Online-Nachricht - Donnerstag, 11.08.2022

Gewerbesteuer | Gewerbesteuer­pflicht einer Immobilien-GmbH bzw. Betriebs­stätte bei Einschaltung einer Dienst­leistungs­gesell­schaft (BFH)

Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Räumlichkeiten dann eigene Betriebsstätten i. S. des § 12 Satz 1 AO sein, wenn es sich hierbei um solche einer eingeschalteten Dienstleistungs- oder Management­gesell­schaft handelt und hierüber kein vertraglich eingeräumtes eigenes Nutzungsrecht besteht (BFH, Urteil v. 23.2.2011 - I R 52/10; BFH, Urteil v. 24.8.2011 - I R 46/10). Dies gilt aber nur, wenn die fehlende Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung oder Anlage des Dritten durch eine eigene unter­nehmerische Tätigkeit vor Ort ersetzt wird (BFH, Urteil v. 23.3.2022 - III R 35/20; veröffentlicht am 11.8.2022).

Hintergrund: Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG), d.h. soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Gemäß § 12 Satz 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäfts­einrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient.

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin im Streitjahr 2013 im Inland eine Betriebsstätte hatte und dement­sprechend gewerbesteuerpflichtig ist. Die Klägerin ist eine im Jahr 2008 gegründete GmbH.

Streitig ist, wo sich die Betriebsstätte einer Kapitalgesellschaft befindet, wenn der Geschäftsführer der Gesellschaft in Luxemburg wohnt und die Entscheidungen für die Gesellschaft trifft, aber gleichzeitig einer anderen (nicht irgendwie verflochtenen) inländischen Kapitalgesellschaft eine Haus­verwaltungs­vollmacht an einer inländischen Immobilie übertragen wird und an deren Sitz im Rahmen der Vollmacht auch die Verpflichtungen gegenüber Mietern/Pächtern und Behörden abgewickelt wurden.

Die Klage begründete die Klägerin damit, dass keine Gewerbesteuerpflicht vorliege, weil sie im Inland zu keinem Zeitpunkt eine Betriebsstätte innegehabt habe.

Das FG vertrat die Ansicht, die Klägerin habe im Inland eine Betriebsstätte gehabt, mit der Folge der grundsätzlichen Gewerbesteuerpflicht (FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 21.11.2019 - 9 K 11108/17). (siehe hierzu auch Bärsch/Nußbaum, IWB 16/2020 S. 673)

Der BFH hat die Revision als begründet angesehen, das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:

  • Das FG hat auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen zu Unrecht entschieden, dass die Klägerin im Inland eine inländische Betriebsstätte nach § 12 AO unterhält.
  • Eine Betriebsstätte i. S. von § 12 Satz 1 AO erfordert eine Geschäfts­einrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
  • Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Räumlichkeiten dann eigene Betriebsstätten i. S. des § 12 Satz 1 AO sein, wenn es sich hierbei um solche einer eingeschalteten Dienstleistungs- oder Management­gesellschaft handelt und hierüber kein vertraglich eingeräumtes eigenes Nutzungsrecht besteht (BFH, Urteil v. 23.2.2011 - I R 52/10; BFH, Urteil v. 24.8.2011 - I R 46/10). Dies gilt aber nur, wenn die fehlende Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung oder Anlage des Dritten durch eine eigene unternehmerische Tätigkeit vor Ort ersetzt wird (beispielsweise Identität der Leitungsorgane, fortlaufende nachhaltige Überwachung in den Räumlichkeiten des Auftragsnehmers).
  • Ohne eine gewisse räumliche und zeitliche "Verwurzelung" des Unternehmens vor Ort fehlt es an dem für eine Betriebsstätten­begründung erforderlichen Dienen der Geschäfts­einrichtung oder Anlage für eigene unter­nehmerische Zwecke i. S. des § 12 Satz 1 AO. Allein die Übertragung von auch umfassenden Aufgaben ohne gleichzeitig eigene betriebliche Tätigkeiten vor Ort macht die Betriebsstätte des Auftrag­nehmers nicht zur Betriebsstätte des Auftraggebers.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 23.3.2022 - III R 35/20; NWB Datenbank (RD)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im X. Senat des BFH Dr. Jens Reddig gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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