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Die Ruhe vor dem Sturm?
2024 stand im Zeichen des Bruchs der Ampelkoalition. Einige, aber nicht alle Gesetzgebungsvorhaben konnte die Ampel in ihrem letzten Jahr noch realisieren. Sie alle haben neben aktueller Rechtsprechung und aktuellen Verwaltungsanweisungen Eingang in die 10. Ausgabe des EStG-Kommentars gefunden.
Auch die unlängst ergangenen BMF-Schreiben zu §§ 4h, 34a EStG sowie in 2025 veröffentlichte Entscheidungen des BFH sind bereits von den Autoren/Autorinnen in die Kommentierungen eingearbeitet worden. Der neue Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD liegt seit dem 9.4.2025 vor. Mit ihm sind weitere Änderungen im Einkommensteuerrecht zu erwarten.
I. Rechtsprechung
- KKB/Geserich, § 9 Rz. 276: „Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Wohnung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind hingegen nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Denn das Gebot der Rechtssicherheit erfordert, bei der Frage nach der beruflichen Veranlassung eines Umzugs, regelmäßig nur auf objektiv feststellbare Umstände abzustellen, die typischerweise auf eine berufliche Veranlassung schließen lassen. Solche Umstände sind allein in dem Bestreben, ein abgeschlossenes Arbeitszimmer einzurichten --anders als bei einem Umzug aus konkretem beruflichem Anlass (z. B. Arbeitgeberwechsel, Umzug in neue Betriebsräume, wesentliche Fahrzeitverkürzung, Auszug aus einer oder Einzug in eine Dienstwohnung), nicht gegeben“ (BFH v. 5.2.2025 - VI R 3/23, NWB LAAAJ-89819).“
- KKB/Löbbe, § 12 Rz. 78: „Bewährungsauflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB sowie Auflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO, gegebenenfalls i. V. m. § 153a Abs. 2 StPO fallen nicht unter das Abzugsverbot (BFH v. 15.1.2009 - VI R 37/06, BStBl II 2010, 111, unter II.2.b; ebenso FG Münster v. 18.12.2023 - 4 K 1382/20, NZB durch Beschl. v.11.9.2024 - IV B 5/24 als unbegründet zurückgewiesen, n.v.) Wegen ihres vermögensabschöpfenden Charakters sind Zahlungen aufgrund von Verfallsanordnungen nach §§ 73 bis 73e StGB a. F. und Einziehungsanordnungen nach §§ 73 bis 73e StGB n. F. ebenfalls von § 12 Abs. 4 EStG nicht erfasst (BFH v. 29.01.2025 - X R 6/23, NWB NAAAJ-89814).“
- KKB/Eckardt, § 22 Rz. 10: „… Gegen beide BFH-Urteile v. 19.5.2021 wurden Verfassungsbeschwerden eingelegt (BVerfG: 2 BvR 1140/21 und 2 BvR 1143/21). Obwohl beide Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen wurden, hat das BVerfG in den Nichtannahmebeschlüssen sehr bemerkenswerte Aussagen zum Verbot einer doppelten Besteuerung von Alterseinkünften getroffen (BVerfG v. 7.11.2023 - 2 BvR 1143/21, NWB HAAAJ-54003 und BVerfG v. 7.11.2023 - 2 BvR 1140/21, NWB EAAAJ-55041). So lässt es das BVerfG explizit dahinstehen, ob sich aus der bisherigen verfassungsrechtlichen Rechtsprechung tatsächlich ein einzelfallbezogenes Verbot einer Renten-Doppelbesteuerung ableiten lässt. Die bisherigen richterlichen Äußerungen ließen sich vielmehr auch so deuten, dass lediglich eine strukturelle Doppelbesteuerung von ganzen Rentnergruppen bzw. –jahrgängen vom Gesetzgeber zu verhindern sei. Damit zeigt das BVerfG seine Offenheit für eine (nur) strukturelle Beurteilung bei der Doppelbesteuerung von Renten.
