Aller Anfang ist schwer – auch in der Steuerkanzlei?!

„Aller Anfang ist schwer“ – so sagt der Volksmund und so sagt sicherlich auch der eine oder andere neue Assistent in einer Steuerberatungskanzlei. Aber muss das wirklich sein? Was erwartet Berufsanfänger oder Quereinsteiger heutzutage in den ersten Monaten? Wir geben Tipps, worauf Berufseinsteiger bei ihrem Arbeitgeber achten sollten, und was sie selbst tun können für eine erfolgreiche Onboarding-Phase.

Nachdem die Branche in der Vergangenheit unter einem etwas angestaubten Image gelitten hat, haben Jobs in Steuerkanzlei oder Wirtschaftsprüfung mittlerweile wieder an Attraktivität gewonnen. Ein abwechslungsreiches Aufgabenfeld, sichere Arbeitsplätze, gute Gehälter und aussichtsreiche Aufstiegschancen – wer sich heute im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich aus- und fortbilden will, findet das nicht oft. Wie mittlerweile so viele andere Branchen auch, ist das Steuer- und Rechnungswesen zudem längst ein Arbeitnehmermarkt. Wechselwillige Fachkräfte und Berufseinsteiger können sich in der Regel aussuchen, wohin sie gehen – und haben durchaus Mitbestimmungsrecht, was die Arbeitskonditionen angeht. Eine echte Luxus-Situation, mag sich nun der eine oder andere denken. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn die Realität sieht für Einsteiger leider oft anders aus.

18 % aller Arbeitnehmer kündigen in den ersten 100 Tagen

Das hat 2022 eine bundesweite Umfrage*[1] ergeben. Auch wenn dies branchenübergreifend gilt, kann davon ausgegangen werden, dass es auch in deutschen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzleien leider nicht viel anders aussieht.

Denn der Fachkräftemangel führt nicht nur zu vielen Freiheiten für die Bewerber, sondern auch zu hohem Arbeitsdruck in den Kanzleien. Unterstützung wird überall händeringend gesucht, neue Kollegen werden daher auch mit großer Freude erwartet – doch ist der neue Mitarbeiter dann erst einmal da, geht die Einarbeitung oft im Alltagsstress unter. Die Folge: Der neue Kollege fühlt sich im schlimmsten Fall unwillkommen und allein gelassen. Aus der anfänglichen Begeisterung kann auf diese Weise schnell Frust und Überforderung werden. Und auch der Arbeitgeber erhält nicht die Entlastung, die er sich erhofft. Nicht selten trennt man sich noch innerhalb der Probezeit.

Für Absolventen und Berufseinsteiger ist eine erfolgreiche Onboarding-Phase besonders wichtig

In der aktuellen Situation zeigt sich einmal mehr, wie wichtig eine gut vorbereitete Einarbeitungsphase, das sog. Onboarding, ist. Dabei benötigen gerade Absolventen, die frisch von der Uni oder Fachhochschule kommen, oft noch mehr Unterstützung als andere.

„Die Absolventen sind in der Regel hochmotiviert und verfügen über ein großes theoretisches Wissen, haben aber meist nur wenig Erfahrung, was davon wirklich für die Praxis der steuerlichen Beratung relevant ist. Und sie brauchen natürlich noch Unterstützung, wenn es um kompliziertere Sachverhalte oder das richtige Ausfüllen der Steuererklärungsformulare geht“, so Dr. Elke Lehmann, Steuerberaterin und Dozentin in der Steuerberaterausbildung.

Deshalb sollten gerade Berufseinsteiger bei der Wahl ihres neuen Arbeitgebers von Anfang an darauf achten, ob es einen Einarbeitungsplan oder sogar ein ganzes Onboarding-Programm gibt. Denn je strukturierter – und auch umfangreicher – ein Arbeitgeber hier vorgeht, desto besser stehen die Chancen für einen erfolgreichen Start und einen langfristig zufriedenstellenden Job.

Wie sieht heute die Einarbeitung in den deutschen Kanzleien aus?

Genauso unterschiedlich wie die Kanzlei- und Beratungslandschaft aussieht, so verschieden gestaltet sich auch die Einarbeitung neuer Mitarbeiter.

