Online-Nachricht - Donnerstag, 04.05.2023
Verfahrensrecht | Verpflichtung zur aktiven Nutzung des beSt (BFH)
Steuerberatern steht seit dem 1.1.2023 mit dem besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach (beSt) ein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung, so dass sie in finanzgerichtlichen Verfahren seit diesem Zeitpunkt vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen als elektronische Dokumente übermitteln müssen. Beantragt ein Steuerberater wegen Nichtnutzung des beSt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, muss er darlegen, weshalb er nicht von der Möglichkeit der Priorisierung seiner Registrierung (sog. fast lane) Gebrauch gemacht hat (BFH, Beschluss v. 28.4.2023 - XI B 101/22; veröffentlicht am 4.5.2023).
Hintergrund: Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind nach § 52d Satz 1 FGO als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt nach § 52d Satz 2 FGO für die nach der FGO vertretungsberechtigten Personen und Bevollmächtigten, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 4 FGO zur Verfügung steht; ausgenommen sind nach § 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 oder Nr. 2 FGO vertretungsbefugte Personen.
Sachverhalt: Die Klägerin hatte im November 2022 durch ihren Prozessbevollmächtigten, einen Steuerberater, per Fax Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision beim BFH eingelegt. Mitte Dezember 2022 beantragte sie per Fax eine Verlängerung der Begründungsfrist um einen Monat. Diese Begründung wurde ihr gewährt.
Am 20.1.2023 ging beim BFH die Beschwerdebegründung vom 19.1.2023 per Telefax ein. Die Geschäftsstelle des BFH wies die Klägerin darauf hin, dass vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln seien und die Beschwerdebegründung diesen Anforderungen nicht genüge. Daraufhin legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit einem von einem unterbevollmächtigten Rechtsanwalt elektronisch eingereichten Schriftsatz v. 23.2.2023 die Begründung v. 19.1.2023 erneut diesmal in elektronischer Form (per besonderem elektronischem Anwaltspostfach beA) vor und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Die elektronische Einreichung der Beschwerdebegründung sei ihm nicht möglich gewesen, weil das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) noch nicht eingerichtet gewesen sei. Die Einrichtung durch die Steuerberaterkammer erfolge im ersten Quartal 2023 in alphabetischer Reihenfolge. Der auf den 13.1.2023 datierende Registrierungsbrief der BStBK sei erst am 18.1.2023 bei ihm eingegangen. Die Registrierung und Implementierung in die Kanzleisoftware hätten bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 20.1.2023 nicht realisiert werden können.
Beigefügt war ein Schreiben der Steuerberaterkammer X v. 14.9.2022, in dem darauf hingewiesen wird, dass für Berufsträger, die aktiv in die finanzgerichtliche Kommunikation eingebunden sind, die Möglichkeit besteht, sich für eine Priorisierung (sog. fast lane) anzumelden. Vortrag dazu, weshalb die Möglichkeit der "fast lane" nicht genutzt worden ist, enthält der Antrag nicht.
Die Richter des BFH wiesen die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision als unzulässig ab:
- Die Klägerin hat die Frist zur Begründung der Beschwerde versäumt.
- Das Urteil des FG ist der Klägerin am 20.10.2022 zugestellt worden. Die antragsgemäß verlängerte Frist zur Begründung der form- und fristgerecht erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde lief gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 und 4 FGO am 20.1.2023 ab.
- Die per beA eingereichte Beschwerdebegründung vom 23.2.2023 ist verspätet eingegangen und hat die Frist nicht gewahrt.
- Die am 20.1.2023 per Telefax eingegangene Beschwerdebegründung ist nicht in der gebotenen Form eingereicht worden. Der Formverstoß führt zur Unwirksamkeit und schließt damit insbesondere eine Fristwahrung aus.
- Der Wiedereinsetzungsantrag v. 23.2.2023 erfüllt die Darlegungsanforderungen an einen solchen Antrag nicht. Der Antrag erläutert nicht, weshalb der Prozessbevollmächtigte nicht von der Möglichkeit der Nutzung der "fast lane" Gebrauch gemacht hat.
- Dass die Möglichkeit der Nutzung der "fast lane" für Berufsträger, die aktiv in die finanzgerichtliche Kommunikation eingebunden sind, besteht, war dem Prozessbevollmächtigten aufgrund des Schreibens der Steuerberaterkammer vom 14.9.2022 bekannt. Sowohl bereits aufgrund der Einlegung der Beschwerde im November 2022 als auch aufgrund des Antrags auf Gewährung von Fristverlängerung im Dezember 2022 musste ihm bewusst sein, dass er zu dem im Schreiben genannten Personenkreis gehört.
- Aufgrund des BFH-Beschlusses in BFH/NV 2022, 1057, Rz 9 musste dem Prozessbevollmächtigten außerdem bewusst sein, dass er ab dem 1.1.2023 gemäß § 52d Satz 2 FGO zur aktiven elektronischen Kommunikation mit dem BFH verpflichtet sein wird.
- Weshalb den Prozessbevollmächtigten der Klägerin trotz dieser beiden Umstände kein Verschulden daran treffen soll, die "fast lane" nicht genutzt zu haben, um eine frühere Registrierung und Implementierung in die Kanzleisoftware zu ermöglichen, begründet die Beschwerde nicht. Der Wiedereinsetzungsantrag ist deshalb abzulehnen.
Quelle: BFH, Beschluss v. 28.4.2023 - XI B 101/22; NWB Datenbank (il)
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im XI. Senat des BFH Prof. Dr. Alois Nacke gelangen Sie hier (Login erforderlich).