Online-Nachricht - Donnerstag, 29.06.2023

Einkommensteuer | Abzug der Aufwen­dungen für eine opera­tive Fettab­saugung als agB (BFH)

Aufwendungen für eine operative Fettab­saugung (Liposuktion) zur Behand­lung eines Lipödems können jedenfalls ab dem Jahr 2016 ohne vorherige Vorlage eines vor den Operationen erstellten amtsärzt­lichen Gutachtens oder einer ärztlichen Bescheini­gung eines Medizini­schen Dienstes der Kranken­versicherung als außer­gewöhn­liche Belastung zu berück­sichtigen sein (BFH, Urteil v. 23.3.2023 - VI R 39/20; veröffent­licht am 29.6.2023).

Sachverhalt: Die Klägerin litt seit Jahren an einem Lipödem (krankhafte Fett­verteilungs­störung). Da konservative Behand­lungen keine Besserung bewirkten, unterzog sie sich im Streitjahr 2017 auf Anraten des behandelnden Arztes einer Liposuktion. Die Krankenkasse übernahm die Kosten der Operation nicht, da der Gemeinsame Bundes­ausschuss der Krankenkassen (GBA) - trotz jahrelanger Prüfung - immer noch keine entsprechende Kosten­übernahme­empfehlung ausgesprochen hatte. Die Klägerin machte den Aufwand als außer­gewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt lehnte dies unter Berufung auf BFH-Rechtsprechung zu früheren Zeiträumen ab, da es sich um eine wissen­schaftlich nicht anerkannte Behandlungs­methode handele und ein vor Behandlungs­beginn ausgestelltes Gutachten bzw. eine ärztliche Bescheini­gung des Medizinischen Dienstes nicht vorlagen.

Das FA der ersten Instanz schloss sich der Argumentation, die Liposuktion sei eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungs­methode, nach umfangreicher Auswertung entsprechender medizinischer Fachbeiträge nicht an und gab der Klage statt (Sächsisches FG, Urteil v. 10.9.2020 - 3 K 1498/18, s. hierzu Kanzler, NWB 46/2020 S. 3374 sowie unsere Online-Nachricht v. 26.10.2020).

Die Richter des BFH wiesen die Revision des FA zurück:

  • Inzwischen (jedenfalls ab 2016) besteht über die Wirksamkeit und Zweck­mäßigkeit der Liposuktion bei einem Lipödem unter den Medizinern kein nennens­werter Streit mehr.
  • Zudem benennt das Gesetz beispielhaft die Frisch- und Trocken­zellen­behandlung sowie die Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie als wissen­schaftlich nicht anerkannte Behandlungs­methoden. Damit ist die Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems nicht vergleichbar.
  • Die fehlende Einbeziehung der Liposuktion in das Leistungsverzeichnis der Krankenkassen durch den GBA ist unerheblich.
  • Da die bei der Klägerin durchgeführte Liposuktion nicht kosmetischen Zwecken gedient hat, sondern medizinisch indiziert gewesen ist, hat es für die Anerkennung der Kosten als außer­gewöhnliche Belastungen, ebenso wie bei anderen Krankheits­aufwendungen, nicht der Vorlage eines vor der Behandlung ausgestellten amtsärztlichen Gutachtens oder einer ärztlichen Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Kranken­versicherung bedurft.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 23.3.2023 – VI R 39/20; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VI. Senat des BFH Dr. Stephan Geserich gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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