Online-Nachricht - Dienstag, 02.12.2025
Verfahrensrecht | Steuererklärung und Ausschlussfristen (BFH NV)
Die Einreichung einer ordnungsgemäßen Steuererklärung beim Finanzgericht innerhalb der Ausschlussfristen gem. § 65 Abs. 2 Satz 2, § 79b Abs. 1 Satz 1 FGO reicht nicht nur zur Bezeichnung des Klagebegehrens nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO, sondern auch zur Bezeichnung der Beschwer i. S. des § 79b Abs. 1 Satz 1 FGO aus, wenn die angegebenen Besteuerungsgrundlagen von denen des angegriffenen Bescheids abweichen. Gleiches gilt bei Wiederholung einer bereits abgegebenen Steuererklärung oder der Einreichung einer geänderten Steuererklärung (BFH, Beschluss v. 30.10.2025 - X B 113, 114/24, NV; veröffentlicht am 27.11.2025).
Hintergrund: Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss die Klage unter anderem den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Fehlt es daran, kann der Vorsitzende oder der Berichterstatter dem Kläger nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO für die erforderliche Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen. Verstreicht die formal wirksam gesetzte Ausschlussfrist, ohne dass der Gegenstand des Klagebegehrens angegeben ist, wird die Klage unheilbar unzulässig.
Ferner kann nach § 79b Abs. 1 Satz 1 FGO der Vorsitzende oder der Berichterstatter dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt.
Sachverhalt: Die Kläger legten u.a. gegen die Einkommensteuerfestsetzungen 2019 und 2020, als auch gegen die Umsatzsteuerfestsetzung 2020 Einsprüche ein. Für das Jahr 2020 hatten sie keine Steuererklärungen abgegeben. Für das Jahr 2019 ist dies unklar. Die Kläger begründeten sämtliche Einsprüche nicht. Das FA wies die Einsprüche zurück. Die Kläger erhoben Klagen, die beim FG für das Streitjahr 2019 unter dem Aktenzeichen 5 K 1006/23, für das Streitjahr 2020 unter dem Aktenzeichen 5 K 1007/23 geführt wurden (Vorinstanz: Sächsisches FG, Urteile v. 21.10.2024 – 5 K 1006/23 und 5 K 1007/23). Sie begründeten die Klagen jedoch zunächst auch nicht.
Das FG forderte die Kläger in beiden Klageverfahren gem. § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO mit Schreiben vom 26.6.2024 auf, binnen eines Monats den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen. Daneben forderte das FG gem. § 79b Abs. 1 FGO die Kläger auf, innerhalb dieser Frist die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren sie sich beschwert fühlten.
Am 15.8.2024 reichten die Kläger Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2019 und 2020 sowie eine Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2020 nebst weiteren Unterlagen ein. Die Verfahren wurden eingestellt und hinsichtlich der vorliegend noch im Streit befindlichen Klagegegenstände für unzulässig erachtet. Die Kläger hätten innerhalb der Ausschlussfrist keine Tatsachen i. S. von § 79b Abs. 1 FGO bezeichnet. Allein die Steuererklärungen seien nicht ausreichend. Die kurz vor den mündlichen Verhandlungen eingereichten Klagebegründungen seien nicht mehr zu berücksichtigen. Die Verspätungen seien nicht entschuldigt, hätten dem FA keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und daher die Erledigung der Rechtsstreite verzögert.
Die Kläger legten in beiden Verfahren am 22.11.2024 Nichtzulassungsbeschwerden ein. Die Nichtzulassungsbeschwerde betreffend das Verfahren 5 K 1007/23 (Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2020) wurde unter dem Aktenzeichen X B 113/24, die Nichtzulassungsbeschwerde betreffend das Verfahren 5 K 1006/23 (Einkommensteuer 2019) unter dem Aktenzeichen X B 114/24 erfasst.
Die zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Beschwerden hatten Erfolg. Die Richter des BFH hoben die FG-Urteile auf und verwiesen die Sachen zu anderweitigen Verhandlungen und Entscheidungen an das FG zurück:
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Die Kläger haben innerhalb der Frist nicht nur den Gegenstand des Klagebegehrens i. S. des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO ordnungsgemäß bezeichnet, sondern auch die erforderlichen Tatsachen i. S. des § 79b Abs. 1 Satz 1 FGO angegeben.
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Das FG hat zu Recht seine Entscheidung nicht darauf gestützt, dass die Fristen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO versäumt worden wären, denn das Klagebegehren war in beiden Verfahren bis zum 15.8.2024 bezeichnet.
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Die Einreichung einer ordnungsgemäßen Steuererklärung beim FG innerhalb der Ausschlussfristen gem. § 65 Abs. 2 Satz 2, § 79b Abs. 1 Satz 1 FGO reicht nicht nur zur Bezeichnung des Klagebegehrens nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO, sondern auch zur Bezeichnung der Beschwer i. S. des § 79b Abs. 1 Satz 1 FGO aus, wenn die angegebenen Besteuerungsgrundlagen von denen des angegriffenen Bescheids abweichen. Gleiches gilt bei Wiederholung einer bereits abgegebenen Steuererklärung oder der Einreichung einer geänderten Steuererklärung.
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Für das Streitjahr 2020 hatten die Kläger am 15.8.2024 erstmals eine Steuererklärung eingereicht, womit sie das Klagebegehren bezeichnet haben. Für das Streitjahr 2019 ist zwar unklar, ob es sich um eine erstmalige Steuererklärung handelte. Im Ergebnis kommt es darauf nicht an, da die Kläger mit dieser Erklärung eine von der bisherigen abweichende Festsetzung begehrten.
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Nach diesen Maßstäben hatten die Kläger in beiden Verfahren durch Einreichung von Steuererklärungen ihren Verpflichtungen aus § 79b Abs. 1 Satz 1 FGO genügt. Darüber hinausgehende Anforderungen hätte das FG im weiteren Verlauf des Verfahrens möglicherweise zum Gegenstand einer Frist nach § 79b Abs. 2 FGO machen können, dies aber nicht getan.
Quelle: BFH, Beschluss v. 30.10.2025 - X B 113, 114/24, NV; NWB Datenbank (lb)
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