Online-Nachricht - Donnerstag, 11.12.2025

Körperschaftsteuer | Verlustabzugs­sperre zur Ver­hinde­rung einer doppel­ten Nutzung von Organ­schafts­verlusten im In- und Aus­land (BFH)

Die zeitliche Anwen­dungs­rege­lung des § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Ände­rung und Verein­fachung der Unter­nehmens­besteue­rung und des steuer­lichen Reise­kosten­rechts v. 20.2.2013, nach der die Verlust­abzugs­sperre des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG i.d.F. vom 20.2.2013 rück­wirkend auf alle nicht bestands­kräftig veran­lagten Fälle anwend­bar ist, enthält keine ver­deckte Rege­lungs­lücke. Eine (ver­fas­sungs­kon­forme) Be­schrän­kung ihres zeit­lichen Anwen­dungs­bereichs scheidet aus (BFH, Urteil v. 16.7.2025 - I R 20/22; veröf­fent­licht am 11.12.2025).

Hintergrund: Die streitige Verlust­abzugs­sperre wurde erstmals durch das Unter­nehmens­steuer­fort­entwick­lungs­gesetz v. 20.12.2001 – UntStFG - einge­führt. Dabei wurde im Gesetz­gebungs­verfahren ein Zusammen­hang zur (gleich­zeitigen) gesetz­lichen Aufgabe des sog. doppelten Inlands­bezugs beim Organ­träger (Sitz und Geschäfts­leitung im Inland) als Voraus­setzung für eine ertrag­steuer­liche Organ­schaft, sodass nunmehr ein einfacher Inlands­bezug in Form der Geschäfts­leitung des Organ­trägers im Inland aus­reichte, hergestellt (s. BT-Drucks 14/6882, S. 24). § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG i.d.F. des UntStFG ordnete deshalb an, dass ein negatives Einkommen des Organ­trägers bei der inlän­dischen Besteue­rung unberück­sichtigt bleibt, soweit es in einem ausländi­schen Staat im Rahmen einer der deutschen Besteue­rung des Organträgers ent­sprechen­den Besteue­rung berück­sichtigt wird. Damit sollte insbe­sondere bei doppelt ansäs­sigen Gesell­schaften im Zusammen­hang mit einer Organ­schaft die doppelte Nutzung von Verlusten im In- und Ausland verhindert werden (s. BT-Drucks 14/6882, S. 37).

Durch das Gesetz zur Änderung und Verein­fachung der Unter­nehmens­besteuerung und des steuer­lichen Reise­kosten­rechts v- 20.2.2013 wurde auch für Organ­gesell­schaften der bislang geforderte doppelte Inlands­bezug rück­wirkend auf das Erfor­dernis einer inländi­schen Geschäfts­leitung und eines Sitzes in einem Mitglied­staat der Euro­päischen Union oder in einem Vertrags­staat des EWR-Abkommens reduziert (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 KStG n.F.). Darüber hinaus wurde die Verlust­abzugs­sperre modifiziert. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG n.F. sah nunmehr vor, dass negative Einkünfte des Organträgers oder der Organ­gesell­schaft bei der inländi­schen Besteue­rung unberück­sichtigt bleiben, soweit sie in einem auslän­dischen Staat im Rahmen der Besteuerung des Organträgers, der Organ­gesell­schaft oder einer anderen Person berück­sichtigt werden. Für beide Änderungen wurde die zeitliche Anwendung durch § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG n.F. auf alle noch nicht bestands­kräftig veranlagten Fälle und damit grund­sätzlich auch auf den im Streitfall ange­foch­tenen Bescheid über Körper­schaft­steuer 2010 erstreckt.

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Frage, ob § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Verein­fachung der Unter­nehmens­besteu­rung und des steuer­lichen Reise­kosten­rechts v. 20.2.2013 verfas­sungs­konform dahingehend ein­schränkend auszulegen ist, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG i.d.F. v. 20.2.2013 jedenfalls dann keine Anwendung findet, wenn noch nicht bestands­kräftig abge­schlossene Veran­lagungen für Veran­lagungs­zeiträume vor 2013 solcher Steuer­pflichtiger betroffen sind, die ihren Sitz und Ort der Geschäfts­leitung im Inland hatten und deshalb nicht erst aufgrund der Änderung in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG i.d.F. v. 20.2.2013 als Organ­gesell­schaft aner­kennungs­fähig geworden sind. Das FG der ersten Instanz vertrat die Ansicht, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG teleolo­gisch zu reduzieren und bei Steuer­pflichtigen mit Sitz und Ort der Geschäfts­leitung in Deutsch­land nicht rück­wirkend anzu­wenden sei ( FG Düsseldorf, Urteil v. 30.3.2022 - 7 K 905/19 K,G,F, s. hierzu Modrzejewski/Rüsch, IWB 9/2023 S. 332).

Die Richter des BFH folgten dem nicht, hoben die Entschei­dung auf und wiesen die Sache zur ander­weitigen Verhand­lung und Entschei­dung zurück:

  • Das FG hat rechtsfehlerhaft dahin erkannt, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG n.F. auf die streit­gegen­ständ­lichen Bescheide zeitlich nicht anwendbar ist.

  • Die zeitliche Anwendungsregelung des § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unter­nehmens­besteue­rung und des steuer­lichen Reise­kostenrechts, nach der die Verlust­abzugs­sperre des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG i.d.F. v. 20.2.2013 rückwirkend auf alle nicht bestands­kräftig veran­lagten Fälle anwendbar ist, enthält keine verdeckte Regelungs­lücke. Eine (ver­fassungs­konforme) Beschrän­kung ihres zeitlichen Anwen­dungs­bereichs scheidet aus.

  • § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG i.d.F. v. 20.2.2013 ist persön­lich auf jeden Organ­träger anwendbar und nicht lediglich auf solche, die sowohl in der Bundes­republik Deutsch­land als auch in einem auslän­dischen Staat ansässig sind.

  • § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG i.d.F. v. 20.2.2013 gehört zu den von § 7 Satz 1 GewStG in Bezug genommenen Gewinn­ermitt­lungs­vorschriften; die Vorschrift ist daher auch bei der Ermittlung des Gewerbe­ertrags zu berück­sichtigen.

  • Eine nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG i.d.F. v. 20.2.2013 erforderliche Berücksichtigung von negativen Einkünften des Organ­trägers oder der Organ­gesell­schaft bei der Besteue­rung im aus­ländischen Staat liegt nur insoweit vor, als eine am Ertrag orien­tierte aus­ländische Steuer unter Einbe­ziehung sämtlicher Einkünfte, die aus der gleichen Quelle stammen, bei perioden­über­greifender Betrachtung endgültig niedriger festgesetzt wurde als ohne Berück­sichti­gung dieser Einkunfts­quelle.

  • Im zweiten Rechtsgang wird das FG prüfen müssen, ob die Tat­bestands­voraus­setzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG n.F. erfüllt sind.

Quelle: BFH, Urteil v. 16.7.2025 - I R 20/22; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im I. Senat des BFH Prof. Dr. Alois Nacke gelangen Sie hier (Login erforder­lich).