Online-Nachricht - Donnerstag, 28.11.2024
Einkommensteuer | Entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchs an GmbH-Anteilen (BFH)
Ob das wirtschaftliche Eigentum an GmbH-Anteilen dem Nießbrauchsberechtigten zuzurechnen ist, ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung durch das Finanzgericht und daher wegen § 118 Abs. 2 FGO für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend. Ist der Vorbehaltsnießbraucher nicht wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Anteile, ist die Ablösung des Nießbrauchs ein für ihn nicht steuerbarer Vorgang (BFH, Urteil v. 20.9.2024 - IX R 5/24; veröffentlicht am 28.11.2024).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung der entgeltlichen Ablösung eines Vorbehaltsnießbrauchs an Geschäftsanteilen an einer GmbH bei der Nießbrauchsberechtigten:
Die Klägerin übertrug im Jahr 2012 ihre Beteiligung an der Z GmbH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Vorbehalt eines Nießbrauchs, der insbesondere das Gewinnbezugsrecht umfasste, unentgeltlich auf ihren Sohn. Hierbei behielt sie sich den Nießbrauch (insbesondere das Gewinnbezugsrecht) vor. Im Jahr 2018 hoben die Klägerin und ihr Sohn den Nießbrauch gegen Zahlung eines Ablösebetrags auf. Das FA qualifizierte die Ablöse für das Nießbrauchsrecht als Einkünfte i. S. von § 17 EStG i.V.m. § 24 EStG und erließ einen entsprechenden Steuerbescheid. Die Klägerin dagegen ist der Auffassung, die Zahlung des Ablösebetrags stelle eine nicht steuerbare Umschichtung auf der privaten Vermögensebene dar. Ihre Klage hatte in erster Instanz in der Hauptsache keinen Erfolg. Das FG stellte fest, dass der Sohn der Klägerin im Jahr 2012 auch wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Geschäftsanteile geworden sei. Es gab dem hilfsweisen Begehren der Klägerin statt, mit dem sie eine Berücksichtigung des Ablösebetrags bei den Einkünften aus Kapitalvermögen begehrt hatte (FG Nürnberg, Urteil v. 29.9.2023 - 7 K 1029/21, s. hierzu Demuth/Wacker, NWB EV 5/2024 S. 148).
Die Richter des BFH hoben das Urteil auf und gaben der Klage statt:
- Das FG ist zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Ablösebetrag von der Klägerin als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zu versteuern ist.
- Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt derjenige, der die rechtliche und tatsächliche Macht hat, das in § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG genannte Kapitalvermögen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen, wobei das Rechts-verhältnis maßgebend ist, auf dem die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung beruht (BFH, Urteil v. 14.2.2022 - VIII R 30/18, BStBl II 2022, 548, Rz 15, m.w.N.). Zurechnungssubjekt einer Ausschüttung durch eine GmbH ist danach grundsätzlich der Anteilseigner (§ 20 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG, § 39 Abs. 1 AO).
- Nach ständiger Rechtsprechung des BFH geht das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil auf einen Erwerber über, wenn er aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind (BFH, Urteil v. 24.1.2012 IX R 51/10, BStBl II 2012, 308, Rz 15, m.w.N.). Erforderlich ist, dass der Nießbrauchsberechtigte eine Rechtsposition innehat, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft und insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichstellt (BFH, Urteil v. 24.1.2012 - IX R 51/10, BStBl II 2012, 308, Rz 16).
- Ob das wirtschaftliche Eigentum an GmbH-Geschäftsanteilen dem Nießbrauchsberechtigten zuzurechnen ist, bleibt eine Tatfrage des Einzelfalls. Die Feststellung des wirtschaftlichen Eigentums ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung durch das FG und daher wegen § 118 Abs. 2 FGO für den BFH grundsätzlich bindend.
- Daran gemessen kommt das FG zu Unrecht zu dem Ergebnis, der Klägerin sei der Ablösebetrag als Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zuzurechnen, obwohl das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen bereits 2012 auf den Sohn übergegangen ist.
- Die Feststellung des FG, das wirtschaftliche Eigentum an den Geschäftsanteilen an der Z GmbH sei bereits mit der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge von der Klägerin auf ihren Sohn übergegangen, schließt es aus, der Klägerin die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen. Da § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG keine die Einkünfte erweiternde Bedeutung hat, liegen bei der Klägerin insoweit keine steuerbaren Einkünfte vor.
Quelle: BFH, Urteil v. 20.9.2024 - IX R 5/24; NWB Datenbank (il)
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im IX. Senat des BFH Dr. Nils Trossen gelangen Sie hier (Login erforderlich).