Bei den Großen der Branche durchlaufen Berufsanfänger, meist angestellt als Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsassistenten, in der Regel ein mehrmonatiges firmeninternes Onboarding-Programm. Dazu gehören meistens ein Mentor oder Pate sowie intensive Lern-Einheiten zu den wichtigsten Steuerarten und deren Fallanwendung in der Praxis. Die Programme sind mit flexiblen E-Learning-Modulen und internen Wissensdatenbanken ergänzend zu den ersten Aufgaben im Job konzipiert. Zusätzlich gibt es Trainings und Seminare, die häufig als Veranstaltung für alle Neueinsteiger aus allen Niederlassungen organisiert werden – neben dem fachlichen Input auch eine gute Gelegenheit, sich zu vernetzen und „Mitstreiter“ kennenzulernen.

Kleine und mittelständische Arbeitgeber sind dagegen beim Onboarding oft benachteiligt. Bei der Einarbeitung müssen sie häufig den Spagat leisten, in einer ohnehin angespannten Personalsituation auch noch Kapazitäten für den neuen Kollegen abzustellen. Die Durchführung ganzer Onboarding- Programme ist zeitlich und finanziell schlicht nicht möglich. Daher fällt die Einarbeitung oft kürzer und weniger strukturiert aus, je kleiner die Beratung ist.

Für den fachlichen Part greifen Arbeitgeber aus dem Mittelstand daher auch vereinzelt auf externe Fortbildungsveranstaltungen zurück, z. B. die der Steuerberaterkammern oder anderer Institute. Dort wird zwar das fachliche Wissen vermittelt, allerdings sollten Berufseinsteiger darauf achten, dass nicht zu viele Vorkenntnisse vorausgesetzt werden und ein ausreichender Praxis-Bezug vorhanden ist.

Eine gute Alternative stellen spezielle Onboarding-Kurse dar. Die berufsbegleitenden Kurse sind ganz auf die Situation der Job-Einsteiger ausgerichtet und leisten somit inhaltlich Ähnliches wie die Programme der großen Gesellschaften. Die Durchführung erfolgt aber nicht durch die Kanzlei selbst, sondern durch Institute oder klassische Steuerfachschulen; die Teilnehmer treffen dabei auf Berufseinsteiger anderer Kanzleien und bekommen so ein ähnliches Netzwerk wie sonst nur die firmeninternen Programme es ermöglichen.

Allgemein lässt sich jedoch festhalten: Noch verpassen vor allem viele kleinere Kanzleien die Möglichkeit, sich externe Angebote zu Nutze zu machen. Die Fälle, in denen ein guter Einarbeitungsplan am Ende im Alltagsstress untergeht oder das neue Teammitglied im sprichwörtlichen Sinne „planlos“ ins kalte Wasser gestoßen wird, gibt es leider immer noch zu oft.
Trends bzw. Notwendigkeiten wie das Homeoffice, machen das ohnehin herausfordernde Onboarding neuer Mitarbeiter dabei nicht einfacher.

Worauf kommt es bei einem gelungenen Onboarding in der Steuerkanzlei an?

Gleich vorweg: Das perfekte Onboarding gibt es nicht! Jeder neue Mitarbeiter kommt mit anderen Vorkenntnissen, Talenten und seiner ganz eigenen Persönlichkeit daher. Selbst ein individuell erstellter Einarbeitungsplan, der Erfahrungen, Studien-Schwerpunkte oder gar ein Persönlichkeitsprofil berücksichtigt, wird deshalb trotzdem immer Schwachstellen aufweisen. Nichtsdestotrotz gibt es einige Punkte, anhand derer man ein gut durchdachtes Onboarding in der Steuerberatung erkennen kann – und auf die man bei der Suche nach einer neuen Stelle bereits von Anfang an achten sollte.

Ein gutes Onboarding lässt sich stets in drei Bereiche gliedern: die formalen Aspekte, die fachliche Einarbeitung und das soziale Onboarding.

