Online-Nachricht - Donnerstag, 20.01.2022

Einkommensteuer | Fristbeginn bei einem privaten Veräußerungsgeschäft im Fall der Selbstbenennung aufgrund eines befristeten Benennungsrechts (BFH)

Ist der Grundstückskaufvertrag mit einem befristeten Erwerberbenennungsrecht ausgestattet, kommt es zur Anschaffung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt der Selbstbenennung (Selbsteintritt), selbst wenn der Benennungsberechtigte das Grundstück mit dem späteren Fristablauf ohnehin "automatisch" (Annahmefiktion) erworben hätte (BFH, Urteil v. 26.10.2021 - IX R 12/20; veröffentlicht am 20.1.2022).

Hintergrund: Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) u.a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend, in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden (vgl. BFH-Urteile v. 8.4.2014 IX R 18/13, BStBl II 2014, 826, Rz 29 und v. 10.2.2015 IX R 23/13, BStBl II 2015, 487, Rz 20, s. hierzu Trossen, NWB 17/2015 S. 1222).

Sachverhalt: Streitig ist der Fristbeginn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, wenn der Grundstückskaufvertrag mit einem befristeten Benennungsrecht ausgestattet ist und der Steuerpflichtige sich vor Ablauf der Benennungsfrist selbst als Käufer benennt: Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin schloss am 21.9.2000 einen notariellen Grundstückskaufvertrag, an dem das Bundesland X als "Veräußerer", die Klägerin als "Benenner", Herr … (E) als "Erwerber" und zwei "weitere Beteiligte" beteiligt waren. Danach verkauft das Bundesland X Grundstücksteilflächen an sechs Erwerber, und zwar an E und fünf weitere noch zu benennende Erwerber. Diese erwerben jeweils einen bestimmten Miteigentumsanteil am Grundstück, haben einen Teil des Grundstückskaufpreises zu tragen und verpflichten sich zur Begründung von Wohnungseigentum sowie zur Errichtung von Einfamilienreihenhäusern. § 2 des Grundstückskaufvertrags enthält folgende Regelung:

"Die Benennung hat bis zum 31.6.2002 [sic!] zu erfolgen. Nach Ablauf der vorgenannten Frist gilt der Benenner als Erwerber der bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benannten Miteigentumsanteile."

Die Klägerin benannte am 20.8.2001 sich selbst und den Kläger für ein Reihenmittelhaus. Die notarielle Urkunde weist die Klägerin als "Benenner und Erwerber" und den Kläger als "Erwerber" aus. Den Kaufpreis in Höhe von 63.706,24 DM entrichteten die Kläger am 26.2.2002.

Die Kläger nutzten das von ihnen gebaute Haus zur Erzielung von Vermietungseinkünften. Mit notariellem Vertrag vom 25.2.2011 veräußerten die Kläger das Objekt zum Kaufpreis von 190.000 €.

Das FA ging von einem privaten Veräußerungsgeschäft aus. Erst mit der Selbstbenennung am 20.8.2001 habe sich die Klägerin verbindlich zum Erwerb des Objekts verpflichtet. Der notarielle Vertrag vom 21.9.2000 habe dagegen nur eine bedingte Verpflichtung enthalten. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg (FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 4.6.2020 - 10 K 10154/15).

Der BFH dagegen hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab:

  • In dem Abschluss eines Käuferbenennungsvertrags noch keine Annahme des Kaufangebots zu sehen. Eine Bindung besteht zunächst nur für den Verkäufer (vgl. Staudinger/Schumacher (2018) zu § 311b BGB Rz 44).
  • Mit der Benennung eines Käufers kommt es zur Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot. Dementsprechend kommt der Kaufvertrag mit dem vom Benennungsberechtigten Benannten zustande, wenn dieser das Angebot annimmt. Vorliegend ist der Kaufvertrag durch die Annahme des Kaufangebots durch den Kläger ("Erwerber") zwischen dem Bundesland X und dem Kläger wirksam zustande gekommen.
  • Vor diesem Hintergrund hat aber auch die Klägerin das Kaufangebot des Bundeslandes X erst mit ihrer Benennung in der notariellen Urkunde am 20.8.2001 bindend angenommen. Durch die Selbstbenennung (Selbsteintritt) ist es zwar im Gegensatz zur Situation beim Kläger nicht zu einer Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot als Zwischengeschäft gekommen.
  • Erst durch den Selbsteintritt hat sie aber die erforderliche rechtsgeschäftliche Annahmeerklärung abgegeben und damit bindend zum Ausdruck gebracht, dass sie das Angebot annehmen und das Grundstück erwerben wolle. Vorher fehlte es an der für die Fristbestimmung in § 23 EStG maßgebenden rechtlichen Bindungswirkung. Bis zur Selbstbenennung hätte sie sich durch die einseitige Benennung eines Dritten als Erwerber einseitig von dem Kaufvertrag lösen können. Die Motive der Klägerin für ihre Selbstbenennung sind unerheblich.
  • Dieses Ergebnis wird durch den Umstand bestätigt, dass der Kaufpreis (vertragsgemäß) erst am 26.2.2002 gezahlt worden ist. Dies verdeutlicht, dass die Beteiligten das Rechtsgeschäft erst weit nach dem Grundstückskaufvertrag vom 21.9.2000, aber in zeitlicher Nähe zum Vertrag vom 20.08.2001 vollzogen haben.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 26.10.2021 - IX R 12/20; NWB Datenbank (il)

 
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