Online-Nachricht - Donnerstag, 11.12.2025
Grunderwerbsteuer | Entfallen der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG infolge eines Insolvenzplans (BFH)
Ist ein Grundstück vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in eine Gesamthandsgemeinschaft eingebracht und der steuerbare Erwerbsvorgang nach § 5 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) ganz oder teilweise von der Steuer befreit worden, wirken die Änderung der Beteiligung des Einbringenden an der Gesamthand aufgrund der Erfüllung eines Insolvenzplans und der dadurch bewirkte Wegfall der Begünstigung nach § 5 Abs. 3 GrEStG materiell auf den vor der Insolvenzeröffnung begründeten Erwerbsvorgang zurück (BFH, Urteil v. 27.8.2025 - II R 50/21; veröffentlicht am 11.12.2025).
Hintergrund: Geht ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand über, so wird die Steuer nach § 5 Abs. 2 GrEStG in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Die Vorschrift ist insoweit nicht anzuwenden, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand vermindert (§ 5 Abs. 3 GrEStG). Für die Frage, wann sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen der Gesamthand vermindert, ist auf den Zeitpunkt der dinglichen Übertragung des Anteils abzustellen. Nicht maßgebend ist ein gegebenenfalls vorangegangener Erwerb eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Einräumung einer Gesellschafterstellung (BFH, Urteil v. 6.6.2001 - II R 56/00, BStBl II 2002, 96, unter II.2.b).
Sachverhalt: Streitig ist das Verhältnis von Insolvenzrecht und Steuerrecht zueinander, wenn es erst durch die Umsetzung des Insolvenzplans (anteilige Anteilsübertragung) zum (rückwirkenden) anteiligen Ausschluss des Befreiungstatbestands des § 5 Abs. 2 GrEStG durch § 5 Abs. 3 GrEStG kommt, welcher zur Begründung des Grunderwerbsteueranspruchs führt: Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, an der am 30.7.2012 die B-GmbH als Komplementärin ohne Kapitaleinlage und Herr D als alleiniger Kommanditist beteiligt waren. Am 30.7.2012 brachte D ein ihm gehörendes Grundstück in die Klägerin ein und erklärte die Auflassung. ehandelte den Vorgang als nach § 5 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes in der Fassung vom 24.03.1999 (GrEStG) steuerfrei. Das FA setzte mit Bescheid v. 20.9.2012 Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin in Höhe von 0 € mit der Begründung fest, D sei im Zeitpunkt der Übertragung des Grundstücks zu 100 % am Vermögen der erwerbenden Gesamthand beteiligt gewesen.
Im Oktober 2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet. Im März 2016 wurde ein Insolvenzplan vom zuständigen Amtsgericht bestätigt. Dieser sah vor, dass 94,9 % der Kommanditanteile des D an der Klägerin an die neu gegründete C-GmbH übertragen und die Insolvenzgläubiger mit einer Quote in Höhe von 15 % ihrer Forderungen befriedigt werden. Die Übertragung war aufschiebend bedingt durch die Eintragung der C-GmbH als Kommanditistin in das Handelsregister. Die Eintragung erfolgte im August 2016. Nach den Feststellungen des FG verwies der Insolvenzplan für die Geltendmachung von Forderungen, die erstmals nach dem Abstimmungstermin angemeldet werden, auf die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die §§ 259a, 259b InsO in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung. Durch Beschluss vom xx.03.2016 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben und die Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans angeordnet. Eine Anzeige der Anteilsübertragung auf die C-GmbH erfolgte nicht.
Das FA bat die Klägerin im Oktober 2017 um Mitteilung, ob sich die Beteiligung des D innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand (§ 5 Abs. 3 GrEStG) verändert habe. Daraufhin erfuhr es vom Insolvenzverfahren, vom Insolvenzplan und von der zwischenzeitlich erfolgten Übertragung der Anteile auf die C-GmbH.
Mit geändertem Bescheid vom 30.8.2018 setzte das FA die Grunderwerbsteuer gegenüber der Klägerin auf 32.510 € fest: Die Beteiligung des D an der Gesamthand habe sich innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die Klägerin um 94,9 % vermindert. Der Tatbestand des § 5 Abs. 3 GrEStG sei erfüllt; die gewährte Steuerbefreiung sei in Höhe von 94,9 % zu versagen.
Die Klägerin macht geltend, bei der rückwirkend zum 30.7.2012 entstandenen Steuerforderung handele es sich um eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO, die im Insolvenzverfahren zur Tabelle anzumelden und mit der im Insolvenzplan festgelegten Quote zu bedienen sei. Auf weitergehende Zahlungen hätten die Gläubiger im Insolvenzplan verzichtet. Die Wirkungen würden nach § 254b InsO auch für Insolvenzgläubiger gelten, die ihre Forderungen - wie das FA die Grunderwerbsteuerforderung - nicht angemeldet hätten. Die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Steuer sei daher erloschen.
Ihre Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg (Vorinstanz: FG Düsseldorf, Urteil v. 12.8.2021 - 11 K 2335/19 GE,AO):
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Ist ein Grundstück vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in eine Gesamthandsgemeinschaft eingebracht und der steuerbare Erwerbsvorgang nach § 5 Abs. 2 GrEStG ganz oder teilweise von der Steuer befreit worden, wirken die Änderung der Beteiligung des Einbringenden an der Gesamthand aufgrund der Erfüllung eines Insolvenzplans und der dadurch bewirkte Wegfall der Begünstigung nach § 5 Abs. 3 GrEStG materiell auf den vor der Insolvenzeröffnung begründeten Erwerbsvorgang zurück.
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Die Grunderwerbsteuerforderung entsteht in diesem Fall zwar erst mit Wegfall der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung. Sie ist aber eine (nachträglich) begründete Insolvenzforderung, weil der Tatbestand, an den das Gesetz die Steuerpflicht knüpft, vor Insolvenzeröffnung verwirklicht worden ist.
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Die einjährige Verjährungsfrist nach § 259b Abs. 1 InsO gilt auch für Steuerforderungen. Wann eine Forderung nach § 259b InsO fällig wird, bestimmt sich nach den Steuergesetzen.
Quelle: BFH, Urteil v. 27.8.2025 - II R 50/21; NWB Datenbank (il)
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