Bei den formalen Aspekten handelt es sich um die absoluten Grundlagen – die aber leider auch nicht immer von allen Arbeitgebern beherrscht werden. Zum Beispiel, dass der neue Kollege am ersten Arbeitstag einen einsatzfähigen Arbeitsplatz mit PC, E-Mail-Account und allen notwendigen Programmen hat und seine Zugangskarten für Bürogebäude, Parkhaus oder Kantine erhält. Auch dass jemand den neuen Kollegen am ersten Tag zur vereinbarten Zeit am Eingang abholt und das restliche Team im Vorfeld informiert wurde, gehört dazu. Als Berufseinsteiger hat man auf diese Aspekte des Onboardings im Vorfeld wenig Einfluss – sie sind aber ein erster Hinweis, ob sich der neue Arbeitgeber vorab mit dem Teamzuwachs beschäftigt hat.

Die fachlichen Inhalte und Fertigkeiten bilden den Kern der Einarbeitung – und für viele Berufsanfänger auch die größte Herausforderung beim Start ins Berufsleben. Die fachlichen Inhalte sind naturgemäß immer von Branche und Mandantenstamm einer Kanzlei abhängig und können daher durchaus stark variieren. Trotzdem gibt es gerade für Berufsanfänger ein paar grundlegende Fachgebiete und Fertigkeiten, die im Steuer- und Rechnungswesen nahezu immer von Bedeutung sind:

  • die wichtigsten Steuerarten für die Praxis, insbesondere Einkommen- und Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuerrecht und steuerliches Verfahrensrecht

und

  • Buchführung und Bilanzwesen nach Handels- und Steuerrecht inklusive der Berücksichtigung der Besonderheiten bei Personengesellschaften.

Dabei sollten die verschiedenen Fachgebiete im Rahmen der Einarbeitung direkt mit der Praxis verknüpft werden. Das heißt, dass parallel zu klassischen Lern- oder Unterrichtseinheiten immer auch mit den entsprechenden Gesetzestexten, Verwaltungsanweisungen und Kommentaren gearbeitet wird. Auch das korrekte Ausfüllen der benötigten (Steuererklärungs-)Formulare, der richtige Umgang mit den wichtigsten Softwarekomponenten (insbesondere DATEV) und Tipps für die Kommunikation mit Mandanten und der Finanzverwaltung sollten Teil der Einarbeitung sein. Zudem sollte ausdrücklich die Bearbeitung komplexer Praxis-Fälle geübt werden. Wie wird ein Sachverhalt aus bilanzieller Sicht behandelt? Mit welcher Methodik gehe ich an eine umfangreichere Anfrage eines neuen Mandanten heran? Wie werden die Aufgaben am besten im Team verteilt? Die rechtliche Würdigung eines steuerlichen Sachverhalts birgt in der Beratungs-Praxis oftmals noch ganz neue Herausforderungen.

Zu guter Letzt sollte während des Onboardings auch die Integration ins Team nicht zu kurz kommen. Ein guter Onboarding-Plan stellt daher auch sicher, dass der neue Mitarbeiter alle Team-Mitglieder kennenlernt, mindestens ein persönliches Gespräch mit dem Chef führt und alle wichtigen Organisationsstrukturen kennt. Idealerweise bekommen insbesondere Berufseinsteiger einen Paten oder sogenannten „Buddy“ an die Seite gestellt, der den Einstieg in die neue Organisation erleichtert und für Fragen oder firmeninterne Tipps zur Verfügung steht.

„Wichtig ist, die Mitarbeiter am Anfang nicht mit der schieren Menge der Anforderungen und Informationen zu überfordern.“ fasst Thomas Fränznick, Rechtsanwalt und Steuerberater sowie Geschäftsführer der OT-Rechtsanwaltsgesellschaft, einer Kanzlei der OT-Gruppe mit über 100 Mitarbeitern, zusammen. „Das führt dann schnell zu Demotivation. Auch wenn man den neuen Mitarbeiter so schnell wie möglich einsatzfähig machen möchte: insbesondere die fachlichen Informationen sollten über einen angemessenen Zeitraum dosiert werden."

Eine der wichtigsten Eigenschaften eines guten Onboardings ist daher auch, dass die Einarbeitung einem längerfristig angelegten Plan folgt. Eine Art Fahrplan mit Zeitleiste und dazugehörigen Inhalten, Zielen und Feedback-Runden. Das bezieht sich übrigens nicht nur auf das Know-How im Steuerrecht, sondern auch auf den Team-Gedanken. Ein gemeinsames Mittagessen mit dem Vorgesetzten sollte daher genauso im Kalender stehen wie beispielsweise das Umsatzsteuer-Seminar oder der DATEV-Workshop. Zeitlich ist ein gutes Onboarding immer mit dem Berufsalltag vereinbar, d. h. die Trainingseinheiten sollten verzahnt zum Job ablaufen. Seit durch Corona auch in deutschen Steuerkanzleien das Homeoffice Einzug gehalten hat, berücksichtigt ein gutes Onboarding außerdem auch Remote-Tätigkeiten von zu Hause, z. B. mit virtuellen Meetings oder Kaffeetreffen, E-Learnings und Live-Online-Kursen.

Was können Berufseinsteiger zusätzlich tun, um sich den Start zu erleichtern?

Die Hauptaufgabe liegt beim Onboarding sicherlich bei Vorgesetzten und Kollegen. Aber auch als Berufseinsteiger kann man ein paar Tipps befolgen, um sich den Start in die neue Stelle zu erleichtern:

Tipp Nr. 1: Spezielle Fachliteratur zum Nachschlagen zulegen. Fast alle großen Verlage bieten heute Print- und Online-Reihen an, mit denen sich insbesondere Anfänger und Quereinsteiger in die verschiedenen Rechtsgebiete von Grund auf einarbeiten können.

Tipp Nr. 2: Auf Kanzlei-Wikis oder vorhandene Datenbanken zurückgreifen, um Fragen und Begrifflichkeiten zu klären. Das zeigt selbständiges Arbeiten und entlastet die Kollegen.

Tipp Nr. 3: Sich mit anderen Einsteigern vernetzen. Soziale Netzwerke, firmeninterne Stammtische oder auch Onboarding-Kurse bieten die Möglichkeit, „Mitstreiter“ zu finden: neben neuen Kontakten bieten diese oft auch Wissensaustauch und Hilfe bei Problemstellungen aus dem Arbeitsumfeld.

Tipp vom Personaler: Selbst die Initiative ergreifen und nachfragen

Und noch ein Tipp von Marius Meyer, HR-Referent Recruiting in der mittelständischen Wirtschaftskanzlei audalis mit fünf Standorten im In- und Ausland: „Im Zweifel auch einfach mal selbst die Initiative ergreifen und nachfragen, ob der Arbeitgeber nicht unterstützt, damit man einen Onboarding-Kurs oder ein spezielles Training besuchen kann. Gerade kleinere Kanzleien haben oft einfach keine Zeit, sich mit dem vorhandenen Schulungsangebot zu beschäftigen. Die meisten begrüßen es aber, wenn sich die Mitarbeiter auch selbst um eine passende Weiterbildung kümmern.“

Fazit: Augen auf beim OnboardingProgramme helfen die Komplexität zu reduzieren.

Je besser vorbereitet man heutzutage in eine neue Stelle in der Steuerberatung oder Wirtschaftsprüfung startet, desto besser. Die Anforderungen sind von Anfang an hoch, die aktuelle Auftragslage führt dazu, dass sich Berufseinsteiger immer schneller einarbeiten müssen und oft früh eigene Fälle übernehmen. Eine echte Chance, aber auch eine Herausforderung. Umso wichtiger ist ein strukturiertes Onboarding-Programm, das Berufseinsteiger bereits vorab beim potentiellen Arbeitgeber erfragen – und in den ersten Monaten im Job nötigenfalls auch einfordern – sollten. Zusätzlich sollte man als Einsteiger selbst ein paar Regeln befolgen, die Chefs und Kollegen bei der Einarbeitung unterstützen. Wer es ermöglichen kann, ergreift selbst die Initiative und bereitet sich mit Fachliteratur oder speziellen Kursangeboten vor.

Die aktuelle Ausgabe vom NWB Karriereführer können Sie hier herunterladen.

Autor

Andreas Wellmann, siehe ehemalige KAF.


 [1] Onboarding Reloaded. softgarden-Studie. softgarden e-recruiting GmbH. 2022.

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