Online-Nachricht - Donnerstag, 04.12.2025

Einkommensteuer | Kein Zufluss von Dar­lehens­zinsen bei Pro­longa­tion vor Fällig­keit (BFH)

Vereinbart ein beherr­schen­der Gesell­schafter mit seiner Gesell­schaft, dass seine Zins­an­sprüche aus einem der Gesell­schaft gewähr­ten Dar­lehen später fäl­lig werden sol­len (Pro­longa­tion), führt die Ver­ein­barung nicht zum Zu­fluss der Zinsen beim be­herr­schen­den Gesell­schafter, wenn sie vor der ur­sprüng­lich ver­ein­barten Fällig­keit der Zinsen zu­stande gekom­men ist. Das gilt unab­hängig davon, ob die Pro­longa­tion fremd­üblich ist (BFH, Urteil v. 17.9.2025 - VIII R 30/23; veröf­fent­licht am 4.12.2025).

Sachverhalt: Die Kläger sind verheiratet und werden für das Streit­jahr 2017 zusam­men zur Ein­kommen­steuer veran­lagt. Der Kläger war im Streit­jahr zu 80 % an einer Kapital­gesell­schaft spanischen Rechts (Gesell­schaft) betei­ligt. Die Klägerin war Geschäfts­führerin der Gesell­schaft. Im Jahr 2007 gewährte der Kläger der Gesell­schaft Darlehen. Die Zinsen waren bei Fällig­keit des Darlehens zahlbar. Das Darlehen hatte eine Laufzeit von zehn Jahren und war am 30.12.2017 zurück­zuzahlen. Im Jahr 2011 ver­zichtete der Kläger auf die Darlehens­rück­zahlungs­forderung gegen­über der Gesell­schaft und leistete eine Einlage in die Gesell­schaft. Der Anspruch des Klägers auf Darlehens­rück­zahlung galt durch die Umwand­lung in Eigen­kapital als getilgt (Debt-Equity-Swap). Am 14.11.2017 schlos­sen der Kläger und die Gesell­schaft eine Zusatz­vereinbarung, in der die Vertrags­parteien das Darlehen um 5 Jahre, bis zum 31.12.2022, verlänger­ten. Das gleiche galt für die aufge­laufenen Zinsen, die wie die Haupt­schuld bis zum 31.12.2022 fällig waren. Im Streitjahr wurden die Zinsen nicht an den Kläger ausgezahlt.

Das Finanzamt (FA) ging aufgrund der Verein­barung vom 14.11.2017 davon aus, dass dem Kläger am 30.12.2017 Zinsen zuge­flossen seien. Daraufhin setzte das FA Einkünfte aus Kapital­vermögen in dieser Höhe fest.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG Nürnberg, Urteil v. 24.2.2022 - 6 K 720/21).

Die Richter des BFH hoben das FG-Urteil auf:

  • Das FG hat den Zufluss der Zinsen beim Kläger im Streitjahr zu Unrecht bejaht.

  • Einnahmen aus Kapitalvermögen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen, sobald der Steuer­pflichtige die wirt­schaft­liche Ver­fügungs­macht über die in Geld oder Geldeswert bestehen­den Güter erlangt hat.

  • Das Innehaben von (fälligen) Ansprüchen oder Rechten führt nach ständiger Recht­sprechung dagegen noch nicht zum Zufluss von Kapital­einkünften, da dieser grund­sätzlich erst mit der Erfüllung des Anspruchs eintritt (vgl. BFH, Urteil v. 20.10.2015 - VIII R 40/13, BFHE 252, 260, BStBl II 2016 S. 342 ; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 9.3.2016).

  • Der Zufluss kann auch durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag "fortan aus einem anderen Rechts­grund geschuldet sein soll". In einer solchen Schuld­umwandlung (Novation) kann, wenn sie im über­wiegenden Interesse des Gläubigers liegt, eine Ver­fügung des Gläubigers über seine bisherige Forde­rung liegen, die aus ein­kommen­steuer­recht­licher Sicht so zu werten ist, als ob der Schuldner die Alt­schuld durch Zahlung beglichen und der Gläubiger den verein­nahmten Betrag in Erfüllung des neu ge­schaffenen Schuld­grundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte. Voraussetzung für den Zufluss aufgrund einer Novation ist das Vorliegen einer zivilrechtlich wirksamen Schuld­umwandlung. Ein solcher Vertrag setzt den über­ein­stimmen­den Willen der Parteien voraus, das alte Schuld­verhältnis durch ein neues (anderes) ersetzen und damit zugleich das alte Schuld­verhältnis aufheben zu wollen, sodass die Beteiligten nicht mehr darauf zurück­greifen können.

  • Davon abzugrenzen ist das einver­nehmliche Hinaus­schieben der Fälligkeit des Zins­anspruchs. Eine Vertrags­änderung dieses Inhalts bewirkt steuer­lich lediglich eine Stundung und recht­fertigt nicht die Annahme einer den Zufluss begrün­denden Verfügung des Gläubigers über die Kapital­erträge (vgl. BFH, Urteil v. 20.10.2015 - VIII R 40/13, BFHE 252, 260, BStBl II 2016 S. 342, Rz 39). Ob zivilrechtlich eine Novation oder lediglich eine Prolon­gation des Darlehens­vertrags vorliegt, ist im Zweifel durch Auslegung zu bestimmen.

  • Das FG hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die isolierte Zinsschuld nicht habe prolongiert werden können. Auch seine weitere Annahme, dass die Vereinbarung vom 14.11.2017 deshalb als (zufluss­begründende) Novation ausgelegt werden müsse, ist rechts­fehler­haft. Die Vereinbarung vom 14.11.2017 ist keine zum Zufluss der Zinsen führende Novation. Weder aus der Vereinbarung selbst noch aus den Umständen ihres Zustande­kommens ergeben sich Anhaltspunkte, dass anstelle der eindeutig verein­barten Prolon­gation des Zins­anspruchs vor Eintritt der Fälligkeit eine Schuld­umschaf­fung gewollt gewesen sein könnte.

  • Vereinbart ein beherrschender Gesell­schafter mit seiner Gesell­schaft, dass seine Zinsan­sprüche aus einem der Gesell­schaft gewährten Darlehen später fällig werden sollen (Prolonga­tion), führt die Vereinbarung nicht zum Zufluss der Zinsen beim beherr­schenden Gesell­schafter, wenn sie vor der ursprüng­lich verein­barten Fällig­keit der Zinsen zustande gekommen ist. Das gilt unab­hängig davon, ob die Prolon­gation fremd­üblich ist.

  • Im Streitfall fehlt es für die Annahme eines Zuflus­ses aufgrund der dargelegten Grund­sätze an der Fälligkeit des Zins­anspruchs. Der Anspruch des Klägers gegen die Gesell­schaft war im Streitjahr zu keinem Zeitpunkt fällig. Der Kläger und die Gesell­schaft haben noch vor dem Eintritt der Fälligkeit des Zinsan­spruchs dessen Fälligkeit einver­nehmlich und zivil­rechtlich wirksam auf den 31.12.2022 hinaus­geschoben. Eine solche Verein­barung löst auch bei einem be­herrschen­den Gesell­schafter keinen Zufluss aus.

Quelle: BFH, Urteil v. 17.9.2025 - VIII R 30/23; NWB Datenbank (lb)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VIII. Senat des BFH Dr. Christian Levedag gelangen Sie hier (Login erforder­lich).