Online-Nachricht - Donnerstag, 27.04.2023

Einkommensteuer | Beteiligung an den Kosten der Lebens­führung im Rahmen einer doppelten Haus­halts­führung (BFH)

Kosten der Lebens­führung i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG sind die Kosten des Haushalts und die sonstigen Lebens­haltungs­kosten im Haupt­haus­stand. Die finanzielle Beteili­gung an den Kosten der Lebens­führung darf nicht erkennbar unzu­reichend sein. Ob dies der Fall ist, bedarf einer Würdi­gung der Umstände des Einzel­falls. Eine bestimmte betragliche Grenze sieht das Gesetz nicht vor, ebenso wenig ist eine laufende Beteili­gung erforderlich (BFH, Urteil v. 12.1.2023 - VI R 39/19; veröffentlicht am 27.4.2023).

Hintergrund: Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG sind notwendige Mehrauf­wendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veran­lassten doppelten Haushalts­führung entstehen, Werbungs­kosten. Eine doppelte Haushalts­führung liegt nur vor, wenn der Arbeit­nehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeits­stätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeits­stätte wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG). Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG setzt das Vorliegen eines eigenen Hausstands das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebens­führung voraus.

Sachverhalt: Der Kläger, ein lediger Arbeitnehmer, bewohnte im Streitjahr (2015) in seinem Elternhaus zusammen mit seinem Bruder eine nicht abge­schlossene Ober­geschoss­wohnung. Die Eltern, mit denen er keinen Mietvertrag geschlossen hatte, lebten im Erdgeschoss. Daneben unterhielt er am Arbeitsort eine gemietete Zweitwohnung. Der Kläger beteiligte sich zwar nicht an den laufenden Haus- und Nebenkosten, überwies jedoch im Dezember des Streitjahres einen Betrag von 1.200 € (mtl. Kostenbeteiligung für Januar bis Dezember von je 100 €) sowie einen Betrag von 550 € (Beteiligung an der Fenster­erneuerung). Zudem konnte er nachweisen, dass er Ausgaben für Lebens­mittel­einkäufe am Ort des Haupthaus­standes in Höhe von ca. 1.410 € getätigt hatte.

Mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragte der Kläger die Berücksichtigung von Aufwendungen einer doppelten sowie Kosten Familien­heimfahrten als Werbungs­kosten.

Das FA berücksichtigte die geltend gemachten Beträge auch im Einspruchs­verfahren nicht als Werbungskosten, da eine ausreichende finanzielle Beteiligung am gemein­samen Haushalt (Eltern und Brüder) nicht nachgewiesen worden sei.

Der hiergegen gerichteten Klage gab das FG statt (Niedersächsisches FG, Urteil v. 18.9.2019 - 9 K 209/18; siehe hierzu unsere Online-Nachricht v. 15.1.2020).

Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen:

  • Im Kontext des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG sind unter Kosten der Lebensführung lediglich die Kosten des Haushalts und der sonstigen Lebenshaltung des Haupthausstands zu verstehen.
  • Bezüglich der Kostenbeteiligung sieht das Gesetz weder eine bestimmte betragsmäßige Grenze vor noch, dass es sich um eine laufende Beteiligung im Sinne einer - wie das FA meint - mietgleichen Zahlung handeln muss.
  • Auch darf die finanzielle Beteiligung des Steuer­pflichtigen an den Kosten des (Haupt-)Hausstands nicht erkennbar unzureichend sein. Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern bedarf einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls durch das FG als Tatsacheninstanz.
  • Als Vergleichsmaßstab für eine nicht erkennbar unzureichende finanzielle Beteiligung dienen die im Jahr tatsächlich entstandenen Haushalts- und sonstigen Lebens­haltungs­kosten. Diese hat der Steuerpflichtige darzulegen und ggf. nachzuweisen.
  • Bei Heranziehung dieser Rechtsgrundsätze hat das FG im Ergebnis zu Recht das Vorliegen einer doppelten Haushalts­führung im Sinne der gesetzlichen Neuregelung bejaht.
  • Vorliegend hatten die Eltern des Klägers diesem und seinem Bruder die Wohnung im Obergeschoss zur Nutzung überlassen. Es bestehen keine Zweifel, dass der Kläger und sein Bruder diese von den Eltern überlassene Wohnung i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG im Streitjahr innehatten. Soweit das FG allerdings von einem Mehr­generationen­haushalt im Sinne eines gemeinsamen Haushalts der Brüder und der Eltern ausgegangen ist, wird diese Würdigung von den den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) der Vorinstanz nicht getragen. Denn das FG hat festgestellt, dass die Brüder (nur) die Wohnung im Obergeschoss bewohnten, während die Eltern die Räume im Erdgeschoss nutzten. Der Umstand, dass die von den Brüdern bewohnte Wohnung im Obergeschoss nicht gegenüber der von den Eltern bewohnten Wohnung im Erdgeschoss baulich abge­schlossen ist, ist für das Vorliegen eines eigenen Hausstands unerheblich.
  • Das FG hat im Ergebnis auch zu Recht eine ausreichende finanzielle Beteiligung des Klägers an der Haushalts­führung im Streitjahr bejaht.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 12.1.2023 - VI R 39/19; NWB Datenbank (RD)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VI. Senat des BFH Dr. Stephan Geserich gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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