Online-Nachricht - Donnerstag, 04.12.2025
Einkommensteuer | Entgeltlicher Verzicht auf Nießbrauch bei einem vermieteten Grundstück (BFH)
Das Entgelt für den Verzicht auf die Ausübung eines Nießbrauchsrechts an einem dem Privatvermögen zugehörigen Grundstück ist eine steuerbare Entschädigung gem. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, wenn der Nießbraucher das Grundstück zum Zeitpunkt des Verzichts tatsächlich vermietet und hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt (entgegen BFH, Urteil v. 25.11.1992 - X R 34/89). Der Tatbestand des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtige, dem eine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen zufließt, bei Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand (u.a. entgegen BFH, Urteil v. 24.10.1990 - X R 161/88) (BFH, Urteil v. 10.10.2025 - IX R 4/24; veröffentlicht am 4.12.2025).
Hintergrund: Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i. S. des § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind.
Sachverhalt: Der Klägerin wurde im Jahr 2008 im Wege eines Vermächtnisses ein Nießbrauchrecht an einem Grundstück zugewendet. Im Jahr 2012 überließ sie das Grundstück an die A-KG, deren Komplementärin sie war. Die Mieteinnahmen stellten Sonderbetriebseinnahmen dar. Nachdem die Klägerin im Jahr 2018 aus der A-KG ausgeschieden war, überführte sie das Nießbrauchrecht in ihr steuerliches Privatvermögen und erfasste die Mieteinnahmen fortan als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im November 2019 verzichtete die Klägerin sodann gegen eine Entschädigungszahlung auf ihr Nießbrauchrecht.
Im Rahmen der bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt (FA) die Auffassung, dass die Ablösung des Nießbrauchs ein privates Veräußerungsgeschäft gem. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG darstellt und berücksichtigte einen Veräußerungsgewinn.
Der hiergegen erhobenen Klage wurde stattgegeben (FG Münster, Urteil v. 12.12.2023 - 6 K 2489/22 E; siehe hierzu unsere Online-Nachricht v. 15.1.2024 und Wenke, NWB 13/2024 S. 840).
Die Richter des BFH hoben das FG-Urteil auf und verwiesen die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück:
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Das FG hat in seiner Entscheidung rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass der entgeltliche Verzicht auf das Nießbrauchsrecht an einer durch den Nießbraucher vermieteten Immobilie zu einer steuerbaren und steuerpflichtigen Entschädigung für entgehende Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG führt. Dieser Tatbestand ist nach § 23 Abs. 2 EStG gegenüber den vom FA angenommenen und vom FG abgelehnten sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG vorrangig.
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Das Entgelt für den Verzicht auf die Ausübung eines Nießbrauchsrechts an einem dem Privatvermögen zugehörigen Grundstück ist eine steuerbare Entschädigung gem. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, wenn der Nießbraucher das Grundstück zum Zeitpunkt des Verzichts tatsächlich vermietet und hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt (entgegen BFH, Urteil v. 25.11.1992 - X R 34/89, BFHE 170, 76, BStBl II 1996 S. 663, unter 1.b).
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Nutzt der Nießbraucher sein Recht dazu, das Grundstück an einen Dritten zu vermieten und hieraus Erträge zu erzielen, stellt die für den Verzicht auf das Nießbrauchsrecht erhaltene Gegenleistung bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Entschädigung für die entgangenen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dar. Denn in diesem Fall ist die tatsächliche Einkunftserzielung der wirtschaftliche Kerngehalt des aufgegebenen Rechts. Die Entschädigung tritt an die Stelle des ohne den Verzicht fortwährenden Zuflusses an Mieteinnahmen. Die Entschädigung wurde der Klägerin folglich nicht für die Aufgabe des Nießbrauchsrechts als Wirtschaftsgut, sondern für die künftig entgehenden Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gezahlt.
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Der Tatbestand des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtige, dem eine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen zufließt, bei Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand (u. a. entgegen BFH, Urteil v. 24.10.1990 - X R 161/88, BFHE 162, 329, BStBl II 1991 S. 337, unter 3.).
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Besteuert werden Leistungen, die an die Stelle der ausgefallenen - ansonsten steuerbaren - Einnahmen treten. Auf welche Weise diese Ersatzleistungen zustande gekommen sind, hat für den Steuertatbestand keine Bedeutung (vgl. BFH, Urteil v. 23.11.2016 - X R 48/14, BFHE 256, 290, BStBl II 2017 S. 383, Rz 26; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 22.3.2017). Auch aus systematischer Hinsicht ist eine Druck- oder Zwangssituation nicht erforderlich. Denn Anknüpfungspunkt hierfür ist nicht die der Steuerbarkeit der Entschädigung, sondern allein die Beurteilung, ob deren Zufluss zu einer tarifermäßigten Besteuerung gem. § 34 EStG führen kann.
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Folglich ist im Streitfall der Zufluss der Entschädigung für den Verzicht auf die Ausübung des Nießbrauchsrechts durch die Klägerin nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbar.
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Das FG wird im zweiten Rechtsgang u.a. Feststellungen dazu treffen müssen, ob der Klägerin im Zusammenhang mit der vereinnahmten Entschädigung Werbungskosten i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG entstanden sind, die die Einkünfte aus § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG mindern.
Quelle: BFH, Urteil v. 10.10.2025 - IX R 4/24; NWB Datenbank (lb)
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