Online-Nachricht - Donnerstag, 01.09.2022

Einkommensteuer | Zufluss von Kapitalerträgen beim beherrschenden Gesell­schafter einer ausländischen Kapital­gesell­schaft (BFH)

Dem beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapital­gesellschaft fließt ein Gewinn­anteil gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt des Gewinn­ausschüt­tungs­beschlusses zu, wenn die Gesellschaft zahlungsfähig ist und er nach Maßgabe des ausländischen Rechts zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich über den Gewinnanteil verfügen kann (BFH, Urteil v. 14.2.2022 - VIII R 32/19; veröffentlicht am 1.9.2022).

Sachverhalt: Streitig ist, ob dem Kläger in den Jahren 2007 bis 2010 (Streitjahre) als beherrschendem Gesellschafter einer kroatischen Kapitalgesellschaft beschlossene Gewinn­ausschüttungen, die ihm nicht ausbezahlt wurden, gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen sind.

Der im Inland wohnhafte und unbeschränkt steuerpflichtige Kläger wurde in den Streitjahren zusammen mit seiner Ehefrau, der Klägerin, einkommen­steuerlich veranlagt. Er war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer im Jahr 2000 gegründeten Gesellschaft mit beschränkter Haftung kroatischen Rechts. Die kroatische Gesellschaft erwirtschaftete in den Geschäftsjahren 2006 bis 2009 jeweils Gewinne.

Nach Durchführung einer Außenprüfung erhöhte das FA durch auf § 164 Abs. 2 AO gestützte Änderungsbescheide die ursprünglichen Einkommen­steuer­festsetzungen für die Streitjahre. Das FA begründete dies mit weiteren von der kroatischen Gesellschaft beschlossenen Ausschüttungen, die es als dem Kläger als beherrschendem Gesellschafter im jeweiligen Streitjahr zugeflossen ansah.

Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos. Das FG wies die Klage ab (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.7.2019 - 8 K 1194/15).

Der BFH hat die Revision als begründet angesehen, das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:

  • Einnahmen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind, d. h. in dem er wirtschaftlich über die Einnahmen verfügen kann. Bei beherrschenden Gesellschaftern - der Kläger gehört als Alleingesellschafter unstreitig zu diesem Personenkreis - ist der Zufluss einer Ausschüttung in der Regel bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinn­verwendung anzunehmen, weil der beherrschende Gesellschafter es regelmäßig in der Hand hat, sich die ihm von der Gesellschaft geschuldeten Beträge auszahlen zu lassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sein Gewinn­auszahlungs­anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet. Unter diesen Voraussetzungen kann der beherrschende Gesellschafter im Regelfall wirtschaftlich bereits ab dem Zeitpunkt des Ausschüttungs­beschlusses über seinen Gewinnanteil verfügen.
  • Diese Rechtsgrundsätze sind auch auf den Zufluss von Gewinnanteilen bei einem im Inland unbeschränkt einkommen­steuer­pflichtigen beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapital­gesellschaft anzuwenden.
  • Unverzichtbare Bedingung für den Zufluss offener Gewinnausschüttungen beim beherrschenden Gesellschafter nach den vorstehenden Grundsätzen ist im Inlandsfall wie im Auslandsfall, dass der Gesellschafter über diejenigen Gewinnanteile, deren Ausschüttung durch die Gesell­schafter­versam­mlung beschlossen wurde, wirtschaftlich verfügen kann.
  • Entsteht mit der Fassung des Gewinn­verwendungs­beschlusses nach ausländischem Recht ein wie im Streitfall sofort fälliger Gewinn­auszahlungs­anspruch, kann hieraus nicht in jedem Fall zwingend abgeleitet werden, dass der beherrschende Gesellschafter bei Zahlungs­fähigkeit der Gesellschaft unmittelbar die wirtschaftliche Verfügungs­macht erlangt. Denn die Dispositions­möglichkeit des Gesellschafters über die Auszahlung des Ausschüttungs­betrags kann nach den Gegebenheiten des jeweiligen ausländischen Rechts dennoch ausgeschlossen sein. Soweit und solange Gegeben­heiten des ausländischen Rechts der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des beherrschenden Gesellschafters über den Ausschüt­tungs­betrag entgegenstehen, ist noch kein Zufluss gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG bei ihm gegeben.
  • Das maßgebliche ausländische Recht hat das FG nicht nur hinsichtlich der Frage, ob eine Gewinnausschüttung beschlossen wurde, der Fälligkeit des Gewinnauszahlungsanspruchs und der Zahlungsfähigkeit der ausschüttenden Gesellschaft, sondern auch im Hinblick darauf festzustellen, ob es landesspezifische gesetzliche oder tatsächliche Besonderheiten gibt, die verhindern, dass der beherrschende Gesellschafter die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Ausschüttungsbetrag erlangt.
  • Nach diesen Grundsätzen hat das FG im Streitfall zu Unrecht allein aus der Fälligkeit der beschlossenen Ausschüt­tungs­beträge unmittelbar auf die wirtschaftliche Verfügungs­macht des Klägers über die Ausschüt­tungs­beträge geschlossen, ohne zu prüfen, ob seiner Verfügungsmacht nach Maßgabe des kroatischen Rechts Hindernisse entgegenstanden.
  • Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb an das FG zurückzu­verweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen zum kroatischen Recht nachholen kann.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 14.2.2022 - VIII R 32/19; NWB Datenbank (RD)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VIII. Senat des BFH Dr. Christian Levedag gelangen Sie hier (Login erforderlich).

Cookies erforderlich

Um fortfahren zu können, müssen Sie die dafür zwingend erforderlichen Cookies zulassen. Diese gewährleisten den vollen Funktionsumfang unserer Seite, ermöglichen die Personalisierung von Inhalten und können für die Ausspielung von Werbung oder zu Analysezwecken genutzt werden. Lesen Sie auch unsere Datenschutzerklärung.