- Hinweis: … Nachdem sich jedoch das BVerfG mit seinen Nichtannahmebeschlüssen zu den BFH-Urteilen vom 19.5.2021 geäußert und eine deutlich restriktivere Lesart des Verbots der Doppelbesteuerung in den Raum gestellt hat, wird verwaltungsseitig davon ausgegangen, dass die aktuelle Rechtslage den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht (Vgl. BMF-Schreiben v. 10.3.2025, NWB WAAAJ-87384). Gestützt wird diese Sichtweise von zwei weiteren Gutachten (hierzu auch NWB VAAAJ-86985). Weitere gesetzgeberische Maßnahmen sind damit vorerst nicht zu erwarten. Aus diesem Grund ergehen Steuerbescheide jetzt auch nicht mehr vorläufig (BMF v. 10.3.2025, NWB GAAAJ-87385; siehe hierzu auch Ermel, NWB 2025, 742). Ob die Sichtweise der Verwaltung zutreffend ist, wird sich in zukünftigen Verfahren zeigen.
…. Des Weiteren sind beim BFH noch zwei Revisionsverfahren zu der Thematik Doppelbesteuerung anhängig. Eines betrifft die Frage, wie Entgeltpunkte für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet bei der Ermittlung einer möglichen Doppelbesteuerung zu berücksichtigen sind (BFH X R 18/23 , vorgehend Sächsisches FG Urteil v. 25.5.2022 - 6 K 449/20 , NWB MAAAJ-17181). Das zweite Verfahren betrifft Berechnungsmodalitäten zur Ermittlung einer doppelten Besteuerung (BFH X R 9/24). Es kann aber davon ausgegangen werden, dass bald weitere Verfahren anhängig werden, mit denen die neue Sichtweise der Verwaltung auf den Prüfstand gestellt wird.“ - KKB/Dietz, § 41 Rz. 47: „Die ausländische Betriebsstätte einer im Inland ansässigen rechtlich selbständigen Person kann nicht Arbeitgeber i. S. der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)-Niederlande, DBA-Japan, DBA-Großbritannien, DBA-Spanien, DBA-Australien, DBA-Irland, DBA-Belgien, DBA-Schweiz, DBA-Italien, DBA-Dänemark, DBA-Kanada, DBA-Singapur, DBA-Norwegen, DBA-Griechenland und DBA-Frankreich sein (BFH, Urteil v. 12.12.2024 - VI R 25/22). Daraus folgt u. a., dass die in ihrem jeweiligen (ausländischen) Beschäftigungsstaat wohnhaften Arbeitnehmer in Deutschland mit dem für ihre Tätigkeit in Deutschland (sog. Inlandsdienstreisen) bezogenen Arbeitslohn beschränkt steuerpflichtig sind (§ 1 Abs. 4, § 19 Abs. 1 und § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG).
II. Verwaltungsanweisungen
- Hänsch, § 4h EStG Rz. 2 ff.: „… Aufgrund der gesetzlichen Änderungen hat das BMF am 24.3.2025 ein aktualisiertes BMF-Schreiben zur Zinsschranke veröffentlicht. Im neuen BMF-Schreiben wurden Ausführungen zu Anwendungsfragen aufgenommen, die sich im Zusammenhang mit den Änderungen durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz ergeben haben. Für Wirtschaftsjahre, für die § 4h EStG a. F. gilt, ist das BMF-Schreiben v. 4.7.2008 weiterhin anzuwenden.“
- Bäuml/Müller, § 34a EStG Rz. 16 ff.: „Zur Begünstigung der nicht entnommenen Gewinne nimmt das BMF mit seinem Anwendungsschreiben vom 11.8.2008 Stellung, das mit Schreiben vom 12.3.2025 infolge der Änderungen durch das Wachstumschancengesetz aktualisiert wurde.“
III. Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD
Der neue Koalitionsvertrag sieht u. a. folgende Änderungen in der Einkommensteuer vor:
- Erhöhung der Bruttopreisgrenze bei der steuerlichen Förderung von E-Fahrzeugen auf 100.000 €;
- dauerhafte Erhöhung der Pendlerpauschale zum 1.1.2026 auf 38 Cent ab dem ersten Kilometer;
- steuerliche Begünstigung von Prämien zur Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeit auf dauerhaft an Tarifverträgen orientierte Vollzeit;
- Steuerfreiheit von Überstundenzuschlägen;
- Senkung der Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen;
- Rentenbesteuerung: Steuerbefreiung von bis zu 2.000 € für das Gehalt von solchen Personen, die das gesetzliche Rentenalter erreicht haben und freiwillig weiterarbeiten;
- Verringerung der Schere zwischen der Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge und dem Kindergeld;
- Anhebung oder Weiterentwicklung des Alleinerziehenden-Entlastungsbetrags;
- Unverändertes Fortbestehen des Solidaritätszuschlags.