Online-Nachricht - Donnerstag, 18.08.2022

Verfahrensrecht | Zustellung von Einkommen­steuer­bescheiden in der Schweiz (BFH)

Eine Zustellung von Einkommen­steuer­bescheiden an einen in der Schweiz wohnhaften Steuer­pflichtigen unmittelbar durch die Post ist völkerrechtlich erstmals für Besteuerungs­zeiträume ab dem 1.1.2018 zulässig (BFH, Urteil v. Urteil vom 8.3.2022 - VI R 37/19; veröffentlicht am 18.8.2022).

Hintergrund: Gemäß § 122 Abs. 5 Satz 2 AO i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn sie im Fall des § 9 VwZG (Zustellung im Ausland) nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht. Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung kommt nur als letztes Mittel in Betracht, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, den Verwaltungsakt dem Empfänger in anderer Weise zu übermitteln (u.a. BFH, Urteil v. 9.12.2009 - X R 54/06, BStBl II 2010, 732).

Sachverhalt: Streitig ist, ob die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2009 bis 2013 vom 25.04.2017 dem Kläger ordnungsgemäß bekanntgegeben worden sind: Der Kläger hat seit dem Jahr 2013 seinen ausschließlichen Wohnsitz in der Schweiz. Der Aufforderung des FA, einen inländischen Empfangsbevollmächtigten zu bestellen, kam er nicht nach. Stattdessen bat der Kläger das FA, ihm sämtliche Schreiben an seine Wohnanschrift in der Schweiz zu schicken.

Im April 2017 erließ das FA geänderte Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2009 bis 2013. Es ordnete die öffentliche Zustellung der Bescheide an und informierte den Kläger darüber. Das FA vertrat die Ansicht, dass eine Zustellung der Bescheide in der Schweiz nicht zulässig sei. Da der Kläger keinen Empfangsbevollmächtigten benannt habe, könne eine Zustellung nur im Wege der öffentlichen Zustellung erfolgen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil v. 8.10.2019 - 10 K 963/18 E, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 13.11.2019).

Dem folgen die Richter des BFH nicht. Sie hoben das Urteil auf und wiesen die Klage ab:

  • Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre dem Kläger nicht wirksam durch öffentliche Bekanntgabe gemäß § 122 Abs. 1 und 5 Sätze 1 und 2 AO i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VwZG bekanntgegeben wurden.
  • Das FA hat zunächst die Zustellung der Steuerbescheide ermessensfehlerfrei angeordnet und sodann deren Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung auch ermessensfehlerfrei durchgeführt. Es hatte keine andere Möglichkeit, dem in der Schweiz ansässigen Kläger die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre zu übermitteln.
  • Die Steuerbescheide konnten dem in der Schweiz ansässigen Kläger bis zum Inkrafttreten des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen vom 25.01.1988 i.d.F. des Protokolls vom 27.05.2010 (im Weiteren: Übereinkommen) völkerrechtlich nicht zulässig durch einfachen Brief bekanntgegeben werden.
  • Die Zustellung der Steuerbescheide konnte gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VwZG durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, da eine Zustellung in die Schweiz gemäß § 9 Abs. 1 VwZG insbesondere mittels Einschreiben mit Rückschein völkerrechtlich nicht zulässig war (s. AEAO zu § 122 Nr. 1.8.4 und 3.1.4.1 in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung).
  • Eine Zustellung der Steuerbescheide an den in der Schweiz ansässigen Kläger konnte das FA im Jahr 2017, anders als das FG meint, auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 3 des Übereinkommens unmittelbar durch die Post vornehmen lassen.
  • Denn auch diese Art der Zustellung war nach Art. 28 Abs. 6 Satz 1 des Übereinkommens erst für Steuerbescheide ab dem Veranlagungszeitraum 2018 zulässig.
  • Nach Art. 28 Abs. 6 Satz 1 des Übereinkommens in der durch das Protokoll von 2010 geänderten Fassung (s. dort: Art. VIII Abs. 6) gilt das Übereinkommen (erst) für die Amtshilfe im Zusammenhang mit Besteuerungszeiträumen, die am oder nach dem 1.1. des Jahres beginnen, das auf das Jahr folgt, in dem das Übereinkommen in der durch das Protokoll von 2010 geänderten Fassung für eine Vertragspartei in Kraft getreten ist.
  • Da das Übereinkommen in der Schweiz am 1.1.2017 in Kraft getreten ist und der Veranlagungszeitraum gemäß § 25 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes am 1.1. beginnt, gilt die Amtshilfe erst für Besteuerungszeiträume ab 2018.

 
Quelle: BFH, Urteil v. Urteil vom 8.3.2022 - VI R 37/19; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VI. Senat des BFH Dr. Stephan Geserich gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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