Online-Nachricht - Donnerstag, 31.03.2022

Einkommensteuer | Übertragung des Kinderfrei­betrags bei in nichtehelicher Lebens­gemein­schaft lebenden Eltern­teilen (BFH)

Bei einer funktio­nierenden nichtehelichen Lebens­gemeinschaft kann im Hinblick auf die Übertragung des Kinderfrei­betrags nach § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Verteilung der Unterhalts­leistungen zwischen den Elternteilen für im Haushalt lebende minderjährige Kinder (in Form von Natural- , Bar- und Betreuungs­unterhalt) dem Willen des allein sorge­berechtigten Elternteils oder der gemeinsam sorge­berechtigten Elternteile entspricht (BFH, Urteil v. 15.12.2021 - III R 24/20; veröffentlicht am 31.3.2022).

Hintergrund: Nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung wird bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag für das sächliche Existenz­minimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein BEA-Freibetrag vom Einkommen abgezogen. Abweichend hiervon wird bei einem unbeschränkt einkommen­steuer­pflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils, der dem anderen Elternteil zustehende Kinder­freibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist (§ 32 Abs. 6 Satz 6 EStG).

Sachverhalt: Streitig ist, ob in den Streitjahren 2015 bis 2017 die Voraussetzungen dafür vorliegen, dass die auf den Kindsvater entfallenden Kinderfreibeträge auf die Kindsmutter übertragen werden können.

Die Klägerin ist die Mutter eines im März 1998 geborenen Sohnes und einer im April 2001 geborenen Tochter. Mit dem Vater der beiden Kinder lebte die Klägerin in den Streitjahren in nichtehelicher Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt. Der Sohn befand sich nach Erreichen der Volljährigkeit zunächst noch in Schul- und dann in Berufsausbildung.

Der FA berücksichtigte in den Einkommensteuerbescheiden für 2015, für 2016 und für 2017 nur jeweils die auf die Klägerin entfallenden Kinderfreibeträge und Freibeträge für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag).

Die hiergegen gerichtete Klage, mit der die Klägerin begehrte, in allen Streitjahren sowohl den auf den Kindsvater entfallenden Kinderfreibetrag als auch den BEA-Freibetrag für beide Kinder vollständig auf sie zu übertragen, wies das FG als unbegründet ab (FG Nürnberg, Urteil v. 8.8.2019 - 3 K 504/19).

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:

  • Für Zwecke des § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Verteilung der Unterhaltsleistungen innerhalb einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft dem Willen des allein sorgeberechtigten Elternteils oder der gemeinsam sorgeberechtigten Elternteile entspricht.
  • Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass eine (weitergehende) Übertragung der dem Kindsvater für die Veranlagungs­zeiträume 2015, 2016 und 2017 zustehenden Kinderfreibeträge auf die Klägerin ausgeschlossen ist.
  • Dem Kindsvater steht für die beiden Kinder gem. § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG in den Veranlagungs­zeiträumen 2015 bis 2017 jeweils ein Kinderfreibetrag in der im Revisions­verfahren noch strittigen Höhe zu, da beide Kinder während der betreffenden Zeiträume minderjährig waren und daher nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 i. V. mit Abs. 3 EStG zu berücksichtigen sind.
  • Es liegen jedoch nicht sämtliche Voraussetzungen des § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG für eine Übertragung der Kinderfreibeträge vom Kindsvater auf die Klägerin vor.
  • Die Klägerin und der Kindsvater sind zwar ein unbeschränkt einkommen­steuer­pflichtiges Elternpaar, bei dem mangels Eheschließung die Voraus­setzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen. Die Klägerin hat auch den Antrag auf Übertragung des Kinder­freibetrags gestellt. Dass die Klägerin ihre Unterhaltspflicht im Wesentlichen erfüllt hat, war im erstinstanzlichen Verfahren nicht strittig.
  • Leben nicht miteinander verheiratete Eltern zusammen mit einem gemeinsamen minderjährigen Kind in einem gemeinsamen Haushalt, kann nicht allein deshalb, weil ein betreuender Elternteil keinen oder nur einen geringen Beitrag zum (gemeinsamen) Haushalts­einkommen leistet, davon ausgegangen werden, dass dieser Elternteil i. S. des § 32 Abs. 6 Satz 6 Alternative 1 EStG seiner Unterhalts­pflicht nicht im Wesentlichen nachkommt.
  • Eine fehlende Unterhaltspflicht mangels Leistungsfähigkeit i. S. des § 32 Abs. 6 Satz 6 Alternative 2 EStG kann nicht allein daraus abgeleitet werden, dass ein Elternteil ein im gemeinsamen Haushalt lebendes minderjähriges Kind überwiegend betreut und keine oder nur geringe Beiträge zum (gemeinsamen) Haushalts­einkommen leistet.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 15.12.2021 - III R 24/20; NWB Datenbank (RD)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im X. Senat des BFH Dr. Jens Reddig gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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