Fachassistent/in Digitalisierung und IT-Prozesse: Motor für die moderne Kanzlei der Zukunft

Für Mitarbeitende von Steuerkanzleien, die sich für digitale Themen begeistern, gibt es seit zwei Jahren mit dem „FAIT“ ein neues Fortbildungsangebot. Dieser Beitrag zeigt auf, welche Karrierechancen sich dadurch für Kanzleiangestellte ergeben, die den digitalen Wandel ihres Berufsumfelds aktiv mitgestalten wollen. Als Problemlöser für die Umsetzung von Digitalisierungsprojekten in der Steuerberatung sind sie stark gefragt.

Herausforderung digitale Transformation

Ob die Digitalisierung für den steuerberatenden Beruf ein Fluch oder ein Segen ist, wird kontrovers diskutiert. Einerseits gibt es die Befürchtung, dass die zunehmende Automatisierung von Standard- und Verwaltungstätigkeiten den Steuerkanzleien große Probleme bereiten wird oder den Beruf des Steuerberaters künftig sogar überflüssig machen könnte. Im Gegensatz dazu sehen andere vielmehr die damit verbundenen Chancen, indem innovative Kanzleien durch den gewonnenen Freiraum ihre Kreativität voll entfalten können und sich dadurch neue attraktive Geschäftsfelder, insbesondere im Bereich der Beratungsdienstleitungen, erschließen können.[1]

Unbestritten ist jedoch, dass die Transformation hin zu einer zunehmend digitalen Arbeitswelt auch die Steuerkanzleien vor besondere Herausforderungen stellt. Das grundsätzliche Bewusstsein dafür ist zwar häufig bereits vorhanden. Dennoch hört man von Kanzleiinhabern nicht selten den Satz: „Für Digitalisierungsprojekte haben wir eigentlich im Moment gar keine Zeit.“ So nachvollziehbar diese Aussage angesichts der vielen fristbehafteten Aufgaben im Kanzleialltag auch ist, verdeutlicht sie gleichzeitig das Grundproblem: Entweder wird das Thema gar nicht angegangen oder es werden zunächst voller Elan Digitalisierungsprojekte angestoßen, die aus Zeitgründen jedoch nach und nach versanden.

Damit ist ein weiteres zentrales Problem umrissen: Zwar reden alle über Digitalisierung und Automatisierung. Aber viele Kanzleien tun sich extrem schwer damit, die damit verbundenen Potentiale, d. h. die Produktivitätsgewinne tatsächlich zu realisieren. Dabei liegen die Vorteile einer funktionierenden Digitalstrategie klar auf der Hand: Die Kanzlei erhöht mit ihrer Produktivität nicht nur die Rentabilität für ihre Inhaber, sondern sie steigert damit auch ihre Attraktivität als Arbeitgeber. Mit ihren modernen Arbeitsstrukturen reduziert sie die Überlastung ihrer Mitarbeiter und verbessert deren Work-Life-Balance. Auf dem hart umkämpften Arbeitsmarkt sind das gute Argumente, um engagierte Mitarbeiter zu gewinnen bzw. im Unternehmen zu halten. Auch die Mandanten einer zukunftsfähig aufgestellten Kanzlei profitieren vom Mehrwert der innovativen Prozesse.

Der Prozess ist die Lösung

Für das Gelingen der digitalen Transformation spielt die technische Umsetzung, also die Investition in die entsprechende Hard- und Software, natürlich eine wichtige Rolle.

Entscheidend für den Erfolg ist jedoch die Optimierung – und damit in vielen Fällen die Veränderung – der damit verbundenen Arbeitsprozesse, sowohl innerhalb der Kanzlei als auch im Verhältnis zum Mandanten. Das erfordert die ehrliche Bereitschaft aller Beteiligten, sich diesem Veränderungsprozess aktiv zu stellen. Sowohl die Kanzleileitung als auch die Mitarbeitenden müssen bereit sein, die eingeübten Abläufe aufzubrechen und das eigene Verhalten dauerhaft an neue Strukturen anzupassen.

Für den Kanzleiinhaber kommt ein weiterer zentraler Aspekt hinzu: Er muss bereit sein, für die Entwicklung und Umsetzung seiner Digitalstrategie finanzielle und vor allem auch personelle Ressourcen einzusetzen. Die mit der Transformation verbundene Produktivitätssteigerung tritt nicht sofort ein, sondern in der Anfangsphase werden Geld und Zeit benötigt. Damit der gewünschte Mehrwert realisiert werden kann, braucht es in der Kanzlei – je nach Größe – einen oder mehrere Mitarbeiter, die sich um die Umsetzung der entsprechenden Projekte kümmern. Diese „Digitalisierungsbeauftragten“ dürfen nicht vollständig mit laufenden Tätigkeiten wie der Finanz- und Lohnbuchhaltung oder der Steuerdeklaration ausgelastet sein, sondern müssen einen ausreichenden zeitlichen Freiraum haben, um ihre Rolle auch ausfüllen zu können.

Mit dieser Aufgabe müssen nicht zwingend die besten Fachkräfte der Kanzlei betraut werden. Bestens geeignet sind vielmehr solche Mitarbeiter, die vielleicht fachlich nicht so tief im Steuerrecht verhaftet sind, die aber über eine hohe IT-Affinität und gute Kommunikationsfähigkeiten verfügen. Sie müssen wissen, wie Steuerberatung funktioniert und welche Geschäftsfelder es dort gibt. Auch wenn sie selbst z. B. keine Einkommensteuererklärung erstellen, müssen sie die damit verbunden Prozesse und Datenflüsse kennen, um diese auch optimieren zu können.

Neue Fortbildung „FAIT“

Mit der Einführung der neuen Fortbildung „Fachassistent/in Digitalisierung und IT-Prozesse“ (kurz „FAIT“) haben die Steuerberaterkammern vor zwei Jahren den Rahmen geschaffen, damit interessierte Kanzleiangestellte die für ihre Funktion als „Digitalisierungsbeauftragte“ erforderliche fachliche Qualifikation erwerben können.

Als Zielsetzung dieser Ausbildung wird in den entsprechenden Prüfungsordnungen formuliert, dass die künftigen FAITs in ihrer Kanzlei die folgenden Aufgaben selbständig und verantwortungsvoll wahrnehmen können:

  • Unterstützung der Kanzleiführung und -organisation bei der Weiterentwicklung und Umsetzung einer Digitalstrategie,
  • Analyse, Standardisierung und Automatisierung der digitalen Geschäfts- und Arbeitsprozesse in der Kanzlei und im Mandantenunternehmen,
  • Begleitung der Kanzleimitarbeiter bei der Umsetzung digitaler Arbeitsprozesse, um sichere und effiziente Arbeitsabläufe zu gewährleisten,
  • Organisation der Zusammenarbeit zwischen Kanzlei, Mandanten und Dritten (insbesondere Finanzverwaltung),
  • Unterstützung der Mandanten bei der Nutzung vor- und nachgelagerter Systeme sowie bei der Verwendung von Anwendungssoftware und Schnittstellen,
  • Sicherstellung des medienbruchfreien Daten- und Informationsaustauschs,
  • Anwendung der Datenschutzvorschriften und Beachtung der Datensicherheit bei digitalen Arbeitsprozessen sowie der berufsrechtlichen Vorschriften.

Nicht zu den Aufgaben der FAITs gehören hingegen – allein schon aus haftungsrechtlichen Gründen – die Einrichtung der Hardware beim Mandanten durch den FAIT selbst oder die Programmierung von Software. Vielmehr sollen sie Empfehlungen und organisatorische Hinweise z. B. an IT-Dienstleister geben bzw. die IT-Dienstleister der Mandanten und der Kanzlei koordinieren.

Niedrige Einstiegshürde

Dem Aufgabenspektrum des FAIT entsprechend richtet sich die Fortbildung an Kanzleiangestellte, die bereits über ein Grundverständnis im Umgang mit digitalen Prozessen verfügen und die ihre IT-Kompetenzen weiter ausbauen möchten.

Die Einstiegshürde – im Sinne der Zulassungsvoraussetzungen zur Abschlussprüfung – ist recht niedrig: Steuerfachgestellte benötigen nach Abschluss ihrer Ausbildung nur eine einjährige Berufserfahrung in einer Steuerberaterkanzlei oder bei einem vergleichbaren Berufsangehörigen (z. B. Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt). Der Zeitumfang der praktischen Tätigkeit muss mindestens 16 Stunden pro Woche betragen. Der Stichtag für die Erfüllung dieses Kriteriums ist regelmäßig der 28. (bzw. 29.) Februar eines Jahres, da die schriftliche Prüfung im März stattfindet. Unter Berücksichtigung der Dauer eines entsprechenden Vorbereitungslehrgangs kann die Fortbildung somit bereits wenige Monate nach Abschluss der Ausbildung begonnen werden.

Auch Absolventen eines wirtschaftswissenschaftlichen Hochschulstudiums benötigen nur die kurze Berufspraxis von einem Jahr. Das bietet Berufseinsteigern, die bisher nur wenig Bezug zum Steuer- und Rechnungswesen hatten, eine hervorragende Chance für den Einstieg in die Welt der steuerberatenden Berufe.

Dies gilt auch für Interessenten mit einer kaufmännischen Berufsausbildung (z. B. Bank-, Industrie-, Groß- und Außenhandels- oder IT-Systemkaufleute) oder mit einer Ausbildung im Bereich der Informationstechnologien (z. B. Fachinformatiker/in für Systemintegration oder Anwendungsentwicklung). Hier ist jedoch eine mindestens zweijährige Berufstätigkeit in Steuerberatungskanzleien oder bei vergleichbaren Berufsgruppen erforderlich.

Wer keine gleichwertige Berufsausbildung nachweisen kann, muss mindestens drei Jahre bei Steuerberatern oder vergleichbaren Berufen beruflich tätig gewesen sein. Bei besonderen Ausnahmefällen kann eine ausreichende Vorbildung mit entsprechenden Zeugnissen nachgewiesen werden. Auch ausländische Bildungsabschlüsse und Berufszeiten im Ausland werden von den Kammern berücksichtigt.

Inhalte und Aufbau der FAIT-Prüfung

Die inhaltliche Basis der Fortbildung bildet das Abgaben- und Verfahrensrecht. Thematische Schwerpunkte sind die GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff) und die Verfahrensdokumentation (Prozessbeschreibungen zur Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit von Aufzeichnungen und deren Aufbewahrung). Darüber hinaus werden die Grundlagen der Automatisierung sowie des Datenschutzes und der Datensicherheit vermittelt. Aufbauend auf diesen theoretischen Grundlagen wird deren Umsetzung in den Arbeitsprozessen sowohl innerhalb der Kanzlei als auch im Verhältnis zu den Mandanten und zur Finanzverwaltung thematisiert.

Die Abschlussprüfung gliedert sich in zwei Teile: Die schriftliche Prüfung besteht aus einer Klausur mit einer Bearbeitungszeit von drei Zeitstunden, die jährlich Ende März durchgeführt wird. Wenn die Klausur erfolgreich bestanden ist, folgt ca. drei Monate später die mündliche Prüfung, die einen 15-minütigen Fachvortrag und daran anschließend ein 30-minütiges Fachgespräch umfasst.

Für die Durchführung der Prüfung ist grundsätzlich die Steuerberaterkammer zuständig, in deren Bezirk die Beschäftigungskanzlei angesiedelt ist. Wie in den anderen Fachassistentenprüfungen wurden jedoch auch im FAIT Kooperationsverbünde gebildet, so dass die meisten Kammern die Zuständigkeit für die Abnahme der Prüfung an federführende Schwesterkammern übertragen haben. Hinweise zu den Zuständigkeiten findet man auf den Internetseiten der Kammern.

Besonderheit Fachvortrag

In der mündlichen FAIT-Prüfung gehen die Steuerberaterkammern einen neuen Weg: Den Auftakt bildet ein 15-minütiger Fachvortrag, in dem ein komplexes Problem der betrieblichen Praxis zu thematisieren ist. Ausgehend von einer konkreten Fragestellung soll der Kandidat in seinem Vortrag die Lösung darstellen, z. B. wie sich Mandanten für die Nutzung einer von der Kanzlei bereits eingesetzten Software gewinnen lassen. Daran schließt sich das eigentliche Prüfungsgespräch an, das sich – nach den bisherigen Erfahrungen im ersten Prüfungsjahr – meist eng an den Inhalten des Fachvortrags orientiert.

Anders als in der mündlichen Steuerberater- und Steuerfachwirtprüfung, wo die Themen des Kurzvortrags von der Prüfungskommission vorgegeben werden und die Kandidaten nur wenige Minuten Zeit zur Vorbereitung haben, können die Teilnehmer der FAIT-Prüfung das Themas ihres Fachvortrags – unter Berücksichtigung einiger inhaltlicher Vorgaben – frei wählen und sich intensiv darauf vorbereiten. Das schließt in der Regel die Ausarbeitung einer entsprechenden Präsentation mit ein. Das Thema und eine Grobgliederung des Vortrags ist der prüfenden Kammer einige Monate im Voraus mitzuteilen (spätestens bis zum Tag der schriftlichen Prüfung).

Mit diesem Fachvortrag soll nicht nur der Transfer des Theoriewissens in die berufliche Praxis erreicht werden. Gleichzeitig sind die Kandidaten dadurch gefordert, vor einem „Publikum“ den möglichen Mehrwert eines Digitalisierungsprojekts zu präsentieren. Das knüpft an ihre künftige Rolle als FAIT an, in der sie ihre Kollegen sowie die Mandanten der Kanzlei informieren, überzeugen und begleiten müssen, damit die digitale Transformation auch gelingt.

Bisherige Erfahrungen

Die FAIT-Prüfung wurde im Frühjahr 2022 erstmals durchgeführt. Die Steuerberaterkammern konnten dafür einen regen Zuspruch verzeichnen und auch die Bestehensquote war mit ca. 70 % erfolgreich abgeschlossenen Prüfungen erfreulich hoch.

Aus Sicht des Steuerrechts-Instituts KNOLL, das einen entsprechenden Vorbereitungslehrgang durchführt, lässt sich zwei Jahre nach der Einführung des FAIT ebenfalls ein erstes Fazit ziehen. Die Fortbildung spricht tatsächlich einen breiten Interessentenkreis an. Neben vielen Steuerfachangestellten und einigen Steuerfachwirten finden sich unter den Teilnehmern auch zahlreiche Quereinsteiger mit einem kaufmännischen bzw. IT-Hintergrund oder mit einem Hochschulabschluss.

Die meisten Teilnehmer sind in ihren Kanzleien bereits mit Projekten im Bereich der Automatisierung und Digitalisierung betraut und möchten mit dem Lehrgang ihre Kenntnisse erweitern und vertiefen. Dementsprechend ist ihre Motivation sehr hoch. Es zeigt sich aber auch, dass oftmals die Kanzleimitarbeiter schon weiter sind als die Kanzleileitung bzw. die -inhaber, die sich häufig noch als Umsetzungsbremse erweisen.

Die Digitalisierung ist kein Selbstzweck

Insbesondere aus den Erfahrungen mit der Vorbereitung der Teilnehmer auf den Fachvortrag lässt sich eine weitere Erkenntnis ableiten: Sehr häufig wird ein noch zu geringer Fokus auf die klaren Mehrwertpotenziale der digitalen Transformation gelegt – also auf die Frage, warum ein Prozess verändert werden soll. Die Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern sie muss der Kanzleileitung, den Kanzleimitarbeitern und den Mandaten einen eindeutigen Mehrwert durch eine Erhöhung der Produktivität und/oder die Verbesserung der Arbeitsbedingungen liefern.

Anhand der folgenden sechs Potenziale kann der Mehrwert klar definiert werden. Auf mindestens eines dieser Potenziale sollte ein Digitalisierungsprojekt erheblich einzahlen:

  • höhere Qualität,
  • geringerer Zeitaufwand,
  • niedrigere Kosten,
  • höhere Datensicherheit,
  • höhere Rechtssicherheit,
  • Ortsunabhängigkeit.

Mithilfe dieser Kriterien können mögliche Projekte auch gewichtet werden und bieten eine Orientierung für die konkrete Umsetzung: Soll zum Beispiel zuerst mit einem hochkomplexen Vorhaben gestartet werden, das nur einen überschaubaren Mehrwert liefert? Oder konzentriert man sich zunächst auf Quick Wins, die wenig Zeitaufwand erfordern und einen nachhaltigen messbaren Gewinn liefern?

Fazit

Der digitale Wandel ist auch für die Steuerberatung eine große Herausforderung, da sich durch die voranschreitende Verknüpfung von Steuern und Informationstechnologien die tradierten Berufsbilder und Tätigkeitsbereiche in den Kanzleien stark verändern werden. Mitarbeitern, die sich für digitale Themen begeistern können, bieten sich dadurch hervorragende Perspektiven für die Entwicklung einer eigenständigen, hochwertigen und zukunftssicheren Position in ihrer Kanzlei. Mit der neuen Fortbildung zum FAIT können sie sich die dafür erforderlichen Kenntnisse aneignen.

Der FAIT öffnet auch agilen IT-affinen Quereinsteigern – ohne den klassischen Ausbildungsweg im Steuer- und Rechnungswesen – den Weg in die Steuerberatung als neue, attraktive Karrieremöglichkeit. Fachlich versiert können sie den digitalen Wandel der Branche aktiv mitgestalten und werden wichtige Ansprechpartner für die Kanzleiführung, ihre Kollegen und die Mandanten.

Damit werden die FAITs in den Kanzleien künftig zu den gefragtesten Mitarbeitern zählen.

Autor

Falk Mehlhorn, Dipl.-Volksw., ist Lehrgangsleiter beim Steuerrechts-Instituts KNOLL. Davor war er viele Jahre an der Universität Freiburg als Studiengangsmanager für den TaxMaster und den MBA International Taxation tätig.


 [1] Siehe hierzu auch Seite XX, Gaebler, Der Digitale Buchhalter von heute (von morgen).

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