Verfahrensrecht: Änderung von Steuerbescheiden bei elektronischer Datenübermittlung durch Dritte
Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass ein Steuerbescheid stets geändert werden kann, wenn elektronisch übermittelte Daten bisher nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob der Inhalt der Daten dem Finanzamt bereits bekannt war. Dies hatte sich im entschiedenen Fall zugunsten des Finanzamts ausgewirkt, gilt aber umgekehrt ebenso zugunsten des Steuerpflichtigen.
Vorschrift des § 175b AO
Weil die Finanzämter im Zuge der Digitalisierung immer mehr Daten elektronisch erhalten, hatte der Gesetzgeber mit Wirkung ab 2017 die Vorschrift des § 175b AO geschaffen. Die Norm regelt die Änderung von Steuerbescheiden bei der Datenübermittlung durch Dritte. Und zwar vor dem Hintergrund, dass die von den Dritten übermittelten Daten keine verbindlichen Grundlagenbescheide gem. § 175 AO darstellen.
In Absatz 1 heißt es: Ein Steuerbescheid ist aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.
Bereits im letzten Jahr hatte der Bundesfinanzhof[1] entschieden: Die Änderung eines Einkommensteuerbescheids nach § 175b Abs. 1 AO ist auch dann zulässig, wenn die unzutreffende Berücksichtigung der von einem Dritten übermittelten Daten auf einen Fehler der Finanzbehörde zurückzuführen ist.[2] [3]
Wir hatten in unserer August-Ausgabe 2024[4] darüber berichtet. Eine teleologische Reduktion der Vorschrift ist nach der Auffassung des IX. Senats des BFH nicht geboten.[5]
Erneute Entscheidung des BFH
Jetzt haben sich die höchsten deutschen Steuerrichter erneut mit der Berichtigungsnorm befasst. Und spätestens jetzt ist klar: § 175b Abs. 1 AO ermöglicht ohne weitere Voraussetzungen die Korrektur eines Steuerbescheids, wenn elektronisch von Dritten übermittelte Daten bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Auf den Grund dafür kommt es nicht an.
In dem aktuellen Streitfall hatten die Kläger eine korrekte Steuererklärung abgegeben. Darin hatten sie auch ihre Renteneinkünfte zutreffend erklärt. Das Finanzamt erließ dennoch einen Einkommensteuerbescheid, in dem die Renteneinkünfte nicht erfasst wurden. Später erfuhr das Finanzamt auch auf elektronischem Wege durch eine Datenübermittlung des Rentenversicherungsträgers von der Höhe der Renteneinkünfte. Daraufhin änderte es den Einkommensteuerbescheid zu Lasten der Kläger und setzte erstmals die Renteneinkünfte an.
Sowohl das Niedersächsische FG[6] in erster Instanz als nun auch der X. Senat des BFH[7] haben diese Handhabung bestätigt.
Das Finanzamt hatte die Rente trotz voller Kenntnis des Sachverhalts im ursprünglichen Steuerbescheid außer Ansatz gelassen. In der analogen Welt wäre die Änderung des einmal ergangenen Steuerbescheids daher nur möglich gewesen, wenn der Steuerbescheid ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden hätte.
Anders sieht es nach § 175b Abs. 1 AO aus. Werden an das Finanzamt übermittelte elektronische Daten nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt, ist eine Korrektur ohne Wenn und Aber möglich. Weitere, insbesondere einschränkende Voraussetzungen enthält die Norm nicht.
Eine auf § 175b Abs. 1 AO gestützte Änderung ist daher auch dann vorzunehmen, wenn dem Finanzamt oder dem Steuerpflichtigen zuvor ein Fehler unterlaufen ist. Dabei ist es unerheblich, ob der Inhalt der Daten dem Finanzamt bereits bekannt war. Erst recht kann ein Bescheid geändert werden, wenn dem Finanzamt die eDaten erst nach der Erteilung des Bescheids zugehen. So soll der materiell richtigen Steuerfestsetzung der Vorrang vor der Bestandskraft des jeweiligen Steuerbescheids eingeräumt werden.[8] [9]
Im entschiedenen Fall hat das Finanzamt profitiert. Ein Trost ist aber, dass sich die Änderungsmöglichkeit umgekehrt ebenso zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken kann.
So viel für diesen Monat zu den aktuellen Entscheidungen. Wir kommen damit zu unserem Thema des Monats.
[1] BFH, Urteil v. 20.2.2024 - IX R 20/23 NWB MAAAJ-68714 (Vorinstanz: FG Münster, Urteil v. 14.8.2023 - 8 K 294/23 E NWB BAAAJ-49593)
[2] Trossen, Anmerkung zu: Verfahrensrecht | Änderung eines Einkommensteuerbescheids nach § 175b Abs. 1 AO (BFH), NWB Online-Nachricht v. 13.6.2024 NWB BAAAJ-68722
[3] – jh –, Änderung eines Einkommensteuerbescheids nach § 175b Abs. 1 AO, StuB 14/2024 S. 568 NWB IAAAJ-71069
[4] Track 17 | Verfahrensrecht: Änderung von Steuerbescheiden bei elektronischer Datenübermittlung durch Dritte, Steuern mobil 8/2024 NWB ZAAAJ-70800
[5] Bender, Rechtsprechungsradar: Das steuerliche Verfahrensrecht 2024 - Einige Highlights des BFH zum steuerlichen Verfahrensrecht aus 2024, StuB 4/2025 S. 132 NWB DAAAJ-85056
[6] FG Niedersachsen, Urteil v. 13.10.2022 - 2 K 123/22 NWB YAAAJ-45122
[7] BFH, Urteil v. 27.11.2024 - X R 25/22 NWB HAAAJ-94987 (Vorinstanz: siehe oben)
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