Online-Nachricht - Donnerstag, 02.12.2021

Einkommensteuer / Verfahrensrecht | Fünftel-Regelung für Langzeitmodelle (BFH)

Bei Zahlungen aufgrund eines Langzeit­vergütungs­modelles handelt es sich um außer­ordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG. Eine Anrufungs­auskunft gem. § 42e EStG kann entsprechend § 207 Abs. 2 AO mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben oder geändert werden (Anschluss an BFH, Urteil v. 2.9.2010 - VI R 3/09) (BFH, Urteil v. 2.9.2021 - VI R 19/19; veröffentlicht am 2.12.2021).

Hintergrund: Mit Führungskräften werden immer häufiger Langzeitvergütungsmodelle vereinbart. Auf neudeutsch: Long Term Incentive-Modelle. Bei diesen werden die Leistungen der Arbeitnehmer nicht nur für ein Jahr bewertet und entlohnt, sondern vielmehr über mehrere Jahre (Steuern mobil 3/2020).

Sachverhalt: Die Klägerin, eine AG, beantragte bei dem FA eine Anrufungsauskunft gemäß § 42e EStG. Sie bat um Bestätigung, dass Zahlungen aus einem sog. Langzeitvergütungsmodell (LTI Modell) die Voraussetzungen einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit i. S. von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG erfüllten und die Lohnsteuer unter Anwendung der sog. "Fünftelregelung" gem. § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG berechnet werden könne.

2011 bestätigte das FA zunächst die Rechtsauffassung der Klägerin. 2017 hob das FA die vorgenannte Anrufungsauskunft sodann mit Wirkung für die Zukunft auf. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, bei den Zahlungen aufgrund des LTI Modells handele es sich nicht um außerordentliche Einkünfte i.S. von § 34 EStG. Es lägen vielmehr "Bonuszahlungen" vor.

Der BFH wies die Revision des FA zurück:

  • Die der Klägerin ursprünglich erteilte Anrufungsauskunft (2011) war rechtmäßig, so dass der auf der gegenteiligen Annahme beruhende Widerruf der Anrufungsauskunft auf einem Ermessensfehlgebrauch beruht.
  • Der Widerruf der erteilten Anrufungsauskunft ist wegen fehlerhafter Ermessensausübung rechtswidrig (§ 102 FGO); so auch das FG. § 42e EStG enthält für die Aufhebung bzw. Änderung einer Anrufungsauskunft keine eigene Korrekturbestimmung. Das Fehlen einer solchen Korrekturvorschrift stellt eine Gesetzeslücke dar, die durch entsprechende Anwendung des § 207 Abs. 2 AO zu schließen ist.
  • Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 2. Halbsatz EStG ist eine Tätigkeit mehrjährig, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. Allerdings reicht es nicht aus, dass der Arbeitslohn in einem anderen Veranlagungszeitraum als dem zufließt, zu dem er wirtschaftlich gehört, und dort mit weiteren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zusammentrifft. Die Entlohnung muss vielmehr für sich betrachtet zweckbestimmtes Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit sein, die Vergütung folglich für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten und veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden (ständige Rechtsprechung des BFH).
  • Darüber hinaus muss die Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen in zusammengeballter Form erfolgen.
  • Das FG hat hiernach zu Recht entschieden, dass die vom FA ursprünglich erteilte Anrufungsauskunft aus 2011, nach der es sich bei den Zahlungen aufgrund des LTI Modells um außerordentliche und nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG begünstigt zu besteuernde Einkünfte handele, rechtmäßig war.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 2.9.2021 - VI R 19/19; NWB Datenbank (JT)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von BFH-Richter Dr. Stephan Geserich gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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