sowohl formell als auch materiell rechts­widrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten.

  • Der Grunderwerb­steuer­bescheid ist bereits aus formellen Gründen rechts­widrig, weil das Finanzamt die Inan­spruch­nahme der Klägerin i. H. d. gesamten Steuer nicht begründet hat. Schuldner der Grunderwerbsteuer sind gem. § 13 Nr. 1 GrEStG regelmäßig die an einem Erwerbs­vorgang als Vertragsteile beteiligten Personen als Gesamtschuldner nach § 44 Abs. 1 Satz 1 AO. Die Entscheidung, gegen welchen der Gesamt­schuldner die Grund­erwerb­steuer festgesetzt wird, hat das FA nach pflicht­gemäßem Ermessen zu treffen (§ 5 AO).

  • Haben Käufer und Verkäufer vereinbart, die geschuldete Grund­erwerb­steuer jeweils zur Hälfte zu tragen, und war dies dem Finanzamt bei Erlass des Grund­erwerb­steuer­bescheids bekannt, bedarf die Inan­spruch­nahme des Käufers in Höhe der gesamten Steuer grund­sätzlich einer Begründung, aus der die für das FA maßgeblichen Ermessens­erwägungen hervorgehen.

  • Fehlt die erforderliche Begründung und wird sie auch nicht in zulässiger Form nachgeholt, ist der Steuer­bescheid bereits aus diesem Grund rechtswidrig und aufzuheben (vgl. BFH, Urteil v. 1.7.2008 - II R 2/07, BFHE 222, 68, BStBl II 2008 S. 897). Der Bescheid ist im vorliegenden Fall danach rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten, da das Finanzamt sein Auswahl­ermessen in Bezug auf die Inan­spruchnahme der Klägerin als Schuldnerin der gesamten Steuer nicht begründet hat.

  • Der Bescheid ist auch aus materiellen Gründen rechts­widrig. Entgegen der Auffassung des FA und des FG sind die Baukosten im Streit­fall nicht in die Bemes­sungs­grund­lage der Grund­erwerb­steuer einzu­beziehen.

  • Der Gegenstand des Erwerbs­vorgangs, nach dem sich gem. § 8 Abs. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die als Bemessungs­grund­lage der Grund­erwerb­steuer anzu­setzende Gegen­leistung richtet, wird zunächst durch das den Steuer­tat­bestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Ver­pflichtungs­geschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sach­lichen Zusammen­hang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kauf­vertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grund­erwerb­steuer­recht­liche Erwerbs­vorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand (vgl. z.B. BFH, Urteil v. 27.5.2020 - II R 25/17).

  • Ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen ist gegeben, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grund­stücks­kauf­vertrags in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme gegenüber der Veräußerer­seite nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten würde.

  • Demgegenüber sind beim Erwerb eines noch zu bebauenden Grundstücks die Bau­errichtungs­kosten nicht in die Bemessungs­grund­lage der Grund­erwerb­steuer einzubeziehen, wenn das Grund­stück von einer zur Veräußerer­seite gehörenden Person mit bestim­mendem Einfluss auf das "Ob" und "Wie" der Bebauung erworben wird. Das gilt auch dann, wenn das Grund­stück von einer Gesell­schaft erworben wird, die von dieser Person beherrscht wird.

  • Nach diesen Maßstäben ist das FG zutreffend davon ausge­gangen, dass die C-KG als Erwerberin bei Abschluss des Kauf­vertrags über die Mit­eigentums­anteile in ihrer Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Bebauung nicht mehr frei war. Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass die C-KG aufgrund des bestim­menden Einflusses ihres Mehr­heits­gesell­schafters A auf die Bebauung der Veräußerer­seite zuzu­rechnen und als Bauherrin anzusehen ist. Die Vorent­scheidung ist daher auch aus diesem Grund aufzu­heben und der Klage stattzugeben. Die aufgrund des General­unter­nehmer­vertrags mit der Baufirma S entstan­denen Baukosten sind nicht in die Bemessungs­grund­lage der Grund­erwerb­steuer einzu­beziehen.

Quelle: BFH, Urteil v. 2.7.2025 - II R 19/22; NWB Datenbank (lb)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im II. Senat des BFH Prof. Dr. Matthias Loose gelangen Sie hier (Login erforder­